Über das Projekt "Unser BR kann mehr“
Systematische und nachhaltige Betriebsratsarbeit in KMU
Die Arbeit von Betriebsräten in KMU ist nicht einfach. Sie haben oft nur einen oder keine freigestellten Betriebsräte, und arbeiten unter sehr unterschiedlichen Bedingungen. Das Projekt entwickelt für sie Werkzeuge für eine nachhaltige Betriebsratsarbeit.
Ein Projekt der Hans-Böckler-Stiftung, unterstützt von IG BCE und IG Metall
durchgeführt von der Evoco GmbH
Frank Sievert, BR-Vorsitzender von Kingspan-Gefinex SteffenshagenIch wünsche jedem Gremium, die Chance auf so eine Betreuung wie in diesem Projekt zu bekommen.
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind das Herz der Wirtschaft. Zwei Drittel der Beschäftigten arbeiten in KMU. Sie sorgen für Beschäftigung, gerade in Zeiten wirtschaftlichen Wandels. Auch werden neue Geschäftsfelder oft von KMUs entwickelt, sie sind dann Pioniere.
Trotz dieser großen Bedeutung spielen die KMU-Betriebsräte in der Mitbestimmungsdebatte keine so große Rolle. Hier geben die größeren Betriebe den Ton an, bei ihnen ist der gewerkschaftliche Organisationsgrad auch oft höher. Die Betreuung von Kleinbetrieben ist für die Gewerkschaften sehr viel aufwendiger. Aber 58,5% aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten arbeiten in KMU-Betrieben. In KMU-Betrieben sind die Arbeitsbedingungen in der Regel schwieriger und das Ringen um das bloße Überleben des Betriebes ist bei vielen von ihnen dauernd präsent. 99% aller Insolvenzen betreffen Betriebe mit weniger als 100 Mitarbeitern. Das Lohnniveau ist in der Regel geringer als in Großbetrieben und oft wird nur der Mindestlohn gezahlt.
Dies führt dazu, dass hier mehr Menschen arbeiten, die sich als Verlierer in dieser Gesellschaft erleben. Wir sehen die Gefahr, dass bei ihnen Populisten auf offene Ohren stoßen. Die von uns begleiteten Betriebsräte setzen Zeichen, indem sie nicht passiv verharren, sondern aktiv mitgestalten und sich für ihre Sache einsetzen. Dafür brauchen sie Unterstützung.
Es macht also Sinn, sich intensiver mit der Arbeit von KMU-Betriebsräten zu beschäftigen und herauszufinden, wie die spezifischen Arbeitsbedingungen für KMU-Betriebsräte aussehen und wie ihre Arbeit weiterentwickelt werden kann. Dies veranlasste die Hans-Böckler-Stiftung gemeinsam mit der IG Metall und der IG BCE, ein Projekt zu diesem Thema anzustoßen. Es wurde von der Evoco GmbH in Schöneiche/Berlin 2016 und 2017 durchgeführt. Die Ergebnisse werden hier präsentiert.
Die Arbeit von Betriebsräten in KMU ist nicht einfach. Sie haben wenige, oft nur einen oder keine freigestellten Betriebsräte, und arbeiten unter sehr unterschiedlichen Bedingungen. Einige Betriebe sind traditionell familiengeführt, andere sind Ausgründungen von Großkonzernen. Manchmal wird die Bildung von Betriebsräten aggressiv verhindert, es gibt aber auch gerade in KMUs sehr enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen der Geschäftsführung und den Betriebsräten. In manchen jungen Betrieben – z.B. Start Ups – gelten Betriebsräte als unmodern und man verlässt sich auf informelle Arten der Mitbestimmung. KMU-Betriebe sind viel überschaubarer. Es geht bei ihnen oft familiärer zu, in der Regel kennt Jede/r Jeden. Die Prozesse sind transparenter und damit auch die Möglichkeit von Beschäftigten, diese Prozesse mitzugestalten. Betriebsräte sind mit viel Herz und hoch engagiert bei ihrer Arbeit.
Die Vielfalt der Umstände erfordert von den Betriebsräten in KMU ein hohes Maß an Flexibilität. Die Vorlagen und Blaupausen für Betriebsräte großer Unternehmen passen bei ihnen oft nicht, sodass sie ihre Arbeitsweise im Prozess stetig neu erfinden. Sie decken bei kleiner Zahl und geringen Ressourcen eine nahezu gleiche inhaltliche Bandbreite wie große Betriebsräte ab. Das macht für sie eine strategische Arbeit nicht einfach.
Dieses Projekt hat diese Bedingungen sorgfältig analysiert und Werkzeuge entwickelt, die die Weiterentwicklung der Arbeit in KMU hin zu einer nachhaltigen Betriebsratsarbeit ermöglichen. Sie befähigen den Betriebsrat, durch strukturierte Vorgehensweisen gestaltend in die Entwicklung des Unternehmens einzugreifen und langfristig die Interessen der Belegschaft zu unterstützen. Gerade im Handlungsfeld „Vernetzung des BR“ wird deutlich, dass es Sinn macht, KMU-BR-Arbeit an wichtigen Punkten anders zu organisieren.
Dazu wurden zahlreiche Interviews mit Experten und KMU-BRs durchgeführt und es wurden zehn Betriebsratsgremien mit unterschiedlichem Entwicklungsstand und Umfeld in ihrer Arbeit und Weiterentwicklung begleitet. Die Begleitung erfolgte in Form von Interviews, Workshops und Beratungen. Beispiele guter Praxis wurden gesammelt und analysiert, um Erfolgsfaktoren und Handlungsempfehlungen herauszuarbeiten. Es wurden Werkzeuge erstellt und ausprobiert, die die Betriebsräte in KMU unterstützen können und allen Betriebsräten ab der Wahlperiode 2018 zur Verfügung stehen. Gleichzeitig will das Projekt KMU-BRs dazu ermuntern, durch Austausch und Kommunikation von Beispielen guter Praxis voneinander zu lernen und gegenseitig von ihren zahlreichen Erfahrungen zu profitieren.
Angemerkt werden soll an dieser Stelle, dass die Ergebnisse dieses Projektes, die Einteilung der Betriebsrats-Arbeit in sechs Handlungsfelder und die Bereitstellung von Werkzeugen für die praktische Arbeit vor Ort sich inzwischen auch für Betriebsräte von größeren Betrieben als hilfreich erwiesen haben. Möglicherweise kann dies dahingehend interpretiert werden, dass die Strukturen in den kleineren Betrieben viel klarer und auch überschaubarer sind, sodass ihre Analyse die Fülle der Aufgaben in den Großbetrieben auch deutlicher strukturiert. Wir wünschen Ihnen viel Spaß und Entdeckungsfreude bei der Arbeit mit den hier zur Verfügung gestellten Materialien. Für neue Ideen, Anregungen, Ergänzungen oder Kritik sind wir dankbar. Teilen Sie sie uns gerne unter mail@evoco.de mit.
Wir danken allen Projektbeteiligten und den Mitgliedern des Beirats für die wertvolle Unterstützung, die diese Ergebnisse möglich gemach hat.
Die Inhalte können unter Beachtung der üblichen Zitierregeln und mit Hinweis auf die Urheber und die Quelle verwendet werden.
Die ausgewählten Betriebe spiegeln ein ausgewogenes Verhältnis zwischen selbständigen Kleinbetrieben und zu selbständigen Einheiten ausgegründeten Konzernteilen wider. Der einzige Start-Up-Betrieb, der für das Projekt gewonnen werden konnte, ist leider noch vor Anlauf der Begleitung aufgelöst geworden. Ebenso vereinen die Betriebe verschiedene Grade gewerkschaftlicher Organisation. Das erlaubt es, Unterschiede herauszuarbeiten, um übertragbare Instrumente entwickeln zu können.
Kreis Weseler Abfallgesellschaft mbH & Co.KG, Abfallentsorgungszentrum Asdonkshof, Beseitigung und Verwertung von Abfällen, Kamp-Lintfort
170 Mitarbeiter, 7 BR-Mitglieder, betreut durch IG BCE, Kommunaler Betrieb
Wichtige Themen im Projekt: Aktive Beteiligung des BR bei der Änderung der Gesellschaftsstruktur und Diversifizierung
Boryszew Oberflächentechnik Deutschland GmbH, Zulieferer für die Automobil- und Household-Appliances-Industrie, Prenzlau
350 Mitarbeiter, 9 BR-Mitglieder, betreut durch IG Metall
Teil eines internationalen Konzerns (ca. 6.000 MA)
Wichtige Themen im Projekt: Neuer BR, Krisensituation wegen Großbrand und neuem Standort, geringe Entlohnung, hoher Krankenstand
Kingspan Gefinex GmbH, Produzent von Polyethylen-Schäumen und Folien für Schall- und Feuchteschutz, Standort Pritzwalk
99 Mitarbeiter, 5 BR-Mitglieder, betreut durch IG BCE
Neuer österreichischer privater Eigentümer
Wichtige Themen im Projekt: Arbeitsorganisation des BR, Kommunikation zu den Mitarbeitern
Schleicher Electronics GmbH, Produzent von Steuerungssystemen für Automatisierungstechnik, Berlin
75 Mitarbeiter, 6 BR-Mitglieder, betreut durch IG Metall
Privater Eigentümer
Wichtige Themen im Projekt: Überleben des Unternehmens, Nachfolge im Vorsitz
Astronergy Solarmodule GmbH, Produzent von Solarmodulen, Frankfurt/Oder
242 Mitarbeiter, 9 BR-Mitglieder, betreut durch IG Metall
Zugehörigkeit zu einem chinesischen Konzern
Wichtige Themen im Projekt: Streik für Entgelt-Tarifvertrag, Ausbau des Vertriebs
Saint-Gobain-Rigips GmbH, Produzenten von Systemelementen im Trockenbau, Werk Gelsenkirchen-Scholven
180 Mitarbeiter, 7 BR-Mitglieder, betreut durch IG BCE
Im Besitz eines internationalen Konzerns (Rigips GmbH ca. 825 MA)
Wichtige Themen im Projekt: Rohstoff- und Standortprobleme, Produkt- und Prozessinnovation
Konsumgenossenschaft Königs Wusterhausen, EdekaEinkaufsgenossenschaft, Königs Wusterhausen
200 Mitarbeiter, 7 BR-Mitglieder, betreut durch Ver.di
Wichtige Themen im Projekt: Eigentum privater Genossen, Insolvenzverfahren, Konflikt mit der Geschäftsführung, Kommunikation zu den Mitarbeitern
Abbott Laboratories GmbH und Abbott Arzneimittel GmbH, Arzneimittel-Entwicklung, Produktion, Vertrieb, Werk Hannover
220 Mitarbeiter, 9 BR-Mitglieder, betreut durch IG BCE, Teil eines deutschen Konzerns
Wichtige Themen im Projekt: Personalplanung, Demografie
Mylan, Healthcare/Pharma, Werk Hannover
300 Mitarbeiter, 9 BR-Mitglieder, betreut durch IG BCE
Teil eines amerikanischen Konzerns
Wichtige Themen im Projekt: Organisation im BR, Mitarbeiterbeteiligung
ICIG Business Services GmbH & Co. KG, Bereitstellung von Personaldienstleistungen, Standort Wuppertal
70 Mitarbeiter, 5 BR-Mitglieder, betreut durch IG BCE
Wichtige Themen im Projekt: Nachwuchsgewinnung, Übergang vom alten ins neue Gremium
Kabam Games GmbH, Produzent von Online-Games, Berlin
nicht durchgeführt wegen Standortschließung
ehemals 100 Mitarbeiter, 5 BR-Mitglieder; betreut durch Ver.di, Zugehörigkeit zu einem internationalen Unternehmen
Evoco GmbH
Projektleitung: Dr. Klaus-Stephan Otto
Ansprechpartnerin: Karoline Karl
Projektteam: Dr. Klaus-Stephan Otto, Helmut Erbel, Joe Fass, Karoline Karl, Luise Papendieck
Ein Projekt der Hans-Böckler-Stiftung
Ansprechpartnerin: Dr. Manuela Maschke
Projektpartner
IG Metall
Jochen Schroth
IG BCE
Stefan Soltmann