Projekt zur sozial-ökologischen Transformation
Erfolgreiche Transformation durch Mitbestimmung
Der Wandel in den Mobilitätsunternehmen kann nur gelingen, wenn die Interessenvertreter/innen der Beschäftigten sie aktiv mitgestalten und die Beschäftigten in den Umbauprozess einbezogen werden. Wir zeigen sieben Handlungsfelder.
Der Prozess der sozial-ökologischen Transformation im Mobilitätsbereich ist in vollem Gange. Auf gesellschaftlicher Ebene führen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und die anstehende Regierungsbildung zu einer zunehmend intensiven Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex. An diesem Aufwind gilt es auch die Betriebe und die Beschäftigten teilhaben zu lassen.
„Die Rolle der betrieblichen Mitbestimmungsakteure in der sozial-ökologischen Transformation von Mobilitätsunternehmen“
Das Projekt der Hans-Böckler-Stiftung wird von der Evoco GmbH durchgeführt. Es untersucht die Einflussmöglichkeiten von Betriebs-/Personalräten sowie anderen Beschäftigtenvertreterinnen und -vertretern im Transformationsprozess.
Nach über 100 Interviews auf betrieblicher Ebene und mit ausgewählten Expertinnen und Experten zum Thema „sozial-ökologische Transformation“ folgen die Start-Workshops in den Projektbetrieben. In ihnen werden konkrete Schritte der einzelnen Betriebe erarbeitet. Unterstützt wird das Gesamtprojekt durch regelmäßige Workshops des Beirats. (Digitale) Treffen dazu fanden zuletzt im Juni, August und November 2021 statt.
Erste Erkenntnisse und nächste Schritte
- Nachhaltigkeitsstrategie und Weiterentwicklung des Unternehmens
Es fehlen Verantwortliche für Nachhaltigkeitsthemen der Betriebsratsarbeit wie erneuerbare Energien, Dachbegrünung, E-Lade-Stationen.
> Verantwortliche finden und Rolle klären
Im Betriebs-/Personalrat überwiegt kurzfristiges Denken (bis zur nächsten Wahl). Strategisch wichtige Themen geraten schnell aus dem Fokus.
> strategische Workshops zum Thema durchführen - Konkrete Umsetzung von Nachhaltigkeit, Klima- und Umweltschutz im Unternehmen
Nachhaltigkeit ist ein Schlüsselthema, das viele unterschiedliche Prozesse fördert. Die Vernetzung mit anderen Themen, hier v. a. Arbeits- und Gesundheitsschutz, wird zu wenig gesehen.
> Sensibilisierung für das Thema durch Qualifikation der Betriebsräte - Individuelle und kollektive Interessenvertretung
Es gibt kaum Betriebsvereinbarungen, die sich konkret der Auswirkungen der sozial-ökologischen Transformation annehmen.
> Austausch, Anregungen zu möglichen Vereinbarungen fördern, z. B. auf Austauschtreffen der Betriebe - Kommunikation und Beteiligung
Vertrauensleute werden bislang sehr wenig zum Thema geschult oder vernetzt.
> entsprechende Schulungen organisieren
Neue Medien zur Vermittlung (z. B. Podcasts, Erklärfilme, mobile Ausstellung) werden wenig genutzt.
> neue Medien einsetzen und Erfahrungen damit sammeln - Zusammenarbeit, Organisation im Betriebsrat und Interessenvertretung
Für das Thema sozial-ökologischer Umbau sind keine Ressourcen im Betriebsrat vorhanden.
> klären, wer das Thema in welcher Struktur bearbeiten soll - Qualifizierung, Personalentwicklung und -gewinnung
Im Gremium fehlen Expertinnen und Experten.
> Qualifikationsmatrix um Nachhaltigkeitsthemen erweitern - Vernetzung (Gewerkschaft/Ökosystem)
Betriebsrat und Gewerkschaft sind nicht ausreichend mit regionalen Playern (z. B. potenziellen Energielieferanten) vernetzt.
> Betriebsratsnetzwerk intensivieren
Transformation gelingt nur mit einer Einbeziehung der Beschäftigten
Der sozial-ökologische Umbau in den Unternehmen ist äußerst komplex. Nur indem man Ideen und Engagement der Mitarbeitenden einbezieht, kann er erfolgreich durchgeführt werden. Eine Diskussion mit der Belegschaft zu diesem Thema wird jedoch – wenn überhaupt – meist von der Unternehmensführung top-down, also von oben nach unten, durchgeführt. Betriebs-/ Personalräte und Beschäftigte werden nicht ausreichend mitgenommen. Oft sehen sie für sich noch keine Möglichkeit, aktiv einzugreifen.
Beispiel Berliner Verkehrsbetriebe (BVG)
Bei der Umstellung der BVG von Diesel- auf Elektrobusse tauchen viele Probleme auf, auch weil die neuen Produkte noch nicht ausgereift sind. Sie sind nur zu lösen, wenn die Mitarbeitenden in den Werkstätten ihr umfangreiches Knowhow und ihren Erfahrungsschatz in die Lösungssuche einbringen. Es bedarf einer offenen Debatte mit den Beschäftigten zu der Frage: Wie kann Klimaneutralität erreicht werden? Alle Argumente müssen gehört und ernst genommen werden. Zudem gilt es, Zahlen, Fakten und technische Lösungen mit einer Wertedebatte zu verknüpfen.
Gegenwärtig zeigt sich: Beschäftigte, Interessenvertreterinnen und -vertreter können sich durchaus für die neuen Technologien in Soft- und Hardware begeistern. Doch Druck aus der Politik sowie Herausforderungen und Schwierigkeiten in der praktischen Umsetzung führen mitunter dazu, dass das folgende Gefühl entsteht: Umgesetzt wird lediglich, was von der Politik beschlossen wurde. Dieser Diskrepanz kann nur begegnet werden, indem die Mitbestimmungsakteure – vor allem die direkt von der Transformation betroffenen – früh- bzw. rechtzeitig über den Prozess informiert werden und ihn mitgestalten können.
Beispiel Volkswagenwerk Salzgitter (VW Salzgitter)
VW Salzgitter ist aktuell weltweites Kompetenzzentrum des VW Konzerns für die Batteriefertigung. Hier liegt der Fokus der Transformation des Werkes – von der Verbrennungsmotorenproduktion zur Batterieentwicklung und Fertigung – in erster Linie auf der Beschäftigungssicherung. Doch auch Aktivitäten in den Bereichen Umweltschutz und Nachhaltigkeit führt der Betriebsrat schon länger durch. Er forderte bereits frühzeitig eine Batterieproduktion am Standort. Dies wurde zunächst von der Unternehmensleitung abgelehnt, später jedoch aufgenommen, nachdem deutlich wurde: Die Batterie ist bei der Elektromobilität ein Kernbestandteil der Wertschöpfung, der nicht den Zulieferern überlassen werden sollte.
Die aktuellen Forderungen zum Klimawandel der jungen Generation sind von „Fridays for Future“ geprägt. Gewerkschaften und Betriebsräte stehen vor der Herausforderung, nicht als „die mit den alten Konzepten“ zu gelten, sondern sich als Ansprechpartnerinnen und -partner für die Themen von Morgen zu positionieren.