Toolbox KMU: Handlungsfeld 5
Qualifizierung und Nachwuchsgewinnung
Darum geht's
Nachhaltig kann die BR-Arbeit nur sein, wenn rechtzeitig für die Nachfolge im Gremium gesorgt wird und die BR-Mitglieder sich regelmäßig qualifizieren, um die Komplexität ihrer Aufgaben bewältigen und auf Augenhöhe mit dem Arbeitgeber agieren zu können.
Überblick
In diesem Handlungsfeld geht es um die Personalentwicklung und Qualifizierung der Betriebsratsmitglieder und die Nachwuchsgewinnung im BR:
Der Betriebsrat sorgt für eine nachhaltige und langfristige Qualität seiner Arbeit durch eine verantwortungsvolle Personalentwicklung für die Betriebsratsmitglieder. Er sorgt rechtzeitig dafür, dass ausscheidende Mitglieder durch qualifizierte und zu qualifizierende Nachfolger ersetzt werden können. Es wird auf eine ständige Wissenserweiterung und Potenzialentfaltung geachtet.
Gerd Beich, Betriebsratsvorsitzender von Lloyd ShoesDie BR-Mitgliedschaft ist kein Karriere-Hindernis. Ganz im Gegenteil.
Was ist zu tun?
Qualifizierung und Personalentwicklung
- Wir planen Schulungen langfristig und setzen sie um.
- Wir nehmen Schulungen nicht nur nach der BR-Wahl, sondern kontinuierlich wahr.
- Wir qualifizieren einzelne Mitglieder zu Experten für bestimmte Bereiche.
- Wir beziehen qualifizierte MA als sachkundige Arbeitnehmer in die BR-Arbeit ein.
- Wir nutzen vielfältige Möglichkeiten der Wissensaneignung.
- Wir nutzen gewerkschaftliche Handlungshilfen.
- Wir veranstalten regelmäßige BR-Klausuren.
- Wir integrieren Wissensblöcke in BR-Sitzungen.
- Wir praktizieren konsequentes Wissensmanagement.
- Wir organisieren langfristig die Wissensübergabe von Austretenden.
- Wir verbinden die berufliche Entwicklung und das Ehrenamt sinnvoll miteinander.
- Die BR-Leitung hat die persönliche Entwicklung der BR-Mitglieder im Blick und begleitet sie aktiv.
- Wir bieten würdevolle Austrittsmöglichkeiten aus dem BR.
Nachwuchsgewinnung
- Wir gestalten den Generationswechsel im BR aktiv.
- Wir veranstalten Infotreffen für interessierte Nachfolger.
- Wir arbeiten mit Paten/Mentoren für neue Mitglieder.
- Wir sorgen für frühzeitige Auf- und Vorstellung des BR-Nachwuchses bei den MA, sodass diese bekannt sind und auch gewählt werden.
- Wir praktizieren die Option „Betriebsrat auf Zeit“ (BR nicht bis zum Lebensende).
- Wir beziehen möglichen Nachwuchs über „sachkundige Arbeitnehmer“ in die Arbeit des BR ein („Schnuppermöglichkeit“).
- Wir stellen unsere Arbeit bei den Azubis und neuen Mitarbeitern vor.
Werkzeuge
Wissensaneignung kann in den unterschiedlichsten Formaten wahrgenommen werden. Die hier aufgeführten Beispiele sollen als Inspiration dienen. Die erweiterte Liste gibt ausgefüllt einen guten Überblick darüber, welche Formen der Wissensaneignung schon genutzt und welche besonders weiterverfolgt werden sollen.
Für die Durchsetzungsfähigkeit und Außenwirkung des Gremiums ist es wichtig, dass die Kompetenzen der einzelnen Betriebsräte in einer abgestimmten Weise weiterentwickelt werden. Dabei kommt es darauf an, die Interessen und Kompetenzen so zu bündeln, dass das Gremium als Ganzes zukünftig erfolgreich sein kann. Die vier Entwicklungsfelder und Kompetenzen für KMU-Betriebsräte sollen hier Orientierung geben.
Es ist wichtig, festzuhalten, welche Qualifizierungen die Mitglieder des Betriebsrates bisher wahrgenommen haben und in welchen Feldern sie sich weiterqualifizieren wollen. Dies ist ein wichtiges Werkzeug für die Qualifizierungsplanung des Betriebsrates.
Download
In: Broschüre „Praxistipps für den Generationswechsel. Nachfolgemanagement und Personalentwicklung im Betriebsrat“, S. 16
In: Broschüre „Praxistipps für den Generationswechsel. Nachfolgemanagement und Personalentwicklung im Betriebsrat“, S. 23ff.
Links
Magazin Mitbestimmung, Ausgabe Februar 2017 „Rollenwechsel“, S. 10-25
Wichtige Artikel zu den Themen Nachwuchsgewinnung und Wechsel im Vorsitz
Werkzeugkasten für einen erfolgreichen Wissensaustausch in Betriebs- und Personalräten (Mitbestimmungsportal der Hans-Böckler-Stiftung; kostenfreie Anmeldung notwendig)
Generationenwechsel im Betriebsrat
Wissensmanagement und Nachfolgeplanung im Betriebsrat
Strategische Personalplanung mit Weitblick – Ein Ratgeber für Betriebsräte
Broschüre „Praxistipps für den Generationswechsel. Nachfolgemanagement und Personalentwicklung im Betriebsrat“
Besonders zu beachten in KMU
In vielen Betriebsratsgremien in KMU ist die Persönlichkeit und Kompetenz der/des Vorsitzenden entscheidend für die Weiterentwicklung des Gremiums. Daher ist die aktive und nachhaltige Förderung der Teamentwicklung und die strategische Ausrichtung des Betriebsrates eine Kernaufgabe der Leitungsfunktion. Ebenso sollte die Einbeziehung aller Mitglieder des Gremiums, deren Professionalisierung und die langfristig orientierte Qualifizierung und Personalentwicklung von der/dem Vorsitzenden gefördert und vom Gremium gemeinsam gesteuert werden.
Beispiele Guter Praxis
Jeanette Salzmann, Betriebsratsvorsitzende der Neuen Westfälischen ZeitungUnser Erfolgsrezept sind Inhouse-Seminare. Die Schulung aller BR-Mitglieder vor Ort ermöglicht gleichen Kenntnisstand und Kommunikation auf Augenhöhe. Außerdem kann so die Arbeit gut aufgeteilt werden. Wir bringen aktuelle Themen in die Schulung, verbinden Theorie und Praxis und teilen gleich dort die Arbeit auf. Die Schulungen sind eine tolle Teambuildingmaßnahme, die Spaß macht.
Ein charismatischer BR-Vorsitzender mit langjähriger Erfahrung hat den Vorsitz abgegeben. Da er jahrelang als einziger Freigestellter den Großteil der anfallenden Arbeit eigenständig erledigt hatte und seine vielfältigen Erfahrungen und sein Wissen aufgrund fehlender zeitlicher Kapazitäten nicht vollumfänglich an seinen Nachfolger weitergeben konnte, entstand im BR und beim neuen Vorsitzenden mangelndes Selbstvertrauen und Unsicherheit. Während des Projektes kam es dann dazu, dass, aufgrund eben dieser Unsicherheiten der neue BR-Vorsitz die anderen BR-Mitglieder zunehmend in die BR-Arbeit einbezog, wodurch ein besseres Wissensmanagement erfolgte und sich eine tolle Team-Organisation und -Arbeit entwickelt hat.
Beate Heinert, Betriebsratsvorsitzende der AWO, Kreisverband NürnbergSchulungen werden bei uns bei Bedarf aktiv organisiert, auch Nachwuchs wird aktiv gesucht: Wir gehen auf die Leute zu und fragen einfach nach: „Kennt Ihr jemanden in Eurem Bereich, bei dem ihr glaubt, dass der/diejenige die BR-Arbeit gut kann?“ Wenn die Kollegen sehen, was der BR macht (ob gut oder schlecht), dann wollen sie auch mitmachen.
In einem wachsenden Business-Service-Unternehmen mit einem Dreier-BR schied der langjährige, erfahrene Vorsitzende aus. Da ein neuer fünfköpfiger BR gebildet werden musste, wurden verstärkt neue Kandidaten gesucht. Das erschien zunächst aussichtslos. Die beiden verbliebenen BR-Mitglieder gingen dann in intensive Einzelgespräche. Kurz vor Toresschluss (Ende der Aufstellung der Kandidatenliste) gab es dann mehr Kandidaten als erforderlich und sogar zwei junge IT-Fachleute wurden Mitglied im neuen BR.
Aus diesem Beispiel kann man lernen, dass es wichtig ist, nicht aufzugeben und Vieles auszuprobieren: Einzelgespräche führen, über die Bedeutung der BR-Arbeit reden, Einfluss-Möglichkeiten der BR-Arbeit an praktischen Beispielen aufzeigen. Gerade jungen Leuten klarmachen, dass sie im BR etwas verändern und Missstände beseitigen können und, dass ein Engagement im BR einer späteren Karriere im Unternehmen keinesfalls im Wege steht.
Der Betriebsrat einer Immobilienfirma hatte Probleme beim Einrichten eines Email-Verteilers für seinen geplanten Newsletter. Die wenig technisch versierten Kollegen haben deswegen eine Kollegin aus der IT angesprochen, die ihnen gerne geholfen hat. Bei den Treffen zur Problemlösung wurde sie neugierig auf die Arbeit des Betriebsrates und fing an, immer mehr in diese hineinzuschnuppern und Fragen zu stellen. Auf diesem Weg konnte sie als neues BR-Mitglied gewonnen werden.
Peter Nießen, ehemaliger Betriebsratsvorsitzender der ICIG Business Services GmbH & Co. KGDa in den meisten KMU vergessen wird, Mitarbeiter/innen ordentlich einzuarbeiten, sollte der BR eine Checkliste „Der erste Arbeitstag“ zur Verfügung haben und damit neuen Beschäftigten Orientierung geben.
Der Betriebsrat im Werk eines Herstellers von Gipskartonplatten verfolgt eine langfristige Strategie zur Nachwuchsgewinnung. Dazu wurde die Beziehung zur Vertrauenskörperschaft intensiviert. In gemeinsamen Sitzungen wurden die Themenschwerpunkte und die Strategie des Gremiums diskutiert. Für die Mitarbeit bei Aktionen und Arbeitsgruppen wurden gute jüngere Kollegen angesprochen und beteiligt. Für diese Kollegen waren die Themen und die Arbeitsformen des Betriebsrates bald vertraut. Eine Ansprache für eine spätere Kandidatur als Betriebsrat wurde so erleichtert und die potenziellen Kandidaten wurden gut vorbereitet und auch für die Beschäftigten erlebbar.