Make or buy?
Partnerfirmenmanagement als Prozess
Die Stahlindustrie zeigt, wie Werkverträge sinnvoll eingesetzt werden können. Man setzt auf sozialpartnerschaftlichen Dialog, eine vertrauensvolle Kooperation mit den Fremdfirmen und enge Kontrolle. Eine Investition, die sich lohnt – für beide Seiten.
Kaum eine Branche hat mehr Erfahrungen mit dem Einsatz von Fremdfirmen gesammelt als die Stahlindustrie. Deshalb hat es hier schon früh einen wichtigen Perspektivwechsel gegeben, der auch die verwendete Begrifflichkeit erklärt: Unternehmen, die ihre Produkte und Dienstleistungen über einen Werkvertrag in den Wertschöpfungsprozess der Stahlproduktion einbringen, werden Partnerfirmen genannt. Dieser Begriff beschreibt eine vertrauensvolle, langfristige und gut organisierte Zusammenarbeit.
Die neue Mitbestimmungspraxis Nr. 14 zeichnet ein detailliertes Bild von den Bedingungen des Einsatzes von Werkverträgen in den führenden deutschen Stahlunternehmen und knüpft damit an andere spannende Einblicke in diese traditionsreich mitbestimmte Branche an.
Jan-Paul Giertz, Detlef Ullenboom 2018): Rechtssicheres Partnerfirmenmanagement in der Stahlindustrie
Fachausschuss der Arbeitsgemeinschaft Engere Mitarbeiter der Arbeitsdirektoren Stahl
Reihe: MBF Mitbestimmungspraxis, Nr. 14
Düsseldorf: 2018, ISSN: 2366-0449.
34 Seiten
Die Anbieter werden regelmäßig im Rahmen eines Bewertungssystems auf Zuverlässigkeit geprüft
„Make or buy“ bzw. „Eigen oder Fremd“ wird insbesondere mit Bezug auf den seit 2014 gültigen Tarifvertrag in den Unternehmen klar beantwortet: Die ausschließlich fremd zu vergebenden „Aufgaben außerhalb der Kernkompetenz“ werden zwar in jedem Unternehmen etwas anders definiert. Doch grundsätzlich gilt „Eigen vor Fremd“ i.d.R. dort, wo keine eigenen Kompetenzen oder Ressourcen sowie kein unmittelbarer Produktbezug vorhanden sind. Ergänzend haben die Unternehmen entlang der tariflichen Regelungen Verfahren entwickelt, die die Vergabe an Partnerfirmen nur unter bestimmten Bedingungen zulassen und unter Einhaltung gesetzlicher und tariflicher Bestimmungen. Diese Vorgehensweise bringt es mit sich, dass gerne dauerhaft mit Anbietern zusammengearbeitet wird, die regelmäßig im Rahmen eines Bewertungssystems auf Zuverlässigkeit u.a. überprüft werden. Stahlunternehmen stehen in einem gut informierten und vertrauensvollen Dialog mit ihren Werkvertragsunternehmen.
„Können wir die Werkvertragsleistung in Zukunft mit eigenem Personal/ eigenen Ressourcen erbringen?“ Diese immer wieder gestellte Frage wird in einigen Unternehmen in paritätisch zusammengesetzten Gremien diskutiert. Diese setzen sich gezielt mit „Grenzfällen“ auseinander, hinterfragen diese und treffen dann ggf. eine Insourcing-Entscheidung (z.B. im Lagerbereich sowie im IT-Sektor). Einige Unternehmen arbeiten mit Kontingenten und Ampelsystemen, um nicht jeden Einzelfall aufs Neue betrachten zu müssen. Aber auch dort werden freigabeberechtigte Vorgesetzte sowie die Verantwortlichen der Partnerfirmen durch Schulungen mit der gültigen Rechtslage vertraut gemacht, um die Werkverträge rechtssicher umzusetzen. Selbst für die Beschäftigten der Partnerfirmen wurden Unterweisungstools entwickelt, um sie mit den Besonderheiten ihrer „Baustelle“ vertraut zu machen.
Auch nach Vertragsabschluss wird genau hingeschaut – bis hin zur „Sprechstunde für Partnerfirmenbeschäftigte“
Kontrolle wird vor allem durch „Arbeitsschutzbegehungen“ und „Baustellenbegehungen“ auf dem Werksgelände ausgeübt – häufig unter Beteiligung des Betriebsrates. Bei festgestellten Verstößen werden die Partnerfirmen nach einem vertraglich festgelegten Eskalationssystem gerügt. Das geht bis hin zur Kündigung des Vertrages, wobei die Gründe vielfältig sein können und von Arbeitssicherheitsverstößen bis hin zu Verstößen gegen das Mindestlohngesetz reichen. Als eine weitere Kontrollinstanz wird in einigen Unternehmen die „Sprechstunde für Partnerfirmenbeschäftigte“ praktiziert.
Selbstverständlich sind die Kontroll- und Abnahmeaktivitäten vor allem auf die korrekte Ausführung bzw. Erfüllung des Gewerks und der Dienstleistung ausgerichtet. Die damit einhergehende, enge Begleitung der Partnerfirmen hilft aber insgesamt bei der rechtssicheren Gestaltung der Vertragsbeziehung und bei der fortlaufenden Überprüfung von „Eigen vor Fremd“. Die Bewertung der Partnerfirmen wird dem Vertragspartner in den meisten Fällen transparent gemacht und unterstützt damit die partnerschaftliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Partnerfirmenmanagement in der Stahlindustrie basiert auf einem engen und vertrauensvollen Dialog sowie für alle Beteiligten transparenten Prozessen.
Die deutsche Stahlindustrie ist somit ein gutes Beispiel für eine partnerschaftliche Gestaltung des Wertschöpfungsprozesses. Zur Wirksamkeit des Partnerfirmenmanagements trägt nicht zuletzt das traditionell sozialpartnerschaftliche Selbstverständnis bei, das in Stahlunternehmen gepflegt wird.
Ein montanmitbestimmter Arbeitsdirektor, gut ausgebildete und machtvolle Betriebsräte und eine vertrauensvolle, ressortübergreifende Zusammenarbeit sind hier die wesentlichen Merkmale. Im Ergebnis ist dies sicherlich ein ressourcenaufwendiger Prozess. Doch angesichts des nur damit möglichen und wirksamen Kosten- und Risikomanagements ist er es allemal wert.
Weiterführende Informationen