Menschenrechtliche Sorgfaltspflichten
Lieferkettengesetz reicht nicht aus
Das nun beschlossene neue Lieferkettengesetz ist ein wichtiger Schritt hin zu weltweit fairen Arbeitsbedingungen. Es geht aber nicht weit genug. Bestenfalls ergänzt es die bestehenden Initiativen von Gewerkschaften und nichtstaatlichen Organisationen.
Unternehmen sollten grundlegende Arbeitnehmer- und Menschenrechte garantieren – nicht nur im eigenen Land, sondern überall, wo sie produzieren lassen. Nur wie lässt sich erreichen, dass sie ihrer Verantwortung gerecht werden?
Das neue Lieferkettengesetz könnte dabei helfen, bestehende Lücken im Bereich der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten von Unternehmen entlang ihrer Lieferkette zu schließen. Es soll deutsche Unternehmen dazu verpflichten, für die Einhaltung der Menschenrechte in den Produktionsstätten entlang ihrer Lieferkette geradezustehen. Bei Verstößen drohen Bußgelder und der Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen. Wichtige Eckpunkte sind jedoch kritisch zu sehen:
- Erstens soll das Gesetz ab 2024 nur für Konzerne mit mehr als 1.000 Arbeitnehmer gelten – und damit in deutlich weniger Unternehmen als im ursprünglichen Gesetzentwurf vorgesehen. Bei Einführung des Gesetzes 2023 gilt sogar eine Schwelle von 3.000 Arbeitnehmern.
- Zweitens gilt die volle Sorgfaltspflicht nur für ihre unmittelbaren Zulieferer und nicht die gesamte Lieferkette.
- Drittens müssen die Unternehmen nicht zivilrechtlich haften, wie ursprünglich vorgesehen.
Immerhin sollen künftig Hilfsorganisationen und Gewerkschaften gegen Missstände klagen dürfen – bisher konnten das nur die Geschädigten selbst. Sie können jedoch nur für die Geschädigten klagen, die rechtliche Ausgangslage für Schadensersatzklagen verbessert sich auch durch das kollektive Klagerecht also nicht. Angesichts der Einschränkungen wird offenbar: Für sich genommen reicht das Lieferkettengesetz nicht aus.
Über dieses Gesetz hinaus existieren schon länger weitere Instrumente, unter anderem globale Vereinbarungen mit Gewerkschaften und grenzüberschreitende Möglichkeiten der Mitbestimmung, die zu einer umfassenden Umsetzung der Vorgaben des Lieferkettengesetzes unerlässlich sind.
Oliver Emons, Barbara Fulda, Ernesto Klengel, Marc Schietinger: Soziale Standards in Lieferketten
Ein Überblick über Instrumente und Ansätze
Forschungsförderung Working Paper Nr. 207, März 2021
Sie reichen von
- unverbindlichen Selbstverpflichtungen,
- unternehmens- oder branchenweiten Standards,
- Überprüfungen durch privatrechtliche Vereinigungen,
- gesetzliche Berichtspflichten
- bis hin zu völkerrechtlichen Prinzipien.
Diese bereits bekannten Instrumente – etwa die von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) aufgestellten Normen oder CSR-Kodizes – werden also durch ein Lieferkettengesetz nicht überflüssig. Vielmehr müssten sie weiter gestärkt werden.
Eine wichtige Rolle spielen weiterhin sogenannte Globale Rahmenvereinbarungen, die Gewerkschaften mit multinationalen Konzernen aushandeln – denn sie gehen in vielen Punkten über gesetzliche Standards und auch über menschenrechtliche Sorgfaltspflichten hinaus. Sie beziehen gewählte Arbeitnehmervertreter ein, etablieren Solidarität und Austausch zwischen den Produktionsstandorten in sehr unterschiedlichen Staaten und unterbinden so auch einen wirtschaftlichen Wettbewerb um die niedrigsten Sozialstandards. Der Schutz von Mitbestimmungsrechten der Beschäftigten in Staaten, in denen die Zulieferbetriebe tätig sind, sowie weitreichende Rechte von Gewerkschaften auf Konzernebene sind die wirkungsvollste Gewähr für die Einhaltung sozialer Standards in den Lieferketten.