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Gute Praxis

Betriebsratsarbeit in der Transformation

Einführung

Das Aufgabenprofil von Betriebsräten verändert sich spürbar. Angesichts globalisierter und sich schnell entwickelnder Märkte sind Betriebsräte angehalten, Antworten auf immer komplexer werdende Fragestellungen zu finden. Diese Komplexität wächst weiter durch die Veränderung der Arbeitswelt. Betriebsräte sind in zweifacher Hinsicht mit Digitalisierung und betrieblicher Transformation konfrontiert. Ihre Aufgabe ist es einerseits, den digitalen Umbruch zum Fortbestehen des Unternehmens mitzugestalten, um Arbeitsplätze und Standorte zu sichern und um gute Arbeitsbedingungen zu schaffen. Auf der anderen Seite verändert sich die Arbeitsorganisation der Betriebsräte selbst: Komplexität und Dichte an Themen erfordert ein hohes Fachwissen, dynamische Entwicklungen beschleunigen die Bearbeitung von Aufgaben und die Entscheidungsfindung. Gleichermaßen gilt es, den Anforderungen an rechtliche Rahmenbedingungen gerecht zu werden und die eigene Rolle als Mensch und politischer Akteur in der digitalen Transformation zu finden - zwischen Schutz und Gestaltung. Betriebsräte befinden sich in der doppelten Transformation.

Die Transformation des Mandats zeichnet sich auf drei Ebenen ab:

  • Sie vollzieht sich mit der Digitalisierung der Betriebsratsarbeit, mit der Nutzung von Tools für die Zusammenarbeit und neuen Werkzeugen für eine direktere Kommunikation mit den Beschäftigten.
  • Sie zeigt sich in der Nutzung von Elementen agiler Methoden für mehr Transparenz und einer höheren Effektivität.
  • Sie zeigt sich in der veränderten Organisation der BR-Arbeit durch u. a. mehr Projektarbeit, Partizipation und häufigere Bearbeitung von Einzelfalllösungen.

In der Folge der Organisationsentwicklung von BR-Gremien entlang der beschrieben Ebenen entwickelt sich eine strukturelle Personalpolitik auf Gremienebene. Unter den Mitgliedern findet eine organisierte Themenspezialisierung statt; die u.U. durch einen ausgearbeiteten Qualifizierungsplan vorangetrieben wird.

Die hier vorgestellten Ergebnisse stammen aus dem Projekt „Doppelte Transformation“, dass die Autorinnen im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung zwischen 2019 und 2020 durchgeführt haben.

Mitbestimmungspraxis 36 - Cover

Betriebliche Interessenvertretung in der doppelten Transformation

Einblicke in neue Gestaltungsformen betriebsrätlicher Arbeit

Mitbestimmungspraxis 36. Düsseldorf 2020 von Claudia Niewerth und Julia Massolle

Digitalisierung und die Transformation von Unternehmen stellen die Betriebsratsgremien vor großen Herausforderungen. Diese Publikation stellt sechs Unternehmensbeispiele in den Mittelpunkt und gibt erste Einblicke in Veränderungsmomente von Betriebsratsgremien in der Transformation.

Das tun Betriebsräte

Einblicke darin, wie genau diese Veränderungen aussehen, geben die nachfolgenden Betriebsräteportraits. Sie bilden ein vielfältiges Spektrum ab: von der Neugestaltung von Betriebsvereinbarungen, neuen Methoden in der Zusammenarbeit mit HR bis zur Reorganisation und Neuausrichtung der Betriebsratsarbeit. Die einzelnen Projekte in einer Zusammenfassung:

Anregungen für neue Gestaltungsformen – DB Systel GmbH

Wie kann die Unternehmenstransformation unter Wahrung der Mitbestimmungsrechte gestaltet werden? Die Mitbestimmung erfährt eine neue Gestaltungs- und Denkweise. Ausdruck dessen ist die selbstlernende Betriebsvereinbarung.

Das Unternehmen
Die DB Systel GmbH ist als Serviceanbieter in den Bereichen der Informations- und Telekommunikation aktiv. Als hundertprozentige Tochter der Deutschen Bahn AG treibt sie die digitale Transformation des Konzerns voran. An den Standorten Frankfurt, Berlin und Erfurt arbeiten 5.000 Beschäftigte.

Die Ausgangslage: die DB Systel als Netzwerkorganisation
DB Systel befindet sich inmitten eines großen Transformationsprozesses hin zu einer selbstorganisierten Netzwerkorganisation. Die Ursache dieser radikalen Entscheidung lag in der äußeren Wahrnehmung. Innerhalb des DB Konzerns wurde DB Systel nicht als Partner und Gestalter der Digitalisierung wahrgenommen. Mit der Neuausrichtung sollte sich dies ändern und damit DB Systel zukunftsfest gemacht werden. Dabei wird eine neue Welt der Arbeitsgestaltung und -organisation umgesetzt, in der Beschäftigte in selbstorganisierten, agilen Teams nach der Scrum-Methode arbeiten. Ein Team besteht dabei aus einem Agility Master, einem Product Owner und dem Umsetzungsteam. Im Mittelpunkt der neuen Arbeitsweisen stehen die agilen Grundprinzipien: Selbstorganisation, Selbststeuerung und Selbstregulierung. Dadurch wird ein komplett neues Verständnis von Führung und Partizipation erforderlich.

Was ist Scrum?

Scrum ist eine Projektmanagementmethode. Sie stammt ursprünglich aus der Softwareentwicklung. Produkte werden zyklisch unter hoher Beteiligung des Kunden entwickelt.

Hoher Mitbestimmungsanspruch und neue Gestaltungsweisen
Dass DB Systel sich grundsätzlich verändern muss, um zukünftig im DB Konzern als ein kompetenter Partner bei der Gestaltung der Digitalisierung gesehen zu werden, spiegelte sich im Meinungsbild der Betriebsrät_innen wider. Für den Gesamtbetriebsrat stand fest: diese Reorganisation wollte man nicht begleiten, sondern prägen und aktiv im Sinne der Beschäftigten gestalten.

Neugestaltung der Sozialpartnerschaft: Prinzipien und Grundannahmen
Der Betriebsrat bereitete sich selbst auf die neuen Thematiken vor, indem er sich bewusst mit ihnen auseinandersetzte und Fachwissen aufbaute: Seminare zu agilen Methoden wurden besucht, sich mit anderen Unternehmen ausgetauscht und in einer betriebsratsinternen Tagung eine eigene Positionsbestimmung durchgeführt. Dabei wurde festgelegt, welche Themen in dem Transformationsprozess eine wichtige Rollen spielen und daher ausgestaltet werden müssen. Auch organisatorisch richtete sich der Betriebsrat nach den Veränderungen aus, indem der „Trafo-Ausschuss“ gegründet wurde.

Markant für DB Systel ist: Mit der Transformation wurde nicht nur die grundsätzliche Arbeitsgestaltung und eigenständige Festlegung der Arbeitsmethoden neu ausgelegt, sondern auch die betriebliche Gestaltungs- und Aushandlungsweise zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Es lag demnach die beiderseitige Vorstellung und Überzeugung vor: Die Transformation in eine selbstorganisierte Organisation kann nur gelingen, wenn diese sozialpartnerschaftlich auf Augenhöhe und unter Nutzung flexiblerer Kommunikations- und Verhandlungsprozesse erfolgt. Mitbestimmung wurde von Beginn an anerkannt und der Betriebsrat in alle Entscheidungen eingebunden. Es werden neue Wege der Mitbestimmung und Formen der sozialpartnerschaftlichen Zusammenarbeit gegangen, die geprägt sind von einem vertrauensvollen Miteinander, einer gemeinsamen Organisationsentwicklung und der selbstlernenden Betriebsvereinbarung zur Gestaltung der Transformation. Die Gesamtbetriebsvereinbarung (GBV) „Trafo“ ist eine Rahmenvereinbarung. Sie wurde proaktiv vom Betriebsrat entwickelt und reguliert das Arbeiten in einer selbstorganisierten Arbeitswelt. Neben den grundsätzlichen Prinzipien (Selbstorganisation, -steuerung, -regulierung), der Beschreibung von Organen und Rollen der Transformation (z. B. Agility Master) sind ebenso Regelungen für den Aufbau von Teams und Beteiligungsrechte des Betriebsrates festgelegt. Das Besondere an ihr ist der iterative Anpassungsprozess. Entsprechend der Erfahrung in der Anwendung und der Entwicklungen im Unternehmen wird die GBV regelmäßig überarbeitet. Das bedeutet: Die Regelungsgegenstände der GBV Trafo sind nicht unveränderbar geregelt; sie werden bedarfsweise angepasst und ergänzt, wenn es die Situation erfordert und beide Seiten dem zustimmen. Sie besteht aus einem ständigen Lernprozess, wo Erfahrungen in wiederum neuen Veränderungen münden. Dass im Vorfeld umfängliche Regelungen für den Prozess ausgearbeitet werden, erschien nicht praktikabel. Daraus wurde die Idee der offenen, selbstlernenden Betriebsvereinbarung geboren. In der Praxis bedeutet dies, dass die Betriebsvereinbarung kontinuierlich weiterentwickelt wird.

Die GBV beinhaltet nicht jeden Fall, der eventuell in Zukunft mal auftreten kann. Sie beinhaltet den jetzigen Stand. Zukünftige Fälle, werden zukünftig erfasst.

Agility Master

Fazit
Das Beispiel von DB Systel demonstriert, wie sich Mitbestimmung unter Einfluss der Transformation verändert. Neue Wege der Mitbestimmung werden beschritten – geprägt von einer selbstlernenden Betriebsvereinbarung, einem vertrauensvollen Vorgehen bei mitbestimmungspflichtigen Prozessen und einer gemeinsamen Organisationsentwicklung.

Die selbstlernende Betriebsvereinbarung stellt eine große Veränderung in der Mitbestimmung dar.

Gesamtbetriebsratsvorsitzender

Ansprechpartner: Martin Egner und Burkhard Nobbe

Ein Agiles Manifest für den Betriebsrat – Hermes Germany GmbH

Der Betriebsrat gestaltet seine eigene Arbeitsorganisation um. In einer Positionsbestimmung schreibt der Betriebsrat ein eigenes „Agiles Manifest“ für seine Arbeitsweise. Auch im direkten Austausch mit dem Arbeitgeber und Beschäftigen werden neue Methoden ausprobiert.

Das Unternehmen
Hermes Germany ist ein weltweit tätiges Logistikunternehmen, das als Tochterunternehmen zur Otto Group gehört. Die Zentrale von Hermes Germany befindet sich in Hamburg, wo 1.200 Personen beschäftigt sind.

Die Ausgangslage: die konzernweite Transformation
Der Entschluss zur Transformation wurde 2015 im Konzern der Otto Group getroffen. Mit der Neuausrichtung soll eine höhere Kundenorientierung und Effektivität erreicht werden. Die Transformation umfasst eine Reihe von Maßnahmen und Neuausrichtungen: unter anderem werden Geschäftsfelder neu und enger an Kundenwünschen ausgerichtet und interne Strukturen besser aufeinander abgestimmt. Die Transformation der Otto Group beinhaltet zudem einen groß angelegten Kulturwandel, durch den neue Arbeits- und Verhaltensweisen forciert werden. Beschäftigte sollen zukünftig selbstbestimmt und selbstorganisiert arbeiten.

Grundsätzlich wird die neue Ausrichtung vom Betriebsrat mitgetragen. Der Betriebsrat sieht hier drin viele Chancen, gleichwohl werden die Veränderungen kritisch hinsichtlich der Auswirkungen für die Beschäftigen hinterfragt.

Integration agiler Grundhaltungen: das Agile Manifest des Betriebsrates
Der Betriebsrat setzt sich mit den Veränderungen auseinander, reflektiert seine eigene Rolle und reorganisiert sich. Vor dem Hintergrund der Unternehmensveränderungen zeigt sich der Betriebsrat nicht nur offen für agile Denkweisen und flexiblere Handlungsprinzipien, sondern integriert diese als Wertegefüge in seine Arbeit. Ausdruck dessen ist das sogenannte Agile Manifest des Betriebsrates. Als ein Prinzip ist darin z. B. festgehalten: „Verlässliche Einigungen MEHR ALS sich wiederholende Diskussionen“. Das Agile Manifest stellt den Aufbruch in der betriebsrätlichen Arbeit anschaulich dar. Zu erkennen ist, dass ein sachlicher Bezug zur Betriebsratsrolle und in den Diskussionen mit den Gesprächspartnern erreicht werden soll. Zudem werden keine starren Pläne, sondern flexiblere Ziele angestrebt.

Ebenso verändert der Betriebsrat seine Organisation: Die Dokumentation- und Kommunikation findet nun fast ausschließlich über MS Teams statt. Zwei wesentliche Vorteile werden für die Nutzung des Tools gesehen: Zum einen ist der Zugang auf MS Teams durch einen persönlichen Zugang besser geschützt als gängige E-Mail-Konten – gerade bei sensiblem Betriebsratsdaten ein wichtiges Kriterium. Zum anderen wird in dem Tool die Möglichkeit gesehen, die Kollaboration zwischen freigestellten und nichtfreigestellten Betriebsräten zu verbessern. Letztere können sich über aktuelle Geschehnisse und Entwicklungen direkt informieren. Dies ist insbesondere bei zunehmender mobiler Arbeit ein wichtiges Kriterium.

MS Teams wird auch bei der Integration der agilen Methode Kanban benutzt. Statt auf den sonst üblichen Boards werden die Kanban-Themen in MS Teams über Planer dargestellt und die verschiedenen Fortschritte des Betriebsrates und verschiedener Arbeitsgruppen digital aufbereitet.

Eine grundsätzliche organisatorische Neuaufstellung wird seit April 2015 praktiziert. Fachthemen werden mit Mandat des Gremiums in Arbeitsgruppen bearbeitet. Hierdurch wird zum einen die Arbeit und fachspezifische Verantwortung auf mehr (auch nichtfreigestellte) Betriebsratsmitglieder verteilt; zum anderen die Vorbereitung von Themen aus den Betriebsratssitzungen ausgegliedert.

Auch im direkten Austausch mit dem Arbeitgeber und den Beschäftigen werden neue Methoden und Kommunikationswege ausprobiert.

  • Es wurde ein gemeinsames Kanban-Board mit dem AG angelegt. Weiterhin finden zwei Standups pro Woche statt: am Tag vor und nach der regulären Betriebsratssitzung. In den 15-minütigen Treffen werden ausschließlich Sachinformationen ausgetauscht, auf inhaltliche Diskussionen wird verzichtet. Ergeben sich im Standup Themen, die einer tieferen Klärung bedürfen, werden gleich Gesprächstermine vereinbart.
  • Es findet häufiger direkte Kommunikation und Beteiligung statt. Zum Einsatz kommt unter anderem das Tool Mentimeter, worüber die Beschäftigten live zu bestimmten Themen abstimmen können. Neben den üblichen mehrstündigen Betriebsversammlungen gibt es nun auch 30-minütige im Standup-Format.

Fazit
Die Veränderungen der betriebsrätlichen Arbeit in der Hermes Zentrale sind vielfältig. In vier Strängen wird gezeigt, wie sich die Arbeitsgestaltung und -organisation unter Transformationsbewegungen verändern kann. Im Mittelpunkt stehen dabei eine bessere Ressourcengestaltung und Neuorientierung der Betriebsratsarbeit, mehr Beteiligung der Beschäftigten und ein gesteigerter Austausch mit der Arbeitgeberseite.

Ansprechpartner: Marc Brandt

Was ist MS Teams? Was ist ein Kanban-Board?

MS Teams (Microsoft Teams) ist eine virtuelle Plattform, die verschiedene Kommunikationsformen kombiniert, z. B. Austausch von Dateien, Terminkoordination, Videokonferenzen.

Kanban ist eine agile Methode. Ein Kanban-Board wird zum Aufgabenmanagement eingesetzt.

Agile Entwicklung einer Rahmenvereinbarung – Deutsche Telekom IT GmbH

Die Betriebsräte handeln eine Pilot-Gesamtbetriebsvereinbarung aus, in der wichtige Rahmenbedingungen zum agilen Arbeiten vereinbart sind. Doch nicht nur die Pilotvereinbarung, sondern auch die Aushandlungsweise ist besonders  ̶  denn der Betriebsrat wendet selbst neue Methoden an.

Das Unternehmen
Die Deutsche Telekom IT GmbH (DT IT) ist eine Tochtergesellschaft der Deutschen Telekom AG. Mit ihren weltweit 10.000 Beschäftigten, davon 6.300 in Deutschland, ist die DT IT als interner Dienstleister des Konzerns für alle IT-Systeme und IT-Infrastrukturleistungen verantwortlich.

Hintergrund: die Einführung von agilen Arbeitsweisen
Auch in der Deutschen Telekom IT GmbH nimmt die Arbeitsgestaltung und -organisation nach agilen Methoden zu, wodurch beim Gesamtbetriebsrat und bei ver.di der Bedarf nach einer Betriebsvereinbarung entstand. Die Einführung und Förderung von agilen Arbeitsweisen, insbesondere die Methode Scrum, werden durch Entwicklungen und Veränderungen des Marktes und Kundenerwartungen begründet.

Was ist Scrum?

Scrum ist eine Projektmanagementmethode. Sie stammt ursprünglich aus der Softwareentwicklung. Produkte werden zyklisch unter hoher Beteiligung des Kunden entwickelt.

Organisatorische Aufstellung des Betriebsrates
Um sich organisatorisch gleichwertig zum Arbeitgeber aufzustellen, wurde der Arbeitskreis Agilität gegründet. Dieser setzt sich aus 15 Mitgliedern der fünf regionalen Betriebsräte zusammen. Seine Aufgabe ist es, die Praxis um das agile Arbeiten zu beobachten, Handlungsfelder abzuleiten und Reglungskomponenten zu entwickeln. In dieser organisatorischen Aufstellung sehen die Betriebsräte einen operativen Vorteil: der Arbeitskreis setzt sich umfänglich mit dem Thema auseinander und formuliert Beschlussempfehlungen, worüber letztendlich der GBR entscheidet. Die betriebsverfassungsrechtlichen Kriterien zur Beschlussfassung müssen im Arbeitskreis nicht vorliegen, weswegen der Arbeitskreis freier und unter Anwendung neuer digitaler Methoden agieren kann.

Der Weg zur Pilot-GBV: neue Gestaltungsmomente zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber
In der Diskussion um die Notwendigkeit von Regelungserfordernissen für agile Arbeitsweisen stellen die Betriebsräte von Beginn an fest: Im Gegensatz zu Diskussionen anderer Themen war eine andere Form des Miteinanders spürbar. Seiten des Arbeitgebers und des Betriebsrates gab es nur geringe Erfahrungen im Umgang mit agilen Arbeitsweisen. Dementsprechend bestanden keine vorgefertigten Vorstellungen davon, welche Regelungsinhalte man für die Anwendung agiler Arbeitsmethoden beachten sollte.

Klar war, dass beide Seiten eine Vereinbarung wollen (…), nur der Weg dahin war beiden nicht bekannt.

Betriebsratsmitglied

Diese beidseitige Offenheit spiegelte sich in der Herangehensweise wider: Um sich gemeinsam dem Thema zu nähern und eine gemeinsame Richtung zu finden, fand auf Vorschlag des Betriebsrates ein gemeinsamer Design-Thinking-Workshop statt. Auch Expert*Innen beider Betriebsparteien und Beschäftigte nahmen an dem Workshop teil. Design-Thinking ist ebenfalls eine agile Methode und unterstützt die kreative Lösungsfindung eng an Kundenbedürfnissen orientiert. Während des Workshops gibt es keine Hierarchien, sondern alleinig die Reflexion von Problemen und Ideenfindung stehen im Mittelpunkt.

Der gemeinsame Workshop hat dazu beigetragen, dass ein gegenseitiger Perspektivenwechsel stattfindet. Am Ende war klar, dass eine Betriebsvereinbarung absolut sinnvoll ist.

Betriebsratsmitglied

In dem Workshop, und in der Beratung mit ver.di und einem Juristen, wurden wichtige Kernthemen für die Betriebsvereinbarung erarbeitet. Nach mehreren Verhandlungsrunden wurde die Pilot-Gesamtbetriebsvereinbarung (GBV) zur Einführung und Anwendung agiler Arbeitsmethoden verabschiedet. Seitens der Betriebsräte bestand das übergeordnete Ziel darin „die Beteiligungsrechte des Betriebsrates zu wahren und die notwendigen Qualifikationen für die Einführung und Anwendung agiler Arbeitsmethoden zu fördern“ (Ausschnitt aus GBV).

Transformationsmomente: eine neue Form des Miteinanders?
In dem Aushandlungsprozess zum agilen Arbeiten finden sich verschiedene neue Mitbestimmungsmomente; vorneweg der ergebnisoffene Austausch in einem Design-Thinking-Workshop. Geprägt war dieser davon, dass auf Augenhöhe Problematiken besprochen und reflektiert wurden. Im Vergleich zum sonst üblichen Aushandlungsprozess konnte dadurch Zeit gespart werden.

Das Beispiel der DT IT zeigt, dass Betriebsräte im Zuge der digitalen Transformation mit neuen Themenfelder konfrontiert werden, die es zu erschließen gilt. Mit der GBV zum agilen Arbeiten wurden erstmalig Regeln für agile Arbeitsweisen vereinbart. Der Betriebsrat nahm von Beginn an eine proaktive Rolle in der Ausverhandlung ein und hat frühzeitig Mitbestimmungsrechte in einem neuen Feld der Arbeitsgestaltung gesichert.

Fazit
Vorbereitend darauf, die Pilotvereinbarung in eine reguläre Gesamtbetriebsvereinbarung zu überführen, fand eine gemeinsame Reflexion von Betriebsrat, Arbeitgeber und den Beschäftigten statt (Retrospektive). Ziel dieser Methode war es, die Anwendung, Effektivität und Praktikabilität der Pilot-GBV kritisch zu reflektieren. Erkenntnisse hieraus werden sich in einer neuen Version der Vereinbarung widerspiegeln. Gerade weil derzeit erste Erfahrungen mit agilen Arbeitsweisen gesammelt werden, ist es umso wichtiger, dass ein regelmäßiger Dialog zwischen Betriebsräten und Arbeitgeber zur Verbesserung von Regularien stattfindet.

Ansprechpartner: Thomas Frischkorn

Agile Methoden für die Betriebsratsarbeit – enercity AG

Wie können auch in Zukunft starke Mitbestimmungsstrukturen sichergestellt werden? Der Betriebsrat hat sich mit agilen Methoden auseinandergesetzt und dabei Ideen für die eigene Arbeit entwickelt.

Das Unternehmen
enercity (Stadtwerke Hannover) versorgt in der Region Hannover rund 700.000 Menschen und bietet energienahe Dienstleistungen, wie Ladestationen für E-Mobilität an. Rund 2.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind dort beschäftigt.

Hintergrund: Transformation der Energiebranche
Die Energiebranche verändert sich rasant. Der Druck, neue Produkte und Geschäftsmodelle zu entwickeln, hat sich deutlich erhöht. Es wurde eine strategische Umorganisation ausgerufen, die unter anderem durch die Einführung einer Digitalisierungsabteilung, eines Transformationsmanagements und agiler Methoden gefördert werden soll. Um die Beschäftigten abzusichern und Vertrauen gegenüber den Veränderungen zu wecken, wurde ein Haustarifvertrag über den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen und die Betriebsvereinbarung „Jobperspektive“ abgeschlossen. Letztere greift, wenn sich Arbeitsplätze verändern oder gar wegfallen. Die Beschäftigten werden dann qualifiziert: Sie erlernen die Fähigkeiten, die es ihnen ermöglichen, eine andere Tätigkeit bei enercity auszuüben.

Vielfältige Herausforderungen für den Betriebsrat
Der Betriebsrat steht vor der gewaltigen Herausforderung die Transformation von enercity im Sinne der Beschäftigten zu gestalten. Dabei hat sich die Betriebsratsarbeit selbst gewandelt. Durch die Veränderungsgeschwindigkeit und die Auseinandersetzung mit neuen Themen der Arbeitswelt steigt die Arbeitsbelastung jedes Betriebsratsmitglieds. Stellen agile Methoden eine Möglichkeit dar, die Betriebsratsarbeit für eine bessere Zusammenarbeit zwischen Menschen und Organisationen aufzustellen?

In drei Workshops hat sich der Betriebsrat mit den agilen Methoden Scrum, Kanban und Design Thinking auseinandergesetzt und von zwei Seiten beleuchtet: Auf der einen Seite wollte das Gremium über mögliche Auswirkungen und Konsequenzen für die Beschäftigen informiert sein. Auf der anderen Seite reflektierte der Betriebsrat die Methoden hinsichtlich der eigenen Arbeitsorganisationen.

Was ist Scrum, Kanban und Design Thinking?

Scrum ist eine Projektmanagementmethode. Sie stammt ursprünglich aus der Softwareentwicklung. Produkte werden zyklisch unter hoher Beteiligung des Kunden entwickelt.

Kanban ist eine agile Methode. Ein Kanban-Board wird zum Aufgabenmanagement eingesetzt.

Design Thinking ist eine agile Methode. In einer systematischen und kreativen Herangehensweise werden Lösungen in enger Anbindung an Kundenbedürfnisse erarbeitet.

Drei Workshops zum agilen Arbeiten
Thematisch bauten die Workshops aufeinander auf: Zunächst wurde Basiswissen rund um die agilen Methoden vermittelt. Im Anschluss daran wurden Ideen für die Integration in die Betriebsratsarbeit ausgearbeitet.

Zunächst wurde sich mit den Grundwerten agiler Methoden auseinandergesetzt. Reflektiert auf die Arbeit im Betriebsratsgremium wurden fünf Werte festgelegt: Respekt, Ehrlichkeit, Selbstverpflichtung, Offenheit und Mut. Die Werte können als Leitlinien für den Umgang mit agilen Arbeitsformen verstanden werden. Weiterhin wurden Ideen für die eigene Arbeit gesammelt. Diese waren u. a.:

  • kürzere Planungszyklen
  • weniger Fokus auf Ausschüsse, sondern auf die Bearbeitung von Themen
  • agilere Kommunikation, schnellere Abstimmungswege
  • führen eines Backlogs im Betriebsausschuss

Was sich in der Betriebsratsarbeit geändert hat
An mancher Stelle konnten die Erkenntnisse der Workshops auf den Alltag übertragen werden. Zum Beispiel hat der Betriebsausschuss Daily’s eingeführt. Zur selben Uhrzeit wird täglich über zwei verschiedene Standorte hinweg virtuell über die aktuellen Geschehnisse berichtet und sich für 15 Minuten ausgetauscht. Die Kommunikation zwischen den wöchentlichen Sitzungen konnte dadurch verbessert werden. Weiterhin wird die Anwendung des Kanban-Boards ausprobiert. Auch in einem weiteren Ausschuss hat man sich neu aufgestellt. Zwischen den 14-tägigen Sitzungen findet ein weiteres, kurzes Treffen statt, in dem der Fortschritt von Aufgaben besprochen wird. Auch sind nun verantwortliche Personen den Aufgaben zugeordnet. Wo früher nur zwei Personen hauptsächlich Aufgaben übernommen haben, hat sich die Arbeitslast spürbar auf mehrere Köpfe verteilt. Die Sitzungszeit konnte deutlich reduziert werden. Weiterhin wurden neue Ausgestaltungsformen im Austausch mit dem Arbeitgeber ausprobiert. So fand ein gemeinsamer Design-Thinking-Workshop zu einer Betriebsvereinbarung statt. War der Arbeitgeber zunächst skeptisch, überzeugten die Ergebnisse und die Effizienz der Methode.

Was ist ein Daily Standup?

Ein Daily Standup ist ein Element agiler Methoden, in dem sich Teammitglieder täglich über Fortschritte und Probleme eines Projekts austauschen.

Fazit: Wichtige Erkenntnisse für die zukünftige Ausrichtung
In verschiedenen Workshops hat sich der Betriebsrat von enercity mit agilen Arbeitsmethoden auseinandergesetzt. Im Zuge einer Positionsbestimmung legten sie fest, welche Aspekte für den Schutz der Beschäftigten im Auge zu behalten sind. Die eigenen Arbeitsprozesse wurden reflektiert und der perspektivische Veränderungsbedarf erkannt. Man entwickelte Ideen dafür, welche agilen Elemente sich auf die Organisation der Betriebsratsarbeit übertragen lassen. Alleine, dass man sich Zeit genommen hatte, offen über die eigenen Strukturen nachzudenken, wurde rückblickend als sehr wertvoll beurteilt.

Wir haben uns als Gremium auf den Weg gemacht, unsere Struktur neu auszurichten, und wir haben die Herausforderungen der Transformation erkannt. Wenn es soweit sein sollte, sind wir vorbereitet und können auf viele Ideen zurückgreifen.

Martin Bühre, Betriebsratsvorsitzender

Ansprechpartner: Martin Bühre

Neuausrichtung der Betriebsratsarbeit mit §28a des BetrVG – Merck KGaA

Wie sieht die Mitbestimmungskultur der Zukunft aus? Mit der konsequenten Umsetzung des §28a restrukturiert der Betriebsrat seine Organisation und ermöglicht so die Beteiligung von Beschäftigten an der Betriebsratsarbeit.

Das Unternehmen
Die Merck KGaA ist ein Wissenschafts- und Technologieunternehmen, das unter anderem Forschung und Entwicklung von Medikamenten und Diagnoseverfahren betreibt. Am Hauptsitz in Darmstadt arbeiten 11.000 Personen.

Transformation von Merck
Große strukturelle Veränderungen gab es bei Merck seit jeher. Aktuell spiegelt sich auch hier die Entwicklung in Richtung einer digitalen Transformation wider: u. a. in veränderten Produktportfolio und Arbeitsabläufen. Hieraus ergeben sich vielfältige Handlungs- und Gestaltungserfordernisse für den Betriebsrat. Grundsätzlich sieht sich der Betriebsrat als proaktiver Gestalter. Der Prozess der digitalen Transformation erfordert eine enge Begleitung mit neuen Mitbestimmungsformen. Zur Umsetzung einer neuen Konzernstruktur und zur sozialverträglichen Gestaltung der Transformation wurde zwischen den Sozialpartnern ein Strukturtarifvertrag ausgehandelt. Dieser bildet die Grundlage zur betriebsrätlichen Anwendung des §28a BetrVG.

Hintergrund: der Wandel der Arbeitswelt und Herausforderungen für den Betriebsrat
Zu der Entscheidung den §28a BetrVG aktiv in die Betriebsratsorganisation einzubauen, haben mehrere Entwicklungen beigetragen: So hat sich die grundsätzliche Struktur durch die Gründung eines Gemeinschaftsbetriebsrat und durch die Reduzierung der Betriebsratsmandate von 45 auf 37 verändert. Zudem nahm der Betriebsrat zentrale Veränderungen seiner Arbeit und Rolle wahr. Spürbar hat die Veränderungsgeschwindigkeit, Themenanzahl und deren Komplexität zugenommen. Auch haben sich die Bedürfnisse der Beschäftigten verändert; sie sind deutlich heterogener geworden. Wie kann der Betriebsrat die Beschäftigen mit ihren vielfältigen Bedürfnissen auch weiterhin erreichen?

Die Reorganisation der Konzernstruktur wird daher vom Gemeinschaftsbetriebsrat genutzt, um sich selbst entsprechend den Umwelterfordernissen, den Beschäftigtenbedürfnissen und einer neuen Mitbestimmungskultur aufzustellen.

Vorteile und Ziele
Kern der neuen Mitbestimmungskultur ist eine direktere Beteiligung von Beschäftigten durch die Anwendung des §28a BetrVG. In der Anwendung werden verschiedene Vorteile gesehen:

  • Unterstützung des partizipativen Verständnisses der Mitbestimmung
  • Förderung des Austausches zwischen Beschäftigten und Betriebsrat
  • Ressourcen- und Kapazitätsgewinnung
  • Gewinnung von Expertenwissen
  • Gewinnung von potenziell neuen Betriebsräten

Durch die Anwendung von Paragraph 28a kann man ein Stück mehr den Wandel der Arbeitswelt gemeinsam und demokratischer mit den Beschäftigten gestalten.

Sascha Held, stellv. Betriebsratsvorsitzender

Wichtige Regelungen um die Anwendung von §28a BetrVG
Die Grundlage für die Anwendung bildet der bereits erwähnte Strukturtarifvertrag. Hierauf aufbauend wurde eine Umsetzungsvereinbarung über eine gemeinsame Strategie zur Förderung von Betriebsratsarbeit mit dem Arbeitgeber ausgehandelt. Sie formuliert als wichtigste Regelung, dass der Betriebsrat grundsätzlich Aufgaben auf Arbeitsgruppen und Ausschüsse übertragen darf. Beide dürfen aus Betriebsratsmitgliedern und Mitarbeitenden bestehen. Zudem besteht die Möglichkeit, dass alle Mitglieder der Arbeitsgruppen und Ausschüsse Weiterbildungen wahrnehmen. Vorgesetzte und HR werden vorab über die Einbindung eines Mitarbeitenden informiert. HR unterstützt das Vorgehen und den Prozess. Zur näheren Ausgestaltung der Regelungen wurden diese in die Geschäftsordnung des Betriebsrates aufgenommen.

Mit der Aushandlung der Rahmenregelungen wurde im Gremium der Beschluss gefasst, alle Ausschüsse und Themenverantwortungen als §28a BetrVG zu führen – mit Ausnahme des Betriebsausschusses. Ca. 65 sachverständige Beschäftigte sind aktiv eingebunden.

Fazit
Wie sieht die Mitbestimmungskultur der Zukunft aus? In der strukturellen Anwendung des §28a BetrVG wurde eine Lösung gesehen, wie auch zukünftig der Einfluss und die Qualität der Mitbestimmung bewahrt bleiben können. Die Betriebsräte begrüßen die flexible Gestaltungsmöglichkeit zur Zusammenstellung und Besetzung der Organe. Für die Mitarbeit werden gezielt Beschäftigte angesprochen, die über fachliche Expertise verfügen oder die Betriebsratsarbeit durch andere Fähigkeiten bereichern. Es ist gelungen reguläre Betriebsratsmitglieder zu entlasten und wichtige Ressourcen einzusparen. Den Betriebsräten ist bewusst, dass dies umgekehrt nicht dazu führen darf, dass die Beschäftigten einer Mehrarbeit ausgesetzt sind. Die Vorgesetzte sind angehalten die Arbeitsvolumen der Mitarbeitenden an die geänderten Anforderungen anzupassen. Bei Problemen werden Gespräche geführt. Die Stunden, die im Rahmen der Anwendung des §28a geleistet werden, werden auf die Kostenstelle des Betriebsrates übertragen.

Die strukturelle Anwendung des § 28a BetrVG sorgt nicht nur für eine umfangreiche Arbeits- und Aufgabenverteilung, sondern steht sinnbildlich für ein neues Verständnis der Betriebsratsarbeit und ihrer Rolle. Im Vordergrund steht dabei die Beteiligungsorientierung, die mit einer weitreichenden Demokratisierung einhergeht. Die Betriebsräte schildern, dass ein Umdenken hinsichtlich der Rolle des Betriebsrates stattgefunden hat. Der § 28a BetrVG bietet die Möglichkeit, trotz gestiegener Anforderungen den Kontakt zu den Beschäftigten nicht zu verlieren, im Gegenteil: Sie können in der Betriebsratsarbeit entscheidend mitgestalten.

Mit unserem Beispiel wollen wir anderen Betriebsräten Mut zusprechen vertrauensvoll die Beschäftigten aktiv miteinzubeziehen.

Sascha Held, stellv. Betriebsratsvorsitzender

Ansprechpartnerin: Sandra Monja Scherer

In Richtung Arbeit 2020 – Reorga­nisation im Betriebsrat der SMS group

Wie wirkt sich die digitale Transformation auf die Arbeitswelt von morgen aus? Einblicke in die SMS group verdeutlichen, wie diese Veränderungen aussehen.

Das Unternehmen
Die SMS group GmbH produziert weltweit Hütten- und Walzwerktechniken. Das Unternehmen verfügt über mehrere Standorte in Deutschland. In Hilchenbach arbeiten 1.800 Beschäftigte. Hier werden u. a. Flachwalzwerke konstruiert und produziert.

Transformation der SMS group
Die SMS group befindet sich in Mitten der digitalen Transformation: Geschäftsmodelle werden modifiziert, Service- und Digitalleistungen am Produkt ausgebaut. Zukünftig sollen vielfältige Daten und Parameter automatisch bei der Produktion erfasst werden. Eine neue Position in der Geschäftsführung wurde eigens für die Digitalisierung geschaffen; zur Verwirklichung von Digitialisierungsideen und (agilen) Entwicklung von Produkten wurde SMS digital gegründet. Für die Beschäftigten sind die Veränderungen u. a. durch neue Tools und Softwareprogramme bemerkbar.

Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber
Der Betriebsrat ist sich bewusst, dass die aktuellen Veränderungen im Unternehmen tatsächlich nur einen Bruchteil aller zukünftigen darstellen. Um einen Überblick zu erhalten und vorzubereiten nahm der Betriebsrat, gemeinsam mit dem Arbeitgeber, an dem Projekt ‚Arbeit 2020‘ der IG Metall teil. Dass über das Projekt hinaus zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber eine kooperative Auseinandersetzung zu Digitalisierung der Arbeitswelt erfolgt, wurde in einem Zukunftstarifvertrag festgehalten.

Die SMS group GmbH wird die interne Digitalisierung der Arbeitswelt unter dem Stichwort Arbeit 2020 eng mit den Betriebsräten abstimmen. Hierbei geht es um eine beteiligungsorientierte Einführung neuer Tools und Prozesse sowie um ein Hinterfragen/Optimieren bestehender.

Nr. 4, Anlage 1 zum Zukunftstarifvertrag SMS group GmbH vom 30. Juli 2018212 Zitat 14545

Auch in der alltäglichen Arbeit haben Betriebsrat und Arbeitgeber Prozesse umgestellt. Prozesse zu Mitbestimmungsverfahren nach §99 BetrVG wurden standardisiert und werden nun papierlos in digitaler Form abgewickelt. Ebenso wurde der Prozess zur Beantragung von Leiharbeit neu strukturiert und digitalisiert.

Der Betriebsrat in der Transformation
Doch nicht nur im Austausch mit dem Arbeitgeber, auch intern setzt sich der Betriebsrat mit den eigenen Strukturen auseinander. Der Betriebsrat beobachtet, dass die Anzahl und Verflechtung von Themen deutlich gestiegen sind. Ebenso fällt eine klare thematische Trennung zwischen den Ausschüssen immer schwerer. Neben einer gestiegenen Verantwortung je Mitglied ist mehr Vor- und Nacharbeit außerhalb von Sitzungen erforderlich. Ein wichtiger Gedanke war es eine Neu- und Umorganisation der Betriebsratsarbeit so zu gestalten, dass Ressourcen und Expertenwissen besser verteilt werden. Als absolut notwendig schätzt dabei der Betriebsrat den Aufbau der eigenen Weiterbildung ein.

Gab es früher ausreichend Zeit Projekte zu begleiten, merken wir heute, dass wir nicht mehr hinterherkommen.

Tobias Tigges, Betriebsratsvorsitzender

Der Betriebsrat stellt interne Prozesse und Organisation um: So findet generell unter den Mitgliedern eine deutliche Themenspezialisierung statt. Neben den üblichen Ausschüssen gibt es mehr betriebsratsinterne Projekte. Auch wurde die Struktur in Sitzungen umgestellt: Aufgaben werden klar benannt, vergeben und nachverfolgt. Ein anschauliches Beispiel dessen ist im Ausschuss Digitalisierung zu finden. Wurde früher die Einführung von neuen IT-Systemen im gesamten Ausschuss besprochen, werden heute bei Bedarf Arbeitsgruppen gegründet, die sich mit einzelnen IT-Systemen auseinandersetzen und Vorarbeiten leisten. Eine Bearbeitung in Arbeitsgruppen spart Ressourcen, dies sei insbesondere erforderlich, weil die Anzahl mitbestimmungspflichtiger Themen in diesem Bereich sehr zugenommen hat.

Auch hat sich der Betriebsrat von agilen Methoden inspirieren lassen und unterschiedliche Elemente übernommen. Unter den freigestellten Betriebsräten gibt es nun einen daily standup. Jeden Morgen wird in 15 Minuten berichtet, welche Themen bearbeitet werden, welche Termine anstehen oder wo es eventuelle Probleme gibt. Zur visuellen Unterstützung wird zusätzlich ein Kanban-Board eingesetzt. Die Betriebsratsmitglieder reflektieren für sich, dass ihre Arbeit effektiver geworden ist. Es wird deutlich mehr kommuniziert, offene Punkte können zeitnah angesprochen werden und Themen bleiben weniger liegen, wodurch Freiräume geschaffen wurden. Die Visualisierung über das Kanban-Board hilft Themen präsent zu behalten und nicht den Überblick zu verlieren.

Ausprobiert werden zudem neue Tools, wie MS-Teams. Ebenso wurde bei einem Treffen mit Außendienstmitarbeitenden Mentimeter benutzt und damit live Meinungsbilder der Mitarbeitenden abgefragt und dargestellt.

Was ist ein Daily Standup, ein Kanban-Board und MS Teams?

Ein daily standup ist ein Element agiler Methoden, in dem sich Teammitglieder täglich über Fortschritte und Probleme eines Projekts austauschen.

Kanban ist eine agile Methode. Ein Kanban-Board wird zum Aufgabenmanagement eingesetzt.

MS Teams (Microsoft Teams) ist eine virtuelle Plattform, die z. B. Austausch von Dateien, Terminkoordinationen, Videokonferenzen kombiniert, gehört zu Office 365.

Fazit
Die Betriebsratsarbeit verändert sich: Themen nehmen zu, werden komplexer und verdichten sich. Der Betriebsrat der SMS group Hilchenbach erwartet, dass dieser Trend anhält. Mit dem Ziel die eigenen Strukturen zu überarbeiten und Ressourcen besser zu verteilen, wird sich mit der eigenen Organisation auseinander gesetzt. Inspiriert von agilen Methoden wurden die eigene Arbeitsweise und auch gemeinsame Prozesse mit dem Arbeitgeber angepasst. Es findet weniger Ausschuss- und stattdessen mehr Projektarbeit statt. Der Betriebsrat ist sich sicher, dass auch zukünftig die eigene Struktur parallel mit den Unternehmensentwicklungen fortwährend überdacht werden muss – denn, dass die Themen und Herausforderungen zunehmen, ist sicher.

Ansprechpartner: Tobias Tigges

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Es gibt viele gute betriebliche Lösungen zu aktuellen Problemen – entwickelt von und mit Betriebsräten. Wir zeigen einige und liefern Erfahrungen mit, wie neue Ideen verhandelt und kreativ umgesetzt wurden. Unsere Praxisbeispiele können Euch und Eurer Betriebsratsarbeit als Inspiration dienen. Bisher erschienen sind die folgenden Module: