Toolbox KMU: Handlungsfeld 2
Individuelle und kollektive Interessenvertretung
Darum geht's
Das „Kerngeschäft“ der Betriebsratsarbeit ist die Vertretung der Interessen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das können die kollektiven Interessen sein, aber auch die Unterstützung von einzelnen Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern.
Überblick
In diesem Handlungsfeld geht es um die individuelle und kollektive Interessenvertretung:
Kernprozess der Arbeit des Betriebsrates ist die erfolgreiche Interessenvertretung aller Mitarbeiter, auch aus Bereichen, die im Betriebsrat nicht vertreten sind. Dabei geht er professionell vor und entwickelt Standards. Er unterstützt einzelne Kolleginnen und Kollegen in ihren Anliegen und vertritt die Interessen der gesamten Belegschaft oder größerer Gruppen.
Harald Frick, BR-Vorsitzender der Astronergy Solarmodule GmbHMan muss den Willen haben, Dinge zu verbessern und darf nicht aus den Augen verlieren, für wen man im BR sitzt. Die Interessenvertretung ist die Hauptaufgabe des Betriebsrates.
Was ist zu tun?
Individuell
- Wir beraten die Beschäftigten gut und zuverlässig bei ihren individuellen Problemen.
- Wir unterscheiden, ob die betreffende Person nur beraten werden will oder der BR das Problem für sie lösen soll.
- Wir beraten bei Entgelt-Eingruppierungen.
- Wir begleiten Personalgespräche.
- Wir beraten in altersspezifischen Fragen.
- Wir führen Anhörungen bei Kündigungen durch.
- Bei Konflikten vertreten wir die Beschäftigten, aber wir vermitteln auch.
- Wir stellen in wichtigen Fachfragen für die Beschäftigten die Verbindung zu kompetenten Experten her.
- Wir sind für das Management erreichbar und agieren zügig aber mit Sorgfalt.
Kollektiv
- Wir vertreten die Interessen der Beschäftigten bei Arbeitszeiten und Schichtmodellen.
- Wir stimmen Entgelt-Eingruppierung auf das Unternehmen ab und berücksichtigen die Wünsche der Beschäftigten.
- Wir fördern Ergonomie, Arbeitsschutz, Gesundheit und den Erhalt der Arbeitsfähigkeit.
- Wir setzen uns für Gleichstellung ein.
- Wir vertreten alle Bereiche und Altersgruppen.
- Wir sorgen für Maßnahmen für einen guten Umgang mit dem demografischen Wandel.
- Bei der Begleitung von Unternehmensprojekten sorgen wir für die Wahrung der Interessen der Beschäftigten.
- Wir verhandeln, setzen um und überarbeiten Betriebsvereinbarungen.
- Wir sind initiativ bei Personalentwicklung und Qualifizierung.
- Wir kommunizieren regelmäßig mit der Unternehmensführung und dem Personalbereich.
Werkzeuge
Gute Beratung braucht einen Roten Faden für die Führung der Gespräche. Dies hilft bei der Systematisierung der Beratungsgespräche. Die verschiedenen Phasen bringen eine Ordnung in den Gesprächsablauf. Dieses Schema gilt für komplexe Beratungsgespräche.
Download
Damit wichtige Informationen/Absprachen nicht verloren gehen, ist es hilfreich, für Gespräche ein Notizblatt mit den wichtigsten Daten anzulegen, die wichtigsten Punkte aus dem Gespräch aufzuschreiben und für sich abzulegen.
Verhandlungen gerade auch mit der Geschäftsführung gehören zum Alltag des Betriebsrates. Die folgenden Punkte helfen bei der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Verhandlungen.
Gute Darstellung der verschiedenen Möglichkeiten, Mitarbeiter in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu unterstützen.
In: Demografie Reiseführer, Orientierungshilfen für Betriebsräte zur strategischen Einführung des Themas „Demografie im Betrieb“, S. 45
In: Strategische Personalplanung mit Weitblick – Ein Ratgeber für Betriebsräte, S.10 + Bsp. S. 17
Links
Praxiswissen Betriebsvereinbarungen
Ausgezeichnete Sammlung von Betriebsvereinbarungen zu den unterschiedlichsten Themen. Man muss das Rad nicht immer neu erfinden.
Demografie-Reiseführer
Orientierungshilfen für Betriebsräte zur strategischen Einführung des Themas „Demografie im Betrieb“
Buch „Verhandlungstechnik für Betriebsräte“, Uta Gröschel
Gute Einführung in die Verhandlungsführung für Betriebsräte
Broschüre „Strategische Personalplanung mit Weitblick“
https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/inqa085-strategische-personalplanung-mit-weitblick.pdf?__blob=publicationFile&v=2
Broschüre „Gleichstellung: Mitbestimmung und Mitgestaltung“
Wenn sich der Weg in die Einigungsstelle oder zum Arbeitsgericht nicht vermeiden lässt - Tipps und Handlungsempfehlungen
Besonders zu beachten in KMU
Die Vielfalt der Gebiete der Interessenvertretung ist von einem kleinen BR nicht abdeckbar, umso wichtiger ist es, sich auf einzelne Themen zu fokussieren und fachkundige Mitarbeiter oder Experten von außerhalb zur Unterstützung heranzuziehen.
Beispiele Guter Praxis
Beate Heinert, BR-Vorsitzende der AWO NürnbergWir sind zwar nicht auf Krawall gebürstet, aber auch nicht auf Kuschelkurs. Das bringt Respekt, bei Mitarbeitern und Geschäftsführung. Zur Not geht’s auch mal vor Gericht.
Der Solarmodulhersteller Astronergy in Frankfurt/Oder ist von einem chinesischen Unternehmen übernommen worden. Der Betriebsrat und die Gewerkschaft wollten aufgrund der niedrigen Löhne einen Tarifvertrag erreichen. Es wurden Warnstreiks mit Eventcharakter durchgeführt. Durch den Einsatz von kreativen Methoden wurden die Mitarbeiter einbezogen: Es gab Musik, ein Beschäftigter spielte Schlagzeug und es wurden gemeinsam Tüten mit einem Apfel und einem Ei bestückt um das brandenburgische Motto „Wir arbeiten nicht für ´nen Appel und ´n Ei“ zu symbolisieren. Damit wurde außerdem Druck auf die Geschäftsführung ausgeübt. Es wurde eine erhebliche Lohnerhöhung durchgesetzt, ein Tarifvertrag konnte noch nicht erreicht werden. Die Beschäftigten bleiben aber weiterhin am Ball.
Thomas Kniehl, Betriebsratsratsvorsitzender von Kaiser + KraftSeit Anfang 2014 bekommen die Mitarbeiter des Unternehmens Punkte gutgeschrieben, wenn sie den Weg zur Arbeit umweltbewusst zurücklegen. Im Jahr können sie sich so nebenbei eine Prämie in Höhe von mehreren Hundert Euro netto dazuverdienen. Ebenso bezahlt das Unternehmen weniger Dienstwagen, dafür mehr Bahncards 50.
In einem Standort eines Gipskartonplattenherstellers ist die Belegschaft seit Jahrzehnten recht stabil. Es gibt kaum Fluktuation. Der Altersdurchschnitt liegt bei über 50 Jahren. Die meisten Mitarbeiter sind in der Produktion beschäftigt. Es wird in 3 Schichten gearbeitet. Der Krankenstand ist in den letzten Jahren angestiegen. Für die Zukunft ist eine kritische Entwicklung zu befürchten. Der Betriebsrat ging aktiv auf Beschäftigte in den Schichten zu. Die Kollegen wurden nach ihren Problemen und Wünschen befragt. Daraus wurden Vorschläge für einen veränderten Schichtbetrieb mit 2 verlängerten Schichten erarbeitet und mit den Kollegen diskutiert. Dieses Modell wurde bisher zwar noch nicht vom Unternehmen übernommen. Der Betriebsrat war insoweit bisher nicht erfolgreich. Bei den Kollegen kam die Aktivität des Betriebsrates aber sehr gut an. Er wurde so als engagiert und kompetent wahrgenommen.
Beate Heinert, Betriebsratsvorsitzende der AWO, Kreisverband NürnbergWir fragen vor einem Konflikt: Was wollen wir? Was können wir verlieren? Was ist die Exit-Strategie?