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Mitbestimmungspraxis 63

Auswärtstätigkeit im Maschinen- und Anlagenbau

Vier Praxisbeispiele und eine umfassende Analyse von Vereinbarungen veranschaulichen, wie Betriebsräte klassische Anforderungen und die Herausforderungen der digitalen Transformation bei Auswärtstätigkeiten erfolgreich gestalten.

Arbeitsbedingungen der Auswärtstätigen

Der deutsche Maschinen- und Anlagenbau ist die tragende Säule der hiesigen Industrie und weltweit führend. In den vergangenen Jahren wurde die Branche wesentlich durch die digitale Transformation geprägt. Dies betrifft die Unternehmen sowohl aus Anbieter- als auch aus Anwenderperspektive.

Innerhalb des Maschinen- und Anlagenbaus spielen die Beschäftigten mit Auswärtstätigkeiten eine besondere Rolle. Ihre Tätigkeiten und Einsatzorte unterscheiden sich stark, allen gemeinsam sind die stets wechselnden Einsatzorte. Monteure und Monteurinnen beispielsweise bauen oft über längere Zeiträume, teils über mehrere Jahre, auf Großbaustellen im In- und Ausland Anlagen, modernisieren sie oder nehmen sie in Betrieb – nicht selten sind die Baustellen in Wüsten, auf Bohrinseln im Meer, in politisch unsicheren Ländern. Servicemonteure und -monteurinnen dagegen übernehmen täglich von ihrem Wohnort aus Service- und Wartungstätigkeiten in einer fest zugeteilten Region, häufig in 24-Stunden-Bereitschafts- und Notdiensten; in der Aufzugsbranche etwa müssen zu jeder Tages- und Nachtzeit eingeschlossene Personen befreit werden.

Zwischen klassischen Herausforderungen und Transformation

Die Transformation führt zu Handlungsdruck bei den Arbeitsbedingungen der Auswärtstätigen: Zusätzlich zu den klassischen Herausforderungen wie wechselnden Einsatzplätzen oder Baustellen im In- und Ausland verändern sich die Arbeitsbedingungen durch digitale Tools kontinuierlich. Angesichts Produktneuheiten und technischer Weiterentwicklungen sind Auswärtstätige ständig gefordert, sich Wissen anzueignen. Die Auftragsbearbeitung im Maschinen- und Anlagenbau wird immer stärker digital bestimmt – Stichworte GPS-Tracking, Salesforce im Vertrieb, digitales Order Fulfillment oder Fieldservice Management.

Mitbestimmung bei Auswärtstätigkeiten

Vier Praxisbeispiele und eine Auswertung von rund 150 Vereinbarungen zeigen die Spannweite der zu regelnden Themen auf und wie Betriebsräte mit ihr umgehen.

Das Thema Auswärtstätigkeit beziehungsweise Entsendung ins Ausland ist komplex. Die Unternehmen müssen die rechtlichen Vorgaben in Deutschland und im Ausland einhalten. Dabei geht es neben arbeitsvertraglichen Verpflichtungen (Fürsorgepflicht des Arbeitgebers) um steuerliche, sozialversicherungsrechtliche oder sicherheitsrelevante Fragen; vor Ort zudem um die Wohn- und Arbeitsbedingungen sowie den Gesundheitsschutz der (Langzeit-)Entsandten. Darüber hinaus sind die rechtlichen Vorschriften des Arbeitsortes wie gesetzliche Arbeitszeiten, Feiertage und Ähnliches zu beachten. Diese und viele weitere Aspekte werden in den Betriebsvereinbarungen geregelt.

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Auswärtstätigkeit im Maschinen- und Anlagenbau

von Bettina Seibold und Walter Mugler

Mitbestimmungspraxis 63, Düsseldorf 2024

Die analysierten Vereinbarungen unterscheiden sich stark in ihrem Umfang, ihren Anlagen (z. B. Checklisten, Musterbriefe) und der jeweiligen Schwerpunktsetzung (z. B. Zeitnachweise, Reisekostenabrechnung, Arbeitssicherheit). Viele Regelungen wurden und werden immer wieder angepasst, wenn sich die Rahmenbedingungen veränder(te)n wie etwa bei Quarantäneregelungen während der Coronapandemie. Insgesamt dominieren klassische Regelungsthemen in den Betriebsvereinbarungen. Doch auch Regelungen zu aktuellen Trends werden vorgestellt. Sie beziehen sich auf Veränderungen durch die digitale Transformation und derzeitige Schwerpunkte, zum Beispiel Arbeitssicherheit oder arbeitsorganisatorische und tarifliche Neuerungen.

Auswärtstätigkeit im Sinne Guter Arbeit gestalten

Die Betriebsvereinbarungen und Praxisbeispiele zeigen, dass die Betriebsräte ihre Mitbestimmungsrechte erfolgreich nutzen, neue Entwicklungen aufgreifen und versuchen, Auswärtstätigkeiten im Sinne Guter Arbeit zu gestalten.

Im Rahmen des Projektes wurden vier Betriebsvereinbarungen in Form von Praxisbeispielen vertieft analysiert sowie die Hintergründe ihres Entstehens und die praktischen Erfahrungen bei der Umsetzung dargestellt. Hierfür wurden Interviews mit Betriebsratsmitgliedern sowie mit ihren beratenden Kolleginnen und Kollegen aus den Gewerkschaften geführt.