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Europäische Aktiengesellschaft (SE)

Aktuelle Entwicklungen bei der SE

Im 1. Halbjahr 2020 hat die Zahl Europäischer Aktiengesellschaften zugenommen. Zwei Entwicklungen sind aus Mitbestimmungssicht relevant: Die Zahl der SE mit paritätischer Mitbestimmung stagniert, zudem sind weitere SE-Gründungen nahe der Mitbestimmungs-Schwellenwerte zu verzeichnen.

Keine neuen SE mit paritätischer Mitbestimmung

Die Zahl der SE mit paritätischer Mitbestimmung im Aufsichtsrat ist seit unserem letzten Update konstant geblieben. Zuletzt kamen im Jahr 2019 die Traton SE (LKW- und Bussparte von VW), die MAN Truck & Bus SE, B. Braun SE sowie die Deutsche Telekom Service Europe (Service Tochter des Telekomkonzerns) hinzu. Seitdem wurde keine weitere SE mit paritätischer Mitbestimmung registriert. Insgesamt haben lediglich 76 dualistisch strukturierte SE (AR in KGaA bei SE & Co. KGaA mitgezählt) eine Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat, wogegen bei 173 SE mit dualistischer Organstruktur diese fehlt.

Bei den monistischen SE gab es im ersten Halbjahr 2020 allerdings eine Veränderung. Mit der Lindner SE existiert in Deutschland nun wieder eine monistische SE mit Drittelbeteiligung, allerdings nur in einem dreiköpfigen Gremium (2:1). Die zuvor einzige monistische SE mit Drittelbeteiligung, die Puma SE, wechselte im Sommer 2018 die Unternehmensverfassung. Bei den übrigen 154 monistischen SE gibt es hingegen maximal Informations- und Konsultationsrechte des SE-BR und keine Unternehmensmitbestimmung.

Mitbestimmungserosion durch SE weiterhin ein Problem

Auch im ersten Halbjahr 2020 sind wieder SE-Gesellschaften hinzugekommen, die eine SE-Gründung nahe den relevanten Mitbestimmungs-Schwellenwerten in Deutschland vollzogen haben. Auf diese Weise haben sie nun weiterhin keine Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat bzw. die bestehende Drittelbeteiligung wurde beibehalten. Zu diesen Unternehmen gehören die Centrotec SE (ca. 1.700 Beschäftigte zum Zeitpunkt der SE-Gründung), die Hyport SE (ca. 1.700 Beschäftigte), die Otto Kirchner Beteiligungen SE (ca. 1900 Beschäftigte) sowie die Sievert Logistics SE (ca. 450 Beschäftigte). Keine dieser SE verfügt über Arbeitnehmervertreter im Aufsichts- bzw. Verwaltungsrat. Jüngste Zahlen (Sick 2020) unterstreichen, dass mind. 82 SE (SE und SE & Co.KG) mit mehr als 2.000 Arbeitnehmern über keinen paritätischen Aufsichtsrat verfügen. Dies verweist darauf, dass die Mitbestimmungserosion durch die SE ein Kernproblem für die Zukunft der Mitbestimmung in Deutschland bleibt. Hinzu kommt die bereits erwähnte Lindner SE. Sie hatte zum Zeitpunkt der SE-Gründung rund 1.900 Beschäftigte im Inland. Entsprechend dem sog. „Vorher-Nachher-Prinzip“ gibt es auch weiterhin eine Drittelbeteiligung, allerdings im Rahmen einer monistischen Unternehmensverfassung (statt wie bisher im Aufsichtsrat).

Darüber hinaus wurde im ersten Halbjahr 2020 die Elmos Semiconductor SE registriert, die zum Zeitpunkt der SE-Gründung nur wenige Arbeitnehmer im Ausland aufwies.

Update: Rechtsstreite

Bereits in den letzten Beiträgen wurde über die unzähligen Statusverfahren zur Zusammensetzung des Aufsichtsrates – darunter auch SE-Fälle – berichtet. Hier wurde zuletzt berichtet, dass der Bundesgerichtshof den Fall Deutsche Wohnen an das OLG Frankfurt zurückverwiesen hat. Laut Bundesgerichtshof könne die Frage, ob der gesetzliche Soll-Zustand oder der tatsächlich vorliegende Ist-Zustand des Aufsichtsrats vor SE-Verhandlung und SE-Gründung einschlägig sei, dahinstehen; es reiche, wenn vor Eintragung der Umwandlung ein Statusverfahren eingeleitet wurde. Nun hat auch das OLG München entschieden, die drei Verfahren Sixt, Cancom und Pro Sieben zum zuständigen Landgericht zurückzuverweisen. Die Begründung: Es spiele keine Rolle, dass eine SE-Vereinbarung vorliegt, wenn vor Umwandlung bereits Streit bestand und dort über 2000 Arbeitnehmer im Inland beschäftigt waren. Hier sind die weiteren Entwicklungen abzuwarten. Der BGH und das OLG München dürften auch für die im Herbst 2019 beim LG Nürnberg eingereichten Verfahren bei zwei Brose Gesellschaften relevant sein, da hier das Gericht bereits vor der Umwandlung angerufen wurde.

Illustration SE

SE in Europa und Deutschland

 404 sind „normale“ SE (operative tätige Gesellschaft ab 5 AN)
 249 haben eine dualistische Struktur (Vorstand und Aufsichtsrat)
 155 haben eine monistische Struktur (Verwaltungsrat=Board)
   21 dualistische SE verfügen über paritätische Mitbestimmung, außerdem gibt es 5 SE & Co KGaA, die eine paritätische Mitbestimmung in der KGaA besitzen
   50 dualistische SE haben mindestens Drittelbeteiligung
     1 monistische SE hat Drittelbeteiligung
   72 sind börsennotiert
 187 sind aktivierte Vorrats-SE

3357 Europa total, davon konnten bislang 731 als normale SE identifiziert werden (s. oben zu Deutschland)

Quelle: Hans-Böckler-Stiftung und ETUI, Stand 01.07.2020

Ausblick

Zu beobachten bleibt, welche weitere Dynamik sich bei den Kommanditgesellschaften mit einer SE als Komplementär ergibt. Wie zuletzt berichtet, hatte Aldi Süd über ihre Carolus Stiftung 15 Atrium-Vorrats SE erstanden und so neue Komplementäre in den Regional-Gesellschaften eingesetzt (alle monistisch). Mittlerweile lässt auch ALDI Nord eine ähnliche Entwicklung erkennen, da ebenfalls zwei Atrium-VV erworben wurden. Zudem hat in den vergangenen Jahren auch die Zahl der SE & Co KGaA weiter zugenommen. Dies ist eine Möglichkeit, die Parität in der SE zu schwächen, da der Aufsichtsrat in der KGaA weniger Rechte hat. Dieses Konstrukt wird aber auch verwandt, da so der (alleinige) Einfluss der Anteilseigner der SE auf das Unternehmen gesichert wird.

Schließlich bleibt abzuwarten, welche weiteren Folgen sich aus dem Brexit ergeben und ob hier weitere Umwandlungen erfolgen.

Weiterführende Informationen

Ansprechpartner/innen im I.M.U.

Foto: Sebastian Sick

Dr. Sebastian Sick

Gesellschaftsrecht, Corporate Governance, Unternehmensmitbestimmung, Kapitalmarktrecht, Europäische Aktiengesellschaft, Böckler-Seminarprogramm für Aufsichtsräte

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sebastian-sick@boeckler.de

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