Zwischen Selbstbestimmung und Arbeitsstress
Mobile Arbeit in Deutschland
Mobile Arbeit wird nicht nur im „Homeoffice“ geleistet. Auch im Außendienst, auf Geschäftsreise oder an wechselnden Unternehmensstandorten arbeiten Beschäftigte mobil. Die repräsentative Befragung mit dem DGB-Index Gute Arbeit 2020 zeigt die Verbreitung verschiedener Formen mobiler Arbeit auf – und die Bedingungen, unter denen sie geleistet wird.
Rund 6.300 abhängig Beschäftigte wurden in der repräsentativen Befragung zwischen Januar und Mai 2020 danach gefragt, ob sie ihre Arbeit an wechselnden Orten ausüben. Während 64 Prozent ausschließlich an einem festen betrieblichen Arbeitsplatz tätig sind, arbeiten 36 Prozent auch mobil.
Verschiedene Formen von Mobilität
Gefragt wurde nach verschiedenen Formen mobiler Arbeit. Am weitesten verbreitet ist die Arbeit bei Kund*innen, Patient*innen oder Klient*innen, gefolgt von Dienst- bzw. Geschäftsreisen und der Arbeit im Homeoffice (Abb. 1). Dabei ist zu beachten, dass die Zahlen die Situation vor Zuspitzung der Corona-Pandemie widerspiegeln.
Mit Blick auf die Arbeitsbedingungen der mobilen Beschäftigten wird ein Widerspruch deutlich: Einerseits berichten mobile Beschäftigte von einem höheren Maß an Selbstbestimmung bei ihrer Arbeit. Andererseits sind sie stärkeren Belastungen durch überlange Arbeitszeiten und eingeschränkten Erholungsmöglichkeiten ausgesetzt.
Größere Handlungsspielräume
Beschäftigte, die auf eine oder mehrere Arten mobil tätig sind, können ihre Arbeit häufiger selbständig planen und einteilen. Das zeigt sich zum Beispiel am Einfluss auf die Gestaltung der Arbeitszeit. Während die Hälfte (49%) der Beschäftigten mit einem festen betrieblichen Arbeitsplatz angibt, die eigene Arbeitszeit mitgestalten zu können, liegt der Anteil in allen hier betrachteten mobilen Arbeitsformen deutlich darüber. Am stärksten ausgeprägt ist der Einfluss auf die Arbeitszeit bei Beschäftigten, die auch an selbstbestimmten öffentlichen Orten (z.B. im Café) oder im Homeoffice arbeiten. Hier liegt der Anteil derjenigen, die großen Einfluss auf die eigene Arbeitszeit haben, bei 84 bzw. 78 Prozent.
Angesichts dieser Zahlen ist es überraschend, dass sich die wahrgenommene größere Selbstbestimmung nicht auch in mehr gesundheitsförderlichen und familienfreundlichen Arbeitszeiten widerspiegelt. Im Gegenteil: Die Zahlen zeigen eine höhere Belastung mobiler Beschäftigter durch lange und entgrenzte Arbeitszeiten.
Hohe Arbeitszeitbelastung
Überlange Arbeitszeiten von mehr als 48 Stunden pro Woche betreffen sechs Prozent der Beschäftigten mit einem festen betrieblichen Arbeitsplatz. In den mobilen Gruppen kommen solche gesundheitsbelastenden Arbeitszeiten zwei- bis dreimal so häufig vor. Bei Dienst- und Geschäftsreisen arbeiten 17 Prozent überlang, wenn auch an selbstbestimmten öffentlichen Orten gearbeitet wird, betrifft es 20 Prozent.
Gleichzeitig berichten mobile Beschäftigte häufiger davon, dass sie die gesetzlich vorgesehenen Pausen- und Ruhezeiten nicht einhalten können und für ihren Arbeitgeber auch außerhalb der normalen Arbeitszeit erreichbar sein müssen. Diese Entgrenzung von Arbeit und Privatleben schlägt sich darin nieder, dass mobile Beschäftigte häufiger Schwierigkeiten haben, in ihrer freien Zeit von der Arbeit abzuschalten. Auch die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben wird kritischer bewertet (Abb. 2). Das betrifft auch die Beschäftigten mit Homeoffice, die diese mobile Arbeitsform häufig deshalb wählen, weil sie sich davon eine Verbesserung ihrer Vereinbarkeitssituation erhoffen. Jede/r dritte Beschäftigte mit Homeoffice (34%) berichtet von Vereinbarkeitsproblemen.
Belastung frisst Autonomie
Eine Erklärung für den Widerspruch zwischen Selbstbestimmung und Arbeitszeitbelastung liegt in der hohen Arbeitsintensität, die von überdurchschnittlich vielen mobilen Beschäftigten berichtet wird. Mobile Beschäftigten berichten häufiger über starken Zeitdruck bei der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit. Unter diesen Bedingungen ist Selbstbestimmung schwer realisierbar. Große Gestaltungsspielräume in Kombination mit einem hohen Arbeitsdruck können selbstgefährdendes Verhalten (wie z.B. überlange Arbeitszeiten oder die Verkürzung von Pausen und Ruhezeiten) befördern.
Für eine tatsächliche Arbeitszeitsouveränität braucht es deshalb eine entsprechende Arbeitsgestaltung und klare betriebliche Rahmensetzungen. Dabei spielt der Arbeits- und Gesundheitsschutz ebenso eine Rolle wie die Arbeitszeiterfassung, die Leistungssteuerung und die Personalbemessung. Mobile Arbeit, das zeigen die Daten des DGB-Index Gute Arbeit, ist nicht automatisch auch gute Arbeit.
DGB-Index Gute Arbeit: Report 2020
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