Hauptinhaltsbereich
Inhaltsverzeichnis

Gute Praxis

Qualifizierung gestalten

Einführung

War die Coronapandemie das beherrschende Thema der vergangenen Jahre, stehen nun wieder umfangreiche strukturelle Veränderungen von Unternehmen und Wirtschaft im Mittelpunkt. Unter dem großen Schlagwort der (sozialen und digitalen) Transformation vereinen sich dynamische und umfassende Umbrüche der Arbeitswelt. In allen Branchen finden derzeit Veränderungen statt, die auf mehr Digitalisierung und Automatisierung abzielen (Arntz et al. 2016). Flankiert werden diese Veränderungen von weiteren Neuausrichtungen, beispielsweise dem Umbau hin zu erneuerbaren Energien. Auch nimmt die Nachhaltigkeit von Produkten und Produktion einen immer größeren Stellenwert ein. Erschwerend kommt hinzu, dass der seit längerer Zeit angekündigte Fachkräftemangel mehr und mehr Realität wird. Es sind vielfältige und komplexe Themen, die derzeit auf die Unternehmen und damit auf die Interessenvertretungen zukommen. 

Mit ihrem Know-how und ihren Ideen gestalten die Beschäftigten diese Veränderungsprozesse aktiv. Dabei ist kontinuierliches Lernen in der Erwerbsphase Voraussetzung, um die eigenen Kompetenzen entsprechend der Erneuerungen weiterentwickeln zu können (Arntz et al. 2016). Dies lässt erkennen, dass die Qualifizierung von Beschäftigten eng mit der Umgestaltung und Entwicklung der Arbeitswelt verknüpft ist. Gute Qualifizierungsstrategien sind daher ein überaus wichtiges Werkzeug, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Zugleich kann durch Qualifizierungsstrategien Beschäftigung nachhaltig gesichert werden. 

In welcher Art und Weise wird Qualifizierung in den Unternehmen praktiziert und weiterentwickelt? In Interviews mit Mitgliedern der Interessenvertretung und den gewerkschaftlichen Unternehmensbetreuer*innen wurden die Ausgangslagen und die Projekte ausführlich erläutert. Die Projekte stellen Lösungen und Gestaltungsweisen rund um das Thema Qualifizierung vor: von der Verbesserung der Ausbildungsbedingungen über Qualifizierung als Schlüssel für die Integration von geflüchteten Menschen bis hin zur Gestaltung von Automatisierungs- und Digitalisierungsprozessen.

Das tun Betriebsräte – Ergebnisse im Überblick

Die acht Praxisbeispiele bilden ein breites Spektrum ab und zeigen ganz verschiedene Aspekte von betrieblicher Qualifizierung: die Vereinbarung besserer Ausbildungsbedingungen, Rahmenbedingungen für digitales Lernen, Qualifizierung als Schlüssel zur Integration geflüchteter Menschen oder die Vereinbarung eines Zukunftsfonds, um Kompetenzen für Zukunftstechnologien aufzubauen. In jedem dieser Beispiele hat die Interessenvertretung auf Basis der betrieblichen Situation Ideen umgesetzt für mehr und bessere Qualifizierung. Eine einheitliche Erkenntnis war dabei, dass Qualifizierungen immer angepasst werden müssen an die stetigen Weiterentwicklungen und arbeitsmarktlichen Bedingungen. Ein Überblick zu den einzelnen Projekten: 

EDEKA-Markt Minden-Hannover GmbH: „GBV Ausbildung“ gegen den Fachkräftemangel

Der Gesamtbetriebsrat (GBR) der Regionalgesellschaft Edeka Minden-Hannover GmbH entwickelte mit der Arbeitgeberseite die „Gesamtbetriebsvereinbarung (GBV) Ausbildung“, mit dem Ziel die Suche nach Auszubildenden zu strukturieren und bessere Rahmenbedingungen zu gestalten. 

Infineon Technologies AG: Automatisierung und Digitalisierung mit Qualifizierung begleiten

In einem Interessenausgleich wurden Maßnahmen zur Qualifizierung von Produktionsmitarbeitenden ausgehandelt. Durch die breitflächige Digitalisierung und Automatisierung der Produktion waren die Qualifikationen notwendig, um langfristig Arbeitsplätze zu sichern. 

Helios Klinik GmbH Sangerhausen: Betriebsvereinbarung „Praktische Ausbildung“

Die Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) der Helios Klinik in Sangerhausen entwickelte gemeinsam mit dem Betriebsrat die Betriebsvereinbarung „Praktische Ausbildung“, die die Ausbildungsqualität verbesserte und die Klinik zu einem attraktiven Arbeitgeber machte.

Hewing GmbH: Qualifizierung als Strategie der Arbeitsplatzsicherung 

Das Projekt „Arbeitsplatzsicherung“ des Betriebsrats der Hewing GmbH nutze unterschiedliche Strategien, um die Krisensituation aufgrund eines Produktionseinbruchs abzuwenden und gleichzeitig die Qualifikationen der Beschäftigten zu verbessern. 

Robert Bosch GmbH: Rahmenbedingungen für digitales Lernen 

Digitales Lernen für alle ermöglichen – mit diesem Ziel verhandelte der Gesamtbetriebsrat der Robert Bosch GmbH eine Konzernbetriebsvereinbarung zur Förderung von selbstbestimmtem Lernen.

Siemens AG Gesamtbetriebsrat: Transformation mit einem Zukunftsfonds begegnen und gestalten 

Als innerhalb der Siemens AG viele Restrukturierungsmaßnahmen verhandelt und angekündigt wurden, regte der Gesamtbetriebsrat einen umfassenden Kurswechsel an, der die Arbeitsplätze durch einen Zukunftsfonds zukunftssicher umgestaltete. 

Siemens AG Leipzig: Integration von Geflüchteten in den betrieblichen Alltag 

Der Betriebsrat der Siemens AG am Standort Leipzig fand mit seinem Engagement Wege, geflüchteten Menschen eine Ausbildung zu ermöglichen, sie dabei in den betrieblichen Alltag zu integrieren und gleichzeitig dem Fachkräftemangel im Betrieb entgegenzuwirken.

Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm GmbH: Bessere Ausgangsbedingungen für ausgelernte Auszubildende 

Um die Attraktivität der Ausbildung bei den Stadtwerken zu steigern, setzte sich der Betriebsrat, gemeinsam mit der Jugend- und Auszubildendenvertretung, für bessere Perspektiven für die Auszubildenden ein. 

EDEKA-Markt Minden-Hannover GmbH: „GBV Ausbildung“ gegen den Fachkräftemangel

Der Gesamtbetriebsrat (GBR) der Regionalgesellschaft Edeka Minden-Hannover GmbH entwickelte mit der Arbeitgeberseite die „Gesamtbetriebsvereinbarung (GBV) Ausbildung“, mit dem Ziel die Suche nach Auszubildenden zu strukturieren und bessere Rahmenbedingungen zu gestalten. 

Das Unternehmen 

Die Edeka Minden-Hannover GmbH ist eine von sieben Regionalgesellschaften in Deutschland. In den insgesamt 1.496 Märkten in der Region Minden-Hannover sind etwa 75.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Einzelne Häuser sind privatisiert oder genossenschaftlich organisiert, Betriebsratsstrukturen sind nur vereinzelt zu finden. Momentan befinden sich 43 Häuser unter der Regie des GBR, der zurzeit aus 32 Mitgliedern besteht. 

Fachkräftemangel mit besseren Ausbildungen entgegnen 

Wie andere Unternehmen im Einzelhandel, hat auch die Edeka GmbH mit Fachkräftemangel zu kämpfen. Die Prognose eines sinkenden Beschäftigungsstands, auch aufgrund fehlender Bewerbungen für die Ausbildungsplätze, war alarmierend. 

Die Einstellung von Auszubildenden gestaltete sich schwierig, weil es weder eine gesamte Übersicht über die Kosten für Auszubildende gab noch eine zentrale Koordination für die Vermittlung von offenen Ausbildungsplätzen vorhanden war. Auch die laufenden Ausbildungsverhältnisse wiesen Probleme auf. Es mangelte an verlässlichen Einsatzplänen und Betreuungen für die Auszubildenden sowie an Übernahmeverpflichtungen. Außerdem fehlte es an qualifizierten Ansprechpersonen für Feedback- und Motivationsgespräche. 

Der Gesamtbetriebsrat hat sich mit der Geschäftsleitung zusammengesetzt und die „Gesamtbetriebsvereinbarung Ausbildung“ in einem Workshop ausgearbeitet. In den Fokus rückte die Optimierung der Ausbildung im Unternehmen sowie ein besseres Image der Arbeit im Einzelhandel. Dabei sollten die beruflichen Perspektiven der Auszubildenden gestärkt und die Personalarbeit strategisch ausgebaut werden. Die Zusammenarbeit bei diesem Thema fiel beiden Parteien leicht, da sie gemeinsame Interessen verfolgten. 

Ja, man hat sich gegenseitig auch besser verstanden, weil man sich ganz anders ausgetauscht hat als in so einer Verhandlung. Es war eher ein Gespräch. (…) Die Arbeitsweise war eine gute und man war sehr konstruktiv und wir haben ein gutes Ergebnis erzielt.

Beatrice Voges, Gesamtbetriebsratsvorsitzende der Minden-Hannover und Betriebsratsvorsitzende im E-Center Springe

Inhalt der „GBV Ausbildung“

Die im Januar 2021 in Kraft getretene GBV orientierte sich an den gesetzlichen Themen des Berufsbildungsgesetzes. Sie hilft, den Einstellungsprozess im Unternehmen zu strukturieren und bietet den Auszubildenden geregelte Rahmenbedingungen. 

Es wurde ein rechtzeitiger Einstellungsprozess sowie ein Personalkodex beschlossen. Auch wurde der Bewerbungsprozess umgestaltet: Die Ausbildungsplätze werden seit 2021 zentral ausgeschrieben, die Bewerbungen zentral gesammelt und ihre Verteilung an die einzelnen Häuser koordiniert. 

Für die Auszubildenden wurden Regelungen eingeführt, die die Ausbildung bei Edeka attraktiver machen: Die Ausbildungsrahmenpläne werden jeweils durch einen aktuellen betrieblichen Ausbildungsplan ergänzt. Auch die Qualität der Ausbildung wurde verbessert. Alle Ausbildungsmärkte müssen sich z.B. durch eine Zentralstelle für Berufsbildung zertifizieren lassen. Zusätzlich soll durch regelmäßige Gespräche eine bessere Betreuung der Auszubildenden gewährleitet werden. 

Aktueller Stand der Umsetzung

Beatrice Voges betont den großen Erfolg der GBV, die für etwa 500 Auszubildende und 30.000 Beschäftigte gültig ist. Das Grundgerüst ist geschaffen, jedoch zeigen sich Herausforderungen in der Umsetzung. Diese sind vordergründig mit der geringen Vertretung von Betriebsrätinnen und Betriebsräten in den Filialen zu erklären, die die Einhaltung der GBV kontrollieren könnten. 

Die zukünftigen Aufgaben liegen darin Angebote und Motivation im Sinne der Auszubildenden zu schaffen. Früher hieß es immer, „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“, dies hält Beatrice Voges jedoch für überholt. Man müsse den schlechten Ruf vieler Ausbildungsberufe aufheben und Ausbildungen attraktiver gestalten.

Ich würde mir wünschen, dass wir irgendwie diese Kurve wieder kriegen, dass wir auch die Berufe, die jetzt nicht unbedingt nur im Büro sind oder ein Studium voraussetzen, wieder ein bisschen in den Fokus stellen.

Beatrice Voges, Gesamtbetriebsratsvorsitzende der Minden-Hannover und Betriebsratsvorsitzende im E-Center Springe

Fazit

Insgesamt ist der GBR sehr stolz auf die GBV. Sie ist ein Schritt in die richtige Richtung, wenn auch weiterhin Herausforderungen zu meistern sind. Es liegt an den Unternehmen, die Rahmenbedingungen zu schaffen, um Ausbildungen im Einzelhandel auch zukünftig attraktiv zu gestalten. Die Rolle der Auszubildenden und ihre Ansprüche an Arbeitsverhältnisse haben sich in den vergangenen Jahren gewandelt, sie verlangen einen Umbruch in der Gestaltung der Ausbildungen. Die Mitbestimmungsakteurinnen und -akteure bei der Edeka Minden-Hannover eröffneten, welchen wichtigen Beitrag die Mitbestimmung bietet, um zukünftige gesamtgesellschaftliche Umbrüche und Prozesse zu begleiten.

Nimm direkt Kontakt auf: Beatrice.Voges@minden.edeka.de

Infineon Technologies AG: Automatisierung und Digitalisierung mit Qualifizierung begleiten

In einem Interessenausgleich wurden Maßnahmen zur Qualifizierung von Produktionsmitarbeitenden ausgehandelt. Durch die breitflächige Digitalisierung und Automatisierung der Produktion waren die Qualifikationen notwendig, um langfristig Arbeitsplätze zu sichern. 

Das Unternehmen

Die Infineon Technologies AG ist ein weltweit führender Anbieter von Halbleiterlösungen, unter anderem für erneuerbare Energien und die Automobilindustrie. Am Standort in Regensburg sind rund 3.100 Personen beschäftigt. Der Betriebsrat besteht aus 25 Personen.

Investitionen in Digitalisierung und Automatisierung 

Der Standort Regensburg steht im Bereich der Halbleiterfertigung weltweit in Konkurrenz, weshalb die Arbeitsplätze in Regensburg stets unsicher waren. Um dem vorzubeugen, sah der Betriebsrat nur eine Lösung: Die Produktion muss effektiver werden. Es müssen mehr Aufträge bei gleicher Beschäftigtenzahl abgewickelt werden. Nur so kann die Stückzahl bei unveränderten Kosten gesteigert werden. Dafür braucht es mehr automatisierte und digitalisierte Prozesse, welche enorme Auswirkungen auf Beschäftigung und Produktion nach sich ziehen. Das Unternehmen kündigte, nachdem der Betriebsrat sich dafür stark gemacht hatte, an, die Halbleiterproduktion durch Investitionen zu automatisieren und digitalisieren. 

Umstellungen in der Frontend-Produktion 

Die Umstellung sah zwei Veränderungen vor. Zum einen wurde ein automatisches Transportsystem eingeführt, zum anderen wurden Roboter installiert, die die Anlagen be- und entladen. 

Für die Mitarbeitenden waren die Auswirkungen herausfordernd, da seitdem andere Qualifikationen und Fähigkeiten gefragt sind. Es gibt einen höheren Bedarf an Automatisierungs- und Maintenance-Experten sowie weiteren Spezialisten, die die Anlagen betreuen und Programmierungen vornehmen können. Zugleich entstanden neue Arbeitsplätze mit höherwertigen Funktionen. 

Projekt beim Deutschen Betriebsrätepreis: Interessenausgleich und Maßnahmenpaket

In den Verhandlungen zum Interessenausgleich war der wichtigste Regelungspunkt: Die Stammpersonalstärke der Produktionsbeschäftigten bleibt stabil.

Uns ging es darum, die bestehenden Arbeitsplätze zu sichern. Durch die Automatisierung haben wir keinen Personalabbau gehabt, es wurde ein eventuell weiterer Personalbedarf nicht erforderlich.

Johann Dechant, Betriebsratsvorsitzender in Regensburg und Konzernbetriebsratsvorsitzender

Auch andere Inhalte des Interessenausgleichs lassen auch einen guten Abschluss erkennen: Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen, eine Übernahme von Leiharbeitskräften, der Ausschluss von Leistungsverdichtung, die Verhinderung von monotonen Arbeitsplätzen und niedrigeren Eingruppierungen, ein Monitoringprozess zur Überprüfung der Teilprojekte und die Schaffung von Weiterbildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten. Letzteres ermöglicht es den Beschäftigten, Fähigkeiten und Kenntnisse entsprechend den neuen Anforderungen zu erwerben. 

Einbindung der Beschäftigten und bedarfsorientiertes Qualifizierungskonzept 

Um die Skepsis bei den Beschäftigten zu überwinden, wählte der Betriebsrat zwei Wege. Der erste Weg beschreibt eine hohe Transparenz. So wurden bereits vor den Verhandlungen die Produktionsbeschäftigten über die anstehenden Veränderungen informiert. Außerdem wurde ein Fragenkatalog erstellt, der dem Arbeitgeber zu Verhandlungsbeginn übergeben wurde. Zusätzlich wurden für die einzelnen Schichten gesonderte Schulungstermine organisiert, in denen die neuen Technologien vorgestellt und erklärt wurden. 

Wir haben versucht aufzuklären, aber auch ein Stück zu beruhigen und an dieser Stelle schon ganz klar genannt: Unser Ziel ist der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen und die Verhinderung von Personalabbau. Ihr werdet so geschult und qualifiziert, dass alle mitgenommen werden und dass niemand verloren geht. Das haben wir vom ersten Tag an gemeinsam, Betriebsrat und Betriebsleiter, kommuniziert.

Johann Dechant, Betriebsratsvorsitzender in Regensburg und Konzernbetriebsratsvorsitzender

Der zweite Weg umfasst den Change-Prozess „People@Automation Regensburg“. Mit dem Interessenausgleich wurde eine Projektorganisation aufgebaut, die die Mitarbeitenden bei der Umsetzung des Automatisierungs- und Digitalisierungsprozesses begleitet. Im Interessenausgleich wurde vereinbart, dass die Beschäftigten für die Bildungsmaßnahmen bezahlt freigestellt sind. 

Johann Dechant betont, dass der gesamte Umstellungsprozess darauf ausgelegt war, alle Mitarbeitenden möglichst auf individueller Ebene abzuholen. Dabei war es auch wichtig, dass alle Mitarbeitenden über ihren zukünftigen Arbeitsplatz mitentscheiden konnten. Es bestand keine Pflicht, eine Funktion zu übernehmen. 

Fazit

Schaut Johann Dechant auf die bisherige Umsetzung, zeigt er sich sehr zufrieden. Die Mitarbeitenden wurden gut auf die Veränderungen vorbereitet und haben einen großen Teil der Qualifikationen durchlaufen. Aufgrund der höheren Qualifikationen wurden die Mitarbeitenden mitunter höher eingruppiert. Es gibt keine Verlierer – alle Mitarbeitenden wurden mitgenommen. Der Schlüssel zum Erfolg wird dabei in der Transparenz gesehen: Alle Beschäftigten wussten, was auf sie zukommt, wurden informiert und konnten sich vorbereiten. 

Die Umsetzung ist so abgelaufen, wie wir sie im Interessenausgleich geregelt haben und durch das Monitoring, durch das vierteljährliche Begleiten – gerade bei den Ausbildungs- und Qualifizierungsthemen war das sehr wichtig – ist es so gekommen, wie wir geplant haben.

Johann Dechant, Betriebsratsvorsitzender in Regensburg und Konzernbetriebsratsvorsitzender

Nimm direkt Kontakt auf: johann.dechant@infineon.com

Helios Klinik GmbH Sangerhausen: Betriebsvereinbarung „Praktische Ausbildung“

Die Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) der Helios Klinik in Sangerhausen entwickelte gemeinsam mit dem Betriebsrat die Betriebsvereinbarung „Praktische Ausbildung“, die zum Ziel hatte, die Ausbildungsqualität zu verbessern und die Klinik zu einem attraktiven Arbeitgeber für die Absolventinnen und Absolventen zu machen.

Das Unternehmen

In der Helios Klinik GmbH in Sangerhausen arbeiten insgesamt 500 Beschäftigte. Die 15 bis 18 Auszubildenden pro Jahrgang werden durch fünf feste Gremienmitglieder der JAV vertreten. 

Probleme ergründen und Lösungen finden 

Zum Ende des Ausbildungsjahres 2020 zeichnete sich ab, dass sich die meisten Auszubildenden in der Pflege dazu entschieden, die Helios Klinik in Sangerhausen zu verlassen. Sie sahen ihr Anrecht auf Ausbildung nach Ausbildungsplan nicht erfüllt und waren mit den gegebenen Arbeitsbedingungen nicht einverstanden. Vor allem mangelte es ihnen an verlässlichen Regeln und der notwendigen Planung. Die JAV hat gemeinsam mit der Geschäftsführung, die Ursachen ermittelt und zusammen mit dem Betriebsrat die Betriebsvereinbarung „Praktische Ausbildung“ entwickelte. Die Betriebsvereinbarung war ein voller Erfolg und wurde auch auf die Standorte Lutherstadt-Eisleben und Hettstedt ausgeweitet. Für das Engagement erhielt das Gremium 2022 beim Deutschen Betriebsrätepreis den Sonderpreis für Moderne Ausbildungen sowie den Publikumspreis.

Um die Gründe für die Entscheidungen der Auszubildenden zu verstehen und eine Lösung zu finden, entschlossen sich Betriebsrat und Jugend- und Ausbildungsvertretung, die Absolventinnen und Absolventen im Sommer 2020 zu befragen. Die Umfrage wurde schriftlich und anonymisiert durchgeführt; zusätzlich fanden persönliche Gespräche statt. Es wurde deutlich, dass die Auszubildenden das „Stations-Hopping“ vor allem im Zuge der Coronapandemie negativ bewerteten. Um den Stationsablauf auf unterbesetzten Stationen aufrechterhalten zu können, wurden die Auszubildenden häufig ungeplant an andere Stationen „ausgeliehen“. Dies führte dazu, dass sie ihre festgelegten Praxisziele nicht erreichen konnten, weil sie nicht das erlernten, was für die Einsätze vorgesehen war. Außerdem fühlten sie sich nicht zugehörig, da sie bloß als Ersatz auf den verschiedenen Stationen fungierten. Die daraus entstehende Anleitung von fremden Praxisanleiterinnen und -anleitern führte dazu, dass die gewünschte individuelle Betreuung ausblieb und Wissen in Form von Gruppenangeboten vermittelt wurde. 

Vorschläge für die Betriebsvereinbarung wurden an einem Runden Tisch zusammen mit den Praxisanleitenden und Stationsleitungen erarbeitet.

Wir sind da mit sehr viel Positivem rausgekommen, das habe ich auch so an den Betriebsrat weitergeleitet. Alle haben sich sehr gefreut. Wir sind stolz darauf, was wir gemacht haben.

Martin Voß, JAV-Vorsitzender und Auszubildender im dritten Jahr zum Pflegefachmann

Inhalte der Betriebsvereinbarung

Die Betriebsvereinbarung sah vor, verlässliche Regeln zu schaffen und dabei die Qualität der Ausbildung zu verbessern. Dafür wurden die Einsätze der Auszubildenden besser strukturiert. Die Betriebsvereinbarung sollte sicherstellen, dass es eine feste zeitliche Abfolge gab, die die Vermittlung von Wissen durch die Praxisanleitung gewährleistet. Außerdem wurden Lösungen gefunden, um die einzelnen Stationen miteinzubeziehen und auch den Austausch mit dem Bildungszentrum zu fördern. Zusätzlich wurde den Auszubildenden mehr Mitspracherecht bei der Urlaubsplanung ermöglicht sowie Feedbackgespräche etabliert. Insgesamt war es ein Anliegen, den Auszubildenden das Gefühl der Wertschätzung zu vermitteln.

Die neuen Regelungen zur Praxisanleitung innerhalb der Betriebsvereinbarung orientierte sich an der Definition im „Pflegeberufegesetz“. Um das „Stations-Hopping“ zu vermeiden, wurden Regelungen gefunden, die nur in Ausnahmen erlaubten, die Auszubildenden aus ihren Stationen herauszuholen. Die festgelegten Ablaufpläne der Ausbildung stellen eine Besonderheit dar, da sowohl die Abfolgen von Praxiseinsätzen als auch feste Vereinbarungen über zeitliche Rahmen festgelegt sind. 

Gemeinsam wurden auch weitere Überlegungen entwickelt, um die Situation der Auszubildenden zu verbessern. Dafür wurden einmal im Jahr die drei besten Ausbildungsstationen durch eine Wahl der Auszubildenden gekürt. Dabei sind die Kriterien Teamkompetenz, Praxisanleitung sowie Sozialkompetenz ausschlaggebend für das Ergebnis. Dieses Konzept dient dazu, die Stationen zu motivieren, die Auszubildenden mehr einzubeziehen, freundlich zu interagieren und dabei zusätzlich die Praxisanleitung der gekürten Station wertzuschätzen. 

Eine weitere Maßnahme ist eine zweiwöchige Hospitation der Lehrkräfte aus dem Bildungszentrum innerhalb der Klinik. Außerdem werden auf den einzelnen Stationen sogenannte Stationsordner vorgestellt, die dazu dienen, die Pflegeaufgaben sowie spezielle Krankheitsbilder kennenzulernen und damit einen Überblick über die Stationen zu bekommen.

Zusammenarbeit von JAV und BR 

Das erfolgreiche Ergebnis der Betriebsvereinbarung kann unter anderem auf die unterstützende Zusammenarbeit der beiden Gremien zurückgeführt werden. Die JAV hat dabei sehr von den Erfahrungen des Betriebsrats und den entstehenden Netzwerken profitiert. 

Das war nicht nur ein Projekt von der JAV, sondern der Betriebsrat hat immer stark unterstützt und letztendlich sind wir da Hand in Hand gegangen.

Martin Voß, JAV-Vorsitzender und Auszubildender im dritten Jahr zum Pflegefachmann

Auch das starke Engagement des JAV-Gremiums ist zu betonen, da die Gremienmitglieder sich gegenseitig motivierten und ihre eigene Selbstwirksamkeit deutlich machten.

Fazit

Die Betriebsvereinbarung stellte sich als ein voller Erfolg heraus, da sich im aktuellen Ausbildungsjahr 14 der 16 Auszubildenden dazu entschieden in der Klinik zu bleiben. Die Umsetzung der Betriebsvereinbarung verläuft in den meisten Fällen sehr gut, nur vereinzelt sind die Vereinbarungen beim Klinikpersonal noch nicht bekannt oder Einzelne nicht gewillt, die Neuerungen umzusetzen. Die beiden Gremien arbeiten daran, die Realisierung der Betriebsvereinbarung zu gewährleisten und den Auszubildenden eine gute Ausbildung zu ermöglichen. 

Kommentierung von ver.di

Auch aus Sicht von David Strömer, Jugendsekretär der Gewerkschaft ver.di im Bezirk Sachsen-Anhalt Süd, ist dieses Projekt besonders: 
 

Die Betriebsvereinbarung „Praktische Ausbildung“ in der Helios Klinik in Sangerhausen ist ein eindrucksvoller Beweis dafür, was richtig gute JAV-Arbeit bewirken kann. Gerade die Themen Stations-Hopping und kaum frei planbare Urlaubszeiten sind für viele Auszubildende in Kliniken ein großes Problem. Die Maßnahmen der BV, die das Stations-Hopping verhindern und den Auszubildenden einen relativ frei planbaren Erholungsurlaub ermöglichen, stellen daher eine erhebliche Verbesserung der Ausbildungsbedingungen dar. Für uns als Gewerkschaft ist die Betriebsvereinbarung der JAV in der Helios Klinik Sangerhausen ein absolutes Positivbeispiel, mit dem wir Kandidierende für die JAV-Wahl in anderen Häusern für das Mitmachen in der betrieblichen Mitbestimmung begeistern können.

David Strömer, Jugendsekretär der Gewerkschaft ver.di im Bezirk Sachsen-Anhalt Süd

Hewing GmbH: Qualifizierung als Strategie der Arbeitsplatzsicherung

Das Projekt „Arbeitsplatzsicherung“ des Betriebsrats der Hewing GmbH nutze unterschiedliche Strategien, um die Krisensituation aufgrund eines Produktionseinbruchs abzuwenden und gleichzeitig die Qualifikationen der Beschäftigten zu verbessern. 

Das Unternehmen 

Die Hewing GmbH in Ochtrup ist weltweit eins der führenden Unternehmen in der Kunststoffrohrtechnik und beschäftigt 225 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das Unternehmen zeichnet sich durch einen hohen Organisationsgrad von über 90 Prozent aus. Das Gremium besteht aus neun Mitgliedern. 

Projekt „Arbeitsplatzsicherung“

Im Jahr 2018 verzeichnete die Hewing GmbH einen Produktionseinbruch, der die Kündigung von 16 befristet Beschäftigten zur Folge haben sollte. Um Sozialpläne und Entlassungen zu verhindern, entwickelte der Betriebsrat das Projekt „Arbeitsplatzsicherung“, mit dem er 2020 beim Deutschen Betriebsrätepreis mit dem Sonderpreis Zukunftssicherung prämiert wurde. 

Um die Arbeitsverhältnisse aller Beschäftigten zu sichern, wurden Öffnungsklauseln im Tarifvertrag genutzt und die wöchentliche Arbeitszeit wurde von 37,5 auf 35 Stunden gekürzt. 

Weitere Maßnahmen konnten aufgrund des Teamworks und der Solidarität der Beschäftigten umgesetzt werden, die die Kündigung der 16 befristet Beschäftigten verhinderte. Die Maßnahmen sahen vor, die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (temporär) für die Krisendauer zu reduzieren: Vier Beschäftigte wurden an ein anderes Unternehmen geliehen, drei Personen war es möglich, vorzeitig in den Ruhestand zu gehen und sechs weitere Beschäftigte erhielten die Möglichkeit, an einer Weiterbildung teilzunehmen. Gemeinsam mit der Agentur für Arbeit und mithilfe der Initiative WeGebAU (Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unternehmen) konnten Weiterbildungen zur Erweiterung der Qualifikationen entsprechend der Tätigkeiten im Unternehmen angeboten werden.

Mit den Partnern der Agentur für Arbeit haben wir geguckt, wie wir wenig qualifizierte oder nicht komplett ausgebildete Mitarbeiter, die schon lange ihren Berufsabschluss hinter sich haben, vielleicht auch aus einer anderen Branche, qualifizieren können.“ Sven Rejall, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender

Sven Rejall, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender

Da der Einbruch der Auftragslage nicht lange währte, wurde bereits nach einigen Wochen die Arbeitszeit wieder auf 37,5 Wochenstunden aufgestockt. Die Rückkehr zur 37,5-Stundenwoche war herausfordernd, denn es fehlten nun Beschäftigte, besonders diejenigen, die sich im Schulblock der Ausbildung befanden. 

Zugewinne durch die Ausbildung

Die Weiterqualifizierung hatte verschiedene positive Effekte auf einzelne Beschäftigte und das Unternehmen als Ganzes. Zum einen durchlebten die Beschäftigten eine Weiterentwicklung, die vereinzelt sogar Aufstiege zu Team- und Abteilungsleitern ermöglichte, und auch die allgemeinen Zukunftsaussichten verbesserte. Zum anderen profitierte auch die Produktion, da die Beschäftigten über mehr Hintergrundwissen verfügen, was sich positiv bei einzelnen Produktionsabläufen bemerkbar macht. 

Mit Transparenz und Kommunikation durch die Krise

Für den Betriebsrat war die Loyalität gegenüber den Beschäftigten sehr wichtig. Dazu bedurfte es vieler Diskussionen, auch innerhalb des Gremiums, sowie eine transparente und zielgerichtete Kommunikation mit allen Beteiligten und eine gute Organisation des Gremiums mit klaren Ziel- und Handlungsfeldern.

Ob Rechtsanwälte, externe Berater oder Gewerkschaft, die standen immer an unserer Seite. Auch die Kollegen haben das alles mitgetragen. Die haben Lohnverzicht akzeptiert und eine Mehrbelastung gespürt, weil die Leute eben in der Ausbildung waren. Das war schon nicht einfach, aber alle haben da an einem Strang gezogen und haben gesagt, wir müssen alles dafür tun, um keinen Sozialplan zu schreiben und die jungen Leute nicht wieder rauszuschmeißen.

Sven Rejall, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender

Aktuelle Situation im Unternehmen führt zur Neuauflage des Projektes 

Die Hewing GmbH steht heute erneut vor wirtschaftlichen Herausforderungen. Zurzeit wird das Mittel der Kurzarbeit genutzt, das jedoch als alleinige Maßnahme nicht ausreicht. Durch die Erfahrungen aus dem Projekt „Arbeitsplatzsicherung“ hat das Unternehmen ein Repertoire an Maßnahmen, um die Zeit bis zum nächsten konjunkturellen Aufschwung zu überbrücken. Alle Beteiligten sind optimistisch gestimmt, dass mit dem derzeitigen Maßnahmenpaket erneut Stellenabbau vermieden wird. 

Fazit

Die gewählten Maßnahmen des Betriebsrats erwiesen sich auf vielen Ebenen als fruchtbar, da sie sowohl Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmerseite miteinbezogen und dadurch den Zusammenhalt im Unternehmen stärkten. Durch die hohe Solidarität der Beschäftigten konnten 16 befristet Beschäftigte nicht nur im Unternehmen bleiben, sondern erhielten dazu noch einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Das Projekt „Arbeitsplatzsicherung“ zeigt Lösungsansätze auf, um Personalabbau zu verhindern, Qualifikationen zu fördern und gleichzeitig etwas gegen den demografischen Wandel zu unternehmen. Dass das Projekt nun wieder aufgelegt wird, unterstreicht seinen Erfolg und seine Nachhaltigkeit – es wird nachhaltig in die Zukunft des Unternehmens investiert.

Die Belegschaft ist krisenerfahren. Das ist nicht die erste Krise, die sie durchgemacht hat, und das haben die gemeinsam geschafft. Was ich im Betrieb wahrnehme, ist ein großes Vertrauen zum Betriebsrat (…) Und der Betriebsrat selbst arbeitet mit einer hohen Transparenz gegenüber der Belegschaft. Also die Belegschaft wird informiert, so frühzeitig informiert, wie es möglich ist.

Marion Hackenthal, IGBCE

Robert Bosch GmbH: Rahmenbedingungen für digitales Lernen

Digitales Lernen für alle ermöglichen – mit diesem Ziel verhandelte der Gesamtbetriebsrat der Robert Bosch GmbH eine Konzernbetriebsvereinbarung zur Förderung von selbstbestimmtem Lernen. 

Das Unternehmen

Die Robert Bosch GmbH zählt zu den weltweit größten Automobilzulieferern. Deutschlandweit arbeiten rund 134.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für das Unternehmen, die durch 51 Mitglieder des Gesamtbetriebsrats vertreten werden.

Das Projekt: Digitales Lernen als Tool zur Transformation 

2020 reichte der Gesamtbetriebsrat das Projekt beim Deutschen Betriebsrätetag ein und gewann den Sonderpreis „Innovative Betriebsratsarbeit“. Den Kern des Projektes bildete die Konzernbetriebsvereinbarung (KBV) „Digitale Qualifizierung“. 

Mit der Konzernbetriebsvereinbarung verfolgte der Betriebsrat zwei Ziele: Einerseits sollte es allen Beschäftigten (besonders denen in der Produktion) ermöglicht werden, sich digital zu qualifizieren und weiterzubilden. Andererseits wurden lokale Betriebsräte befähigt und aktiviert, digitales Lernen umfänglich mitzubestimmen. 

Lernlabore zur Absteckung der Rahmenbedingungen 

Die Konzernbetriebsvereinbarung beruhte auf einer Ankündigung des Arbeitgebers. Er wollte 2018 eine Technik für digitales Lernen im gesamten Konzern einführen. Das Vorhaben wurde von der Arbeitnehmervertretung zwiespältig aufgenommen. Auf der einen Seite wurde die Idee grundsätzlich begrüßt, denn die Automobilbranche steht mit dem stetigen Rückgang von Verbrennungsmotoren vor einer gewaltigen Transformation. Digitale Lernangebote können dabei helfen, Beschäftigte entsprechend den Veränderungen der Arbeitswelt zu qualifizieren und sie somit fit für neue Technologien zu machen. Bildung ist hier einer der wichtigsten Schlüssel, um die Beschäftigten dabei mitzunehmen und auf die zukünftigen Veränderungen vorzubereiten. Auf der anderen Seite hatte der Betriebsrat große Zweifel, denn der Arbeitgeber wollte digitales Lernen einführen, ohne die Rahmenbedingungen zu definieren. Digitales Lernen beinhaltet zahlreiche Fragen bezüglich der Lernumgebung, dem Zugang zum digitalen Lernen, der Arbeitszeit und der Inhalte. Um praktikable Lösungen zu finden, schlug er Lernlabore vor, in denen digitales Lernen unter realen Arbeits- und Lernbedingungen erprobt wird. 

In einer Betriebsvereinbarung wurde der Rahmen der Lernlabore festgelegt und schließlich wurden an fünf Standorten Lernlabore eingerichtet. Das gewonnene Wissen und die gemachten Erfahrungen im Umgang mit IT-gestützten Lernformen bildeten die Grundlage für die Gesamtbetriebsvereinbarung.

Dann haben wir versucht, die Rahmenbedingungen, die wir zu klären haben, selber zu erarbeiten und nicht auf der grünen Wiese, sondern gemeinschaftlich mit den betroffenen Leuten.

Mustafa Kalay, Betriebsratsmitglied in Stuttgart-Feuerbach

Inhalte der Konzernbetriebsvereinbarung 

Alle Standorte der Robert Bosch GmbH und ihrer Tochtergesellschaften können der KBV beitreten. Die Umsetzung selbst wird pro Standort in lokalen Steuerkreisen konkretisiert. Zu den Aufgaben des Steuerkreises zählen unter anderem die Realisierung von Online-Zugängen sowie die Erstellung und Anpassung zielgruppenspezifischer Lerninhalte und Lernpfade, aus denen die Beschäftigten wählen können. Für die übergeordnete Überwachung gibt es zusätzlich einen zentralen Steuerkreis, der sich ebenfalls paritätisch zusammensetzt. 

Außerdem beinhaltet die Konzernbetriebsvereinbarung konkrete Regelungen für das digitale Lernen. Dazu gehört der Anspruch auf bezahlte Freistellung für bis zu drei Arbeitstage zur Nutzung digitaler Lerntools. Es handelt sich hierbei um selbstbestimmtes Lernen, das bedeutet, dass die Beschäftigten ihre Lernformate und -inhalte frei aus einem Angebot wählen können. 

Zudem können an den Standorten sogenannte Lernbegleiterinnen und Lernbegleiter ins Leben gerufen werden. Dies sind Beschäftigte, die ihre Kolleginnen und Kollegen bei Lernprozessen im Betrieb unterstützen. Zudem können sie bei der Planung und Umsetzung von Qualifizierungsmaßnahmen mitwirken. Weitere Regelungspunkte der KBV sind unter anderem Konfliktlösungsprozesse und Barrierefreiheit. 

Tools und Lerninhalte digitalen Lernens

Grundsätzlich gilt, dass die Robert Bosch GmbH als Unternehmen für sämtliche Kosten des digitalen Lernens als betriebliche Qualifizierungsmaßnahme aufkommt. In der Konzernbetriebsvereinbarung werden dabei betriebliche Qualifizierungsmaßnahmen zur Entwicklung unter anderem von fachlichem und methodischen Wissen definiert. Durch sie können Beschäftigte veränderte Anforderungen erfüllen oder höherwertige Arbeitsaufgaben übernehmen. Der Arbeitgeber entwickelt je Standort eine digitale Weiterbildungsstrategie, in der zielgruppenspezifische Bedarfe und entsprechende Bildungsangebote erarbeitet werden. 

Fazit: Positives Feedback und gute Resonanz

Seit rund drei Jahren gibt es nun die Konzernbetriebsvereinbarung „Digitale Qualifizierung“. Die anfänglich gesteckten Ziele der Arbeitnehmervertretung, Beschäftigten digitale Qualifizierung zu ermöglichen und lokale Betriebsräte zu stärken, wurden erreicht. Mit der Konzernbetriebsvereinbarung ist es den Betriebsräten gelungen, digitale Qualifizierung als ein Anrecht zu platzieren, das nicht von Führungskräften abhängig ist. 

Stärkung der Betriebsräte durch lokale Steuerkreise 

Betrachtet Mustafa Kalay die KBV als Ganzes, betont er zudem die Stärkung der lokalen Betriebsräte. Weiterbildung ist zwar grundsätzlich eine originäre Aufgabe von Betriebsräten, dennoch hilft die KBV bei der Umsetzung des Mitbestimmungsanspruchs, denn sie gibt Regeln und einen klaren Rahmen vor. Ein weiterer positiver Zugewinn: Es entstand ein Betriebsrätenetzwerk, in dem sich die Betriebsrätinnen und Betriebsräte verschiedener Standorte austauschen können. 

Auch wenn der Betriebsrat Rechte hat, muss man den Betriebsräten, die nicht stark in der Weiterbildung unterwegs sind, Brücken bauen, sie unterstützen, damit sie das wahrnehmen.

Mustafa Kalay, Betriebsratsmitglied in Feuerbach

Fasst man das Ergebnis der Konzernbetriebsvereinbarung zusammen, wurde ein Instrument geschaffen, mit dem man gestärkt in die zukünftigen Transformationsbewegungen geht. Es sichert eine mitbestimmte Weiterentwicklung von Lernkonzepten und trägt zu einer neuen Lernkultur bei. 

Nimm direkt Kontakt auf: Mustafa.Kalay@de.bosch.com

Siemens AG Gesamtbetriebsrat: Transformation mit einem Zukunftsfonds begegnen und gestalten

In einer Zeit, wo innerhalb der Siemens AG viele Restrukturierungsmaßnahmen verhandelt und angekündigt wurden, regte der Gesamtbetriebsrat einen umfassenden Kurswechsel an. Statt Arbeitsplätze abzubauen, sollten sie durch einen Zukunftsfonds zukunftssicher umgestaltet werden.

Das Unternehmen

Die Siemens AG ist ein weltweit agierender Technologiekonzern. Als Entwickler und Anbieter von Automatisierungs- und Digitalisierungsprodukten ist er unter anderem in den Segmenten Industrie, dezentrale Energiesysteme, Medizintechnik und Mobilitätslösungen vertreten. In Deutschland arbeiten rund 86.000 Beschäftigte für den Konzern. 

Das Projekt: zukunftssichere Arbeitsplätze

2019 reichte der Gesamtbetriebsrat im Schulterschluss mit dem Betriebsrat des Werkes Tübingen das Projekt „Den Strukturwandel aktiv gestalten – ein paritätisches Arbeitsmodell für mehr Beteiligung“ beim Deutschen Betriebsrätetag ein. Ein Erfolgsmodell, mit dem es der Interessenvertretung gelang, die Werkschließung in Tübingen zu verhindern und einen nachhaltigen Kulturwandel zu etablieren. Statt Arbeitsplätze abzubauen, wurden sie zukunftssicher gewandelt – ein Umbruch, der mit Gold beim Betriebsrätetag ausgezeichnet wurde.

Vorgeschichte: viele Re- und Umstrukturierungen

Die Siemens AG befindet sich in einem stetigen Wandel. Dieser macht weder vor Produkten, den eigenen Prozessen noch vor den Beschäftigten Halt. 2018 wurde das komplette Unternehmen umgestellt. Geschäftsfelder wurden mit teilweise gravierenden Folgen entsprechend der digitalen Fokussierung angepasst. Neben zahlreichen Re- und Umstrukturierungen sollten mitunter ganze Standorte geschlossen oder die Zahl ihrer Beschäftigten stark reduziert werden. Zahlreiche Interessenausgleiche wurden verhandelt, wodurch viele Arbeitsplätze kurzfristig durch Qualifizierung gerettet und Standortschließungen abgewandt wurden. Dennoch mussten viele Beschäftigte das Unternehmen verlassen. 

Der Gesamtbetriebsrat war überzeugt, dass durch gezielte und frühzeitige Qualifizierung Mitarbeitende weiterentwickelt werden und auf neuen Arbeitsplätzen dem Unternehmen erhalten bleiben können. Zwar waren Qualifikationen auch Bestandteil ausgehandelter Sozialpläne, jedoch umfassten sie einen engen zeitlichen Rahmen und waren nicht an einem Zukunftskonzept ausgerichtet.

Im Prinzip hatten wir die Situation, dass wir sagen konnten, wir benötigen Leute in anderen Bereichen. Gleichzeitig hatten wir Restrukturierungen und wollten sie loswerden, statt sich um sie zu kümmern. Man hat angenommen, den neuen Bedarf besser vom Markt decken zu können.

Tobias Bäumler, stellvertretender Gesamtbetriebsratsvorsitzender

Zukunftsfonds für eine proaktive Gestaltung der digitalen Transformation

Das Management von einem Kurswechsel zu überzeugen, war ein harter Kampf, der zusammen mit der IG Metall ausgetragen wurde. Dazu gehörten auch Demonstrationen und Aktionen von mehreren Tausenden Beschäftigten. Letztendlich wurde die „Gesamtbetriebsvereinbarung zum Zukunftsfonds“ abgeschlossen. Ihr Dreh- und Angelpunkt ist der Zukunftsfonds in Höhe von 100 Millionen Euro. Der Zukunftsfonds ist ein Werkzeug, das ermöglicht, Um- und Weiterqualifizierung von Beschäftigten entsprechend nachhaltigen Zukunftskonzepten zu finanzieren. Dadurch werden Beschäftigte aktiv durch den Strukturwandel mitgenommen. 

Das ist auch ein Modell, wie man Mitbestimmung und Beteiligung in den ganzen Prozess integrieren kann – also Beteiligung der Beschäftigten. Und das ist im Prinzip auch ein Fundament dafür, dass wir vom reinen Abwehrkampf in die Gestaltung gekommen sind.

Peter Kropp, Referent des Gesamtbetriebsrats

Für die Umsetzung und Anwendung des Zukunftsfonds war eine parallele Entwicklung sehr hilfreich. Vom Arbeitgeber wurde ein umfangreiches Analysetool (#NextWork®) entwickelt, mit dem Qualifikationslücken ermittelt werden können.

Der Standort Tübingen als Beispiel

Der Zukunftsfonds und der vereinbarte Prozess riefen eine komplett andere Art und Weise ins Leben, wie die Siemens AG mit strukturellen Veränderungen umgeht. Rund 40 Standorte und 37.000 Beschäftigte haben bis heute vom Zukunftsfonds profitiert. 

Der Standort Tübingen hat sich zum digitalen Vorzeigewerk entwickelt. Beispielsweise zeigt nun ein Bildschirm in der Produktionshalle in Echtzeit die Maschinenauslastung an, Schweißtechniken werden in einer virtuellen Umgebung gelernt und ein fahrerloses und ferngesteuertes Transportsystem wurde eingeführt. Der Einsatz von Google Glass ermöglicht es, dass Daten weltweiter Standorte eingesehen und Anweisungen zur Reparatur gegeben werden können. Im Allgemeinen wurden durch die vermehrte Nutzung von Robotern viele monotone Arbeitsplätze abgeschafft, das Know-how bei den Beschäftigten aufgebaut und moderne Arbeitsplätze geschaffen. Insgesamt durchliefen etwa 80 Prozent der Beschäftigten eine Qualifizierungsmaßnahme

Das Beispiel Tübingen demonstriert, dass die Idee des Zukunftsfonds fruchtet. Durch Modernisierung und Digitalisierung wurde der Standort entsprechend dem Strukturwandel weiterentwickelt. Damit wurden mit dem Standort zugleich viele Arbeitsplätze gerettet. Befürchtungen, dass durch einen solchen Umbau mehr niedrigqualifizierte Tätigkeiten entstehen, bewahrheiteten sich nicht. Im Gegenteil, es wurde höherwertige und interessantere Arbeit geschaffen.

Kulturwandel durch Zukunftsfonds

Rund um die Anwendung des Zukunftsfonds können viele positive Resultate genannt werden. Ganz vorne steht ein proaktiver Gestaltungsprozess von Betriebsrat, Arbeitgeber und Beschäftigten. Beschäftigte bei Veränderungen mitzunehmen, ist der Schlüssel dafür, dass die Veränderungen auch auf Akzeptanz treffen. 

Und dieser Zukunftsfonds ist, das darf man auch nicht vergessen, anstrengender. Da muss man sich intensiv mit den Menschen auseinandersetzen. Da muss man mit den Menschen reden, da muss man die Betriebsräte miteinbinden, dass die Menschen auch überzeugt werden, denn Veränderungen schüren Ängste, schüren Angst vor Arbeitsplatzverlust. Dabei ist es eigentlich das Umgekehrte, es ist die Sicherung des Arbeitsplatzes.

Tobias Bäumler, stellvertretender Gesamtbetriebsratsvorsitzender

Als weitere Errungenschaft ist eine andere Art der Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Management zu nennen. Statt über Sozialpläne zu verhandeln, wurden Zukunftskonzepte entwickelt – nicht nur inhaltlich eine andere Voraussetzung. Ein weiterer Effekt ist zu beobachten: Dadurch, dass die finanziellen Mittel des Zukunftsfonds geschützt sind, sind sie unabhängig von den üblichen Einflüssen der Gewinnpolitik, weswegen auch langfristige Entwicklungen und Planungen möglich sind. 

Fazit: stetige Weiterentwicklung und Verlängerung des Zukunftsfonds 

Die Interessenvertretungen bei Siemens schauen stolz auf den gesamten Prozess zurück. Mit dem Zukunftsfonds wurde ein Kurswechsel in der Siemens AG ermöglicht. Der Fonds gibt Standorten und Beschäftigten die Möglichkeit, sich entsprechend den neuen Technologien und Themen weiterzuentwickeln. Proaktiv in die Gestaltung zu gehen und die Beschäftigten dabei mitnehmen zu können, wird als absoluter Zugewinn gewertet. Der Zukunftsfonds wird nach wie vor gelebt – viele Werke erarbeiten noch immer Konzepte oder sogar schon Folgekonzepte. 

Nimm direkt Kontakt auf: tobias.baeumler@siemens.competer.kropp@siemens.com 
 

Siemens AG Leipzig: Integration von Geflüchteten in den betrieblichen Alltag

Der Betriebsrat der Siemens AG am Standort Leipzig hat mit seinem Engagement Wege gefunden, geflüchteten Menschen eine Ausbildung zu ermöglichen, sie dabei in den betrieblichen Alltag zu integrieren und gleichzeitig dem Fachkräftemangel im Betrieb entgegenzuwirken.

Das Unternehmen

Das Werk der Siemens AG in Leipzig sorgt mit seinen Niederspannungsschaltanlagen und Schnellladesäulen für die Elektromobilität für eine zuverlässige Stromversorgung und weltweite Mobilität seiner Kunden. Das Betriebsratsgremium besteht aus elf Mitgliedern und vertritt 720 Beschäftigte. 

Projekt „Integration von Geflüchteten in den betrieblichen Alltag“

Die Folgen des demografischen Wandels für ostdeutsche Standorte sind besorgniserregend, da nicht nur der Nachwuchs innerhalb der Betriebe fehle, sondern auch das politische Klima rund um populistische und rassistische Parteien und Bewegungen die Region für viele Menschen unattraktiv macht. Der Betriebsrat der Siemens AG in Leipzig suchte 2018 nach Lösungen, um den rassistischen Tendenzen innerhalb der Gesellschaft aktiv entgegenzutreten und begann damit innerhalb des Betriebs. Mit Unterstützung des damaligen Betriebsleiters entwickelte das Gremium Ideen. Für dieses soziale Engagement wurden sie 2018 mit dem Deutschen Betriebsrätepreis in Bronze prämiert.

Es funktioniert aus meiner Sicht nur, wenn man sich engagiert und sich der Sache wirklich annimmt und versucht, die Dinge voranzutreiben. Es ist heute wichtiger als es vielleicht noch vor Jahren war. Es ist auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, eine entsprechende Atmosphäre in den Bundesländern zu haben, damit es eine offene Gesellschaft gibt. Aus meiner Sicht werden diejenigen, die sich nicht dieser Aufgabe stellen und sich restriktiv abgrenzen, die Verlierer der Zukunft sein.

Michael Hellriegel, Betriebsratsvorsitzender

Das Projekt hatte mehrere Stränge: Praktika und Ausbildungsplätze für geflüchtete Menschen sowie die vom Arbeitgeber eingeführten EQ-Klassen (Einstiegsqualifizierungsklassen). Gemeinsam mit der Agentur für Arbeit wurden die vorhandenen Fähigkeiten der potenziellen Auszubildenden strukturiert erfasst. Gleichzeitig initiierte der Arbeitgeber EQ-Klassen, bei denen Personen mit Fluchterfahrungen über ein halbes Jahr auf eine Berufsausbildung vorbereitet wurden. Hauptaugenmerk lag hier auf der Vermittlung von Sprachkenntnissen und anderen wichtigen Grundlagen für die Arbeit im Betrieb. Die zweijährige Ausbildung umfasste den IHK-Abschluss des Industrieelektrikers für Betriebstechnik. Die meisten Auszubildenden absolvierten 2021 ihren Abschluss und wurden unbefristet bei der Siemens AG übernommen. 

Für uns war nicht entscheidend, wie die beruflichen Vorkenntnisse sind, sondern entscheidend, dass sie Lust und Spaß an der Arbeit haben. Wir haben immer gesagt, was fachlich fehlt, das kann man nachholen, fehlendes Interesse an der Arbeit eher nicht (…) So sind wir damals rangegangen.

Michael Hellriegel, Betriebsratsvorsitzender

Herausforderungen und Engagement 

Laut dem Betriebsratsvorsitzenden Michael Hellriegel gab es insgesamt eine hohe Solidarität im Unternehmen, was sich an der großen Bereitschaft der Kolleginnen und Kollegen zeigte. Es gab die Möglichkeit, Praktikanten im eigenen Arbeitsbereich aufzunehmen und diese als „Buddy“ zu unterstützen. 

Im ersten Gespräch haben wir bei den Kollegen abgefragt, wer bereit wäre, jemanden zu nehmen. Uns war es sehr wichtig, dass die Kollegen mitgenommen werden, damit wir nicht einsame Entscheidungen fällen, hinter denen sie am Ende nicht stehen. Das war für uns eine sehr gute Erfahrung. Ganz viele Bereiche haben sich bereit erklärt, über die Fertigung, Logistik bis hin zu Versand und Entwicklung.

Michael Hellriegel, Betriebsratsvorsitzender

Beim Buddy-System wurde jeder Person mit Fluchterfahrung eine Ansprechperson im Unternehmen beiseitegestellt. Themen des Privatlebens wie Probleme mit Wohnung, Familie oder Ämtern konnten hier angesprochen werden und ermöglichten so weitere Unterstützung neben der disziplinarischen und fachlichen Betreuung durch einen Vorgesetzten.

Aktuelle Situation 

Mit der Unterbringung der geflüchteten Auszubildenden und dem Abklingen der damaligen Flüchtlingsbewegung lief auch das Projekt mit der Zeit aus. Heute werden nur noch vereinzelt geflüchtete Personen ausgebildet. Die momentane Lage zeichnet sich durch einen hohen Arbeitskräftebedarf und starken Arbeitskräftemangel aus und ist besorgniserregend für die neuen Bundesländer als Wirtschaftsstandort einzuordnen. Die Region leidet unter dem Erstarken rechtspopulistischer Kräfte. 

Fazit

Das Projekt „Integration von Geflüchteten in den betrieblichen Alltag“ des Betriebsrats der Siemens AG Leipzig kann als voller Erfolg bezeichnet werden. Das Unternehmen war damals das erste in der Region, das solch ein Angebot ins Leben rief und geflüchteten Menschen dabei half, beruflich Fuß zu fassen. Die Besonderheit dabei war, dass die Hilfestellungen über den betrieblichen Alltag hinaus gingen. Neben den positiven Aussichten für die Menschen mit Fluchthintergrund wurde dazu beigetragen, die wirtschaftliche Situation der Region zu verbessern und rechten Tendenzen entgegenzutreten. Das Engagement der Beschäftigten leistete einen besonderen Beitrag dafür, dass das Projekt so erfolgreich war. Die Rückmeldungen der Auszubildenden waren sehr positiv. Insgesamt bewerteten die Auszubildenden sowohl die Ausbildung als auch die Aussicht auf eine Festeinstellung sehr gut und verstanden sie als Chance.

Nimm direkt Kontakt auf: michael.hellriegel@siemens.com

Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm GmbH: Bessere Ausgangsbedingungen für ausgelernte Auszubildende

Um die Attraktivität der Ausbildung bei den Stadtwerken zu steigern, setzte sich der Betriebsrat, gemeinsam mit der Jugend- und Auszubildendenvertretung, für bessere Perspektiven für die Auszubildenden ein. 

Das Unternehmen 

Die SWU Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm GmbH ist ein lokaler Anbieter von Dienstleistungen in den Bereichen Energie, Trinkwasser, Telekommunikation und Mobilität. Insgesamt sind rund 1.200 Personen bei den Stadtwerken Ulm/Neu-Ulm beschäftigt, 350 davon bei dem Verkehrsbetrieb. Das Betriebsratsgremium besteht aus 13 Personen. Der Verkehrsbetrieb hat einen eigenen neunköpfigen Betriebsrat.

Das Projekt: Steigerung der Attraktivität der Ausbildung 

2019 reichte der Betriebsrat das Projekt „Steigerung der Attraktivität der Ausbildung“ beim Deutschen Betriebsrätetag ein. Das Projekt wurde gemeinsam mit der Jugend- und Ausbildungsvertretung (JAV) initiiert und durchgeführt. Auslöser des Projekts war eine langjährige Entwicklung: Ausbildungsplätze können immer schwerer besetzt werden. Ihre Idee setzte bei einer besseren Berufsperspektive an: Alle Auszubildenden sollen nach Ausbildungsende unbefristet übernommen werden. Mit der unbefristeten Bleibeperspektive hofften die Interessenvertretungen, ein besseres Zugehörigkeitsgefühl sowie Sicherheit vermitteln zu können.

Wir sagen den Azubis, wir bezahlen zwar nicht am meisten, aber der Arbeitsplatz ist sicher.

Claus Deyle, Betriebsratsvorsitzender

Die Idee wurde auch vom Geschäftsführer begrüßt und relativ schnell in einer Betriebsvereinbarung festgehalten.

Hohe lokale Konkurrenz um Auszubildende 

Seit vielen Jahren machte sich der Betriebsrat innerbetrieblich dafür stark, dass das Thema Ausbildung im Unternehmen ein höheres Gewicht bekommt. Der anstehende demografisch bedingte Umbruch verbunden mit einem hohen lokalen Konkurrenzdruck, ließen schon früh ein notwendiges Handeln erkennen. In unmittelbarer Nachbarschaft zu den Stadtwerken gibt es zwei große Unternehmen der Automobilbranche sowie einen weiteren Energieversorger, der ein neues Ausbildungszentrum eröffnete.

Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung und weitere Maßnahmen 

Die Betriebsvereinbarung gibt es nun seit rund vier Jahren. Ob tatsächlich das Ziel erreicht wurde, die Ausbildung bei den Stadtwerken Ulm/Neu-Ulm attraktiver zu gestalten, lässt sich nicht ohne Weiteres sagen. Nach wie vor ist es schwer, die Ausbildungsplätze zu besetzen. Das liegt auch an dem Trend, dass immer mehr Schulabgänger studieren wollen, statt eine Ausbildung anzufangen. Es gibt seitdem im Unternehmen viele kleinere Veränderungen, die insgesamt die Ausbildung attraktiver machen. So wird nun nach Ausbildungsende eine zusätzliche Ausbildung gefördert. 

Außerdem besteht ein anderes Anliegen darin, die Entgeltsituation ehemaliger Auszubildender zu verbessern. Es wurde eine Stufenvorwegnahme erreicht, bei der ausgelernte Beschäftigte schneller in die Entgeltgruppe 6 eingestuft werden. 

Wir haben die unbefristete Übernahme, die ist auch gut. Die ehemaligen Auszubildenden bekommen dann aber die EG 5 Stufe 1 und da bleibt man dann zwei Jahre, bis tariflich die Stufe 2 erreicht wird. In dieser Zeit sind die Menschen sehr ungeduldig und finden möglicherweise bessere Angebote. Wir wollten die Lust am Suchen nehmen. Das geht nur über den Geldbeutel. Und da ist uns gelungen, dass sie bereits nach einem Jahr in die Entgeltgruppe 5 Stufe 2 eingruppiert werden.

Verena Pfuhl, stellvertretende Betriebsratsvorsitzende

Eine weitere Veränderung wurde im IT-Bereich durchgesetzt. Da es auf dem Markt nahezu keine IT-Fachkräfte gibt, setzt sich der Betriebsrat bereits seit längerer Zeit dafür ein, dass Fachinformatiker selbst ausgebildet werden. Um auch hier die Attraktivität der Ausbildung zu steigern, wird in naher Zukunft eine Person eingestellt, die speziell die IT-Ausbildung leitet und managt. 

Fazit: Wunsch nach weiteren Veränderungen angesichts großen Fachkräftemangels 

Der Betriebsrat zieht das Fazit, dass zwar schon viele Verbesserungen in der Ausbildung und im Betrieb eingetreten sind, dass es angesichts des absehbaren Fachkräftemangels aber weiterer kontinuierlicher Veränderungen bedarf. Er wünscht sich, dass die Attraktivität und auch die Anzahl der Ausbildungsplätze weiterhin gesteigert werden. Gleichzeitig braucht es für die Zeit nach der Ausbildung gute Beschäftigungsbedingungen für eine Bleibeperspektive. 

Im gesamten Unternehmen fehlen an vielen Stellen Fachkräfte. Besonders akut ist es derzeit im Verkehrsbetrieb. Maria Winkler ist Bezirksgeschäftsführerin bei ver.di und hat die Entwicklung hautnah miterlebt. Sie ist sich sicher, dass ohne den Einsatz des Betriebsrats der Fachkräftemangel heute deutlich größer ausfallen würde. 

Wenn der Betriebsrat das nicht so eingestielt hätte, wäre das Problem, das sie heute haben, viel, viel größer. Auf den Punkt gebracht, da hat niemand eine Lösung, wie es weitergehen soll.

Maria Winkler, Bezirksgeschäftsführerin bei ver.di

Nimm direkt Kontakt auf: claus.deyle@swu.de |  Verena.Pfuhl@swu.de |  maria.winkler@verdi.de

Noch mehr "Gute Praxis"

Es gibt viele gute betriebliche Lösungen zu aktuellen Problemen – entwickelt von und mit Betriebsräten. Wir zeigen einige und liefern Erfahrungen mit, wie neue Ideen verhandelt und kreativ umgesetzt wurden. Unsere Praxisbeispiele können Euch und Eurer Betriebsratsarbeit als Inspiration dienen. Bisher erschienen sind die folgenden Module: