Impulspapier: Übergang in die Kreislaufwirtschaft
Chancen für Gute Arbeit nutzen
Bei der Aurubis AG sind nachhaltiges Handeln und Wirtschaften fest in die Unternehmenskultur eingebettet. Dies umfasst auch die Kreislaufwirtschaft und damit den effizienten Umgang mit natürlichen Ressourcen. In einem Impulspapier für die Betriebsratsarbeit werden die Chancen und Risiken, die sich daraus vor allem durch entsprechende Prozessveränderungen für die Beschäftigten, die Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen ergeben, beleuchtet.
Anlass für das Projekt
Metalle wie Kupfer sind auf den Weltmärkten gefragt. Sie sind die Basis für die Energiewende und die „grüne“ Transformation der Wirtschaft. Alles, was elektrifiziert wird, benötigt heute Kupfer. Der steigende Bedarf nach diesem, aber auch anderen Metallen wie Gold, Silber, Zinn oder Zink ist ein wichtiger Treiber, warum Aurubis seine Prozesse und Verfahren fortwährend weiterentwickelt.
Der Konzern ist ein führender Multimetallproduzent und einer der größten Kupferrecycler der Welt mit Sitz in Hamburg. Um kontinuierlich effizienter zu werden, geht Aurubis verstärkt dazu über, wichtige natürliche Ressourcen im Kreislauf zu halten. Rückenwind für weitere Innovationen und nachhaltige Kreislaufsysteme erhält das Unternehmen durch Regulierungen insbesondere auf europäischer Ebene, wie der Critical Raw Materials Act.
Kreislaufwirtschaft ist auch ein wesentlicher Baustein des europäischen „Green Deal“. Europa hat sich das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu werden. Wirtschaft und Industrie werden dabei als wichtiger Teil der Lösung betrachtet, um den Weg weg von einer linearen Wirtschaft hin zu einer zirkulären Zukunft zu beschreiten, bei der Wiederverwendung, Reparatur und Recycling im Fokus stehen.
Auf diesem Weg ist Aurubis bereits weit fortgeschritten. Insbesondere das wertvoll gewonnene Primärkupfer soll möglichst lange im Kreislauf gehalten werden. Kreislaufwirtschaft ist deshalb fester Teil des Selbstverständnisses. Auch für die Beschäftigten ist das Thema ein attraktives Argument für die Arbeitgeberauswahl. Die Kampagne für die Arbeitgebermarke bringt dies auf den Punkt: „YOU are our most valuable element in closing the loop to a circular economy“.
Seit vielen Jahren ist das Recyclinggeschäft bei Aurubis bereits ein wichtiger Pfeiler seiner Wachstumsstrategie – auch am Standort Hamburg. Dieser Bereich soll nun weiter optimiert und ausgebaut werden – und zwar über das Recycling von Kupfer, das schon lange stattfindet, hinaus. Dabei investiert das Unternehmen konsequent sowohl in das Recycling als auch in den Primärbereich. Es will Kreisläufe schließen und damit den Rückgriff auf bereits recyceltes Material deutlich steigern. So werden beispielsweise Produktionsabfälle in der Kupferdrahtproduktion verschiedener Industrien – insbesondere in der Automobilindustrie – zurückgenommen, um sie recycelt einem neuen Nutzungskreislauf zuzuführen.
Gleichzeitig arbeitet Aurubis an einer Reihe von Dekarbonisierungs-Projekten, um den CO2-Ausstoß massiv zu senken. Unter anderem tauscht der Multimetall-Anbieter seine Anodenöfen, eine zentrale Technologie in der Kupferraffination, gegen neue, innovative Öfen aus, die „H2-ready“ sind. Diese können anstelle von Erdgas – wie bisher – auch Wasserstoff als Energieträger einsetzen. Damit fällt statt Kohlendioxid lediglich Wasserdampf als Nebenprodukt an. Daneben schafft das Unternehmen die technischen Voraussetzungen, um CO2-freie Industriewärme – die in einem Nebenprozess der Kupferproduktion entsteht – in das Hamburger Fernwärmenetz abzugeben. Damit spart das Unternehmen jährlich bis zu 120.000 Tonnen CO2 allein in der Stadt Hamburg ein. Auf dem Hamburger Betriebsgelände wird zudem eine neue Demo-Anlage für Batterierecycling entstehen.
Deniz Filiz Acar, Betriebsratsvorsitzende Aurubis AG HamburgAurubis will künftig keinerlei Metallverluste mehr hinnehmen. Das Unternehmen möchte ein verantwortungsvoller und attraktiver Arbeitgeber bleiben. Deshalb unterstützen wir seine Nachhaltigkeitsstrategie.
Wie sich diese Transformation auf die Arbeitsprozesse und damit auch auf die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten und die Mitbestimmung auswirkt, ist bislang kaum erforscht. Dass sieFolgen haben wird, steht für den Betriebsrat bei der Aurubis AG jedoch außer Frage. Welche das sein könnten, darüber tauscht er sich regelmäßig mit der örtlichen IG BCE aus. Diese schlug 2023 vor, das Thema in einem gemeinsamen Projekt bei der HBS im Rahmen der Förderlinie Transformation anzugehen. Im Fokus sollte die Suche nach Impulsen für die Betriebsratsarbeit stehen, die sich aus den Entwicklungen der Kreislaufwirtschaft ergeben.
Zentrales Anliegen
Das Projekt startete Anfang September 2023 in Kooperation mit Dr. Judith Beile (Projektleiterin) von der Beratungsgesellschaft wmp consult Wilke-Maack GmbH, Hamburg. Zunächst ging es darum, das Thema Kreislaufwirtschaft theoretisch und eher allgemein, branchenübergreifend, zu erfassen und die Folgen dieser Art zu produzieren auf Marktchancen, Beschäftigung und Qualifikationen abzuschätzen. Dazu sichtete das Projektteam einschlägige wissenschaftliche Literatur und führte Interviews mit Expert*innen aus Gewerkschaften, Umwelt- und Wirtschaftsforschungsinstituten, Wirtschaftsverbänden und Bildungseinrichtungen.
Ein Zwischenergebnis, das nach erfolgter Literaturrecherche und den ersten qualitativen Interviews auf einem Workshop präsentiert wurde, lautete: Die Recyclingstrategie von Aurubis hat sich seit den 1980er-Jahren am Standort Hamburg vor allem qualitativ ausgewirkt, das heißt: primär auf die Arbeitsbedingungen und kaum auf die Anzahl der Beschäftigten. Das Projektteam geht davon aus, dass sich diese Entwicklung beim weiteren Ausbau der Kreislaufwirtschaft fortsetzen wird, da diese Produktionsform als relativ beschäftigungsintensiv gilt.
Die Expert*innen erwarten allerdings überwiegend eine Aufsplittung bisher erforderlicher Kompetenzen in hochqualifizierte Facharbeit einerseits und weniger qualifizierte Arbeit infolge von Automatisierungs- und Digitalisierungsprozessen andererseits. Sie gehen davon aus, dass der mit der Transformation verbundene Bau neuer Recyclingaggregate und die Optimierung der bestehenden Recyclingprozesse weiterhin einen erhöhten Bedarf an hochqualifizierten Fachkräften (Ingenieur*innen, Automatisierungstechniker*innen, Einkäufer*innen für den Aufbau) nach sich ziehen wird. Gleichzeitig aber könnten durch die fortschreitende Digitalisierung aller Prozesse im Unternehmen und infolge eines höheren Automatisierungsgrads in der Produktion qualifizierte Tätigkeiten entwertet werden und langfristig womöglich nach und nach wegfallen – und damit deutliche quantitative Folgen haben. Dennoch: Im Fall von Aurubis kann angenommen werden, dass der Ausbau der Kreislaufwirtschaft eher zu mehr als zu weniger Beschäftigung führen dürfte. Gesicherte Prognosen dazu gibt es allerdings bisher nicht.
In weiteren Gesprächen und Workshops mit betrieblichen Expert*innen (Betriebsratsmitgliedern, Nachhaltigkeitsbeauftragten, Führungskräften aus dem Personalwesen und anderen Abteilungen, einzelnen Fachkräften) wurde deutlich, dass sich Aurubis bei der Personalentwicklung, beim Recruiting von Fach- und Nachwuchskräften und bei der beruflichen Bildung bereits auf diese langfristigen und für die Beschäftigten folgenreichen Veränderungen vorbereitet. Dasselbe gilt für den Betriebsrat, der sich seit einigen Jahren – insbesondere im Zusammenhang mit der Digitalisierung und Automatisierung von immer mehr Unternehmensfunktionen – verstärkt unter anderem mit den Themen Qualifizierung und Ausbildung befasst.
Weiterbildung als Kernaufgabe
Das Projekt fand seinen Abschluss in einem Impulspapier, in das das Projektteam seine Erkenntnisse aus der Literaturrecherche, den Workshops und Einzelgesprächen in Form von Handlungsempfehlungen einfließen ließ. Diese wurden den beteiligten Aurubis-Mitarbeiter*innen und Betriebsräten auf einem Abschlussworkshop Ende Mai 2024 vorgestellt.
Darin gibt das Projektteam dem Betriebsrat mit auf den Weg, Weiterbildung als Kernaufgabe zu betrachten, um die Beschäftigten fit zu machen, diesen komplexen transformatorischen Wandel mitzutragen. Qualifizierungsmaßnahmen sollten daher bereits bei der Budgetplanung von neuen Projekten konsequent mit „eingepreist“ werden. Das Team empfiehlt überdies Entwicklungsprogramme speziell für Tarifbeschäftigte im technisch-gewerblichen Bereich – sowohl im Themenfeld Digitalisierung als auch bezüglich Aspekten der Nachhaltigkeit –, da diese bislang kaum angeboten werden.
Den Ausbau der Kreislaufwirtschaft als wichtigen Teil der Nachhaltigkeitsstrategie der Aurubis AG, mit dem das Unternehmen sein etabliertes Geschäftsmodell ergänzen und die nachhaltige Kupferproduktion fördern möchte, sollten Mitbestimmungsakteur*innen aus Sicht des Projektteams nicht als einen rein wirtschaftlichen und ökologischen Veränderungsprozess, sondern vor allem als sozialen begreifen. Es gehe darum, so Dr. Judith Beile, den Blick auf die Unternehmenskultur als Ganze richten und diese neu zu orientieren: Wie sehr unterstützt sie Innovationen und Initiativen auch vonseiten der Beschäftigten? Wie offen zeigt sie sich für deren Ideen? Fördert sie sichere Jobs, die Tarifbindung, flexible Arbeitszeiten, mobiles Arbeiten und gesundheitsorientierte Schichtarbeit? Erlaubt sie flache Hierarchien und eine attraktivere Ausstattung von Sozialarbeitsplätzen? Stärkt sie ein innovationsfreundliches, auf Fairness und Respekt im Umgang mit den Beschäftigten basierendes Betriebsklima, die Kreativität der Mitarbeiter*innen und deren Einbindung – aufgrund ihres spezifischen Know-hows über interne Prozesse, aber auch aus emanzipatorischen Gründen – in das Transformationsgeschehen? Ebenfalls wichtig sei, ökologisch-soziale Nachhaltigkeit als Markenkern von Aurubis stärker als bisher im Führungskräfteleitbild und Anforderungsprofil von Führungskräften zu verankern.
Dr. Judith Beile, ProjektleiterinBei der Mitgestaltung unternehmerischer Nachhaltigkeitsvorhaben sollten Betriebsräte den Blick nicht nur auf ökonomische (wettbewerbsrelevante) und ökologische, sondern insbesondere auch auf die sozialen Aspekte und damit auf die Unternehmenskultur als Ganze richten.
Eine weitere Empfehlung des Projektteams lautet: Das Betriebliche Vorschlagswesen (Ideenmanagement) noch intensiver in der Belegschaft zu kommunizieren und weiter auszubauen. Anerkennend stellt es fest, dass bei Aurubis Ideen, die tatsächlichen ökologischen Fortschritt bewirken und nicht nur Kosteneinsparungen mit sich bringen, bereits attraktiv prämiert werden. Dieses Instrument gelte es weiterzuentwickeln, um auf breiter Ebene ein gutes Innovationsklima zu schaffen, das die Beschäftigten motiviert und es ihnen erleichtert, eigene Ideen und Initiativen einzubringen und hierdurch zusätzliche Wertschätzung zu erfahren.
Nicht zuletzt plädiert es dafür, den Betriebsrat verstärkt in die Nachhaltigkeitsberichterstattung – wie es der Entwurf der europäischen CSRD-Richtlinie verlangt – einzubeziehen. Er könnte dadurch die Perspektive und Erfahrungen der Beschäftigten dauerhaft in die Weiterentwicklung und Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie einbringen und insbesondere beim Fortschritts-Monitoring konsequent auf Aspekte sozialer Gerechtigkeit und die Einhaltung von Umwelt- und Menschenrechten achten. Für eine solche Beteiligung des Betriebsrats brauche es allerdings entsprechende Strukturen, die bei Aurubis noch zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber ausgehandelt werden müssten.
Ansprechpersonen des Projektes
Projektleiterin:
Dr. Judith Beile, Geschäftsführerin bei wmp consult – Wilke Maack GmbH
Weitere Kooperationspartner:
Deniz Filiz Acar, Betriebsratsvorsitzende Aurubis AG Hamburg
Jan Koltze, Bezirksleiter IG BCE Hamburg/Harburg
Förderlinie Transformation
Digitale Transformation, Klimawandel, Energiekosten - Es gibt viele Treiber von Transformationsprozessen. Folgen für die Arbeitswelt sind u.a. ein hoher Veränderungsdruck auf allen Seiten, in Betrieben, Branchen und Regionen. Im Zentrum der neuen Förderlinie Transformation steht daher: Wir entwickeln sehr konkrete Projekte gemeinsam mit Praxispartner*innen und etablieren eine schnelle Entscheidungsfindung über die Förderung. Wir bringen konkrete aktuelle Herausforderungen in der Praxis von Betriebs- und Personalräten mitbestimmter Unternehmen und Organisationen mit wissenschaftlicher Expertise zusammen – betrieblich, regional, lösungsorientiert.