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Bundestagsanhörung

Durchwachsenes Bild für die Mitbestimmung

In einer Anhörung zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie setzt sich I.M.U.-Experte Dr. Sebastian Sick als Sachverständiger im Bundestag für die Mitbestimmung ein. Die Gefahr von neuen Schlupflöchern für die Unternehmensmitbestimmung besteht jedoch weiterhin.

Jan Grüneberg (IGBCE) für den Deutschen Gewerkschaftsbund und Dr. Sebastian Sick haben am 7. November 2022 als Sachverständige im Deutschen Bundestag anlässlich des neuen Gesetzesentwurfes „zur Umsetzung der Bestimmungen der Umwandlungsrichtlinie über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitenden Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen“ ausgesagt. Dieser Entwurf soll eine EU-Richtlinie umsetzen, die grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen regelt.

Für Gesellschaften deutscher Rechtsform, die aus einem grenzüberschreitenden Formwechsel oder einer grenzüberschreitenden Spaltung hervorgehen, werden demnach – ähnlich wie bei der Gründung einer Europäischen Aktiengesellschaft (SE) – Verhandlungen über die Mitbestimmung im Aufsichtsrat erforderlich, wenn eine der beteiligten Gesellschaften so viele Arbeitnehmer*innen beschäftigt, dass mindestens vier Fünftel des Schwellenwertes erfüllt sind, der die Unternehmensmitbestimmung im EU-Staat des Wegzugs auslöst. Diese „Vier-Fünftel-Regelung“ ist laut Grüneberg insofern positiv als sie zumindest das Problem der vorbeugenden Mitbestimmungsvermeidung anerkennt. In der Praxis hilft die neue Regelegung aber wenig gegen Mitbestimmungsvermeidung. Er sieht daher trotzdem noch ein „hohes Gefahrenpotenzial“ was mögliche missbräuchliche Umgehungen von Mitbestimmung angeht. Der Gesetzesentwurf erfüllt zudem noch nicht alle vereinbarten Regelungen in Bezug auf den Schutz der Mitbestimmung.

Vier von fünf Europäischen Gesellschaften (SE) haben keine paritätische Mitbestimmung

I.M.U.-Rechtsexperte Sick weist darauf hin, dass sich im Jahr 2020 mindestens 307 Unternehmen mit jeweils mehr als 2000 Beschäftigten der paritätischen Mitbestimmung im Aufsichtsrat entzogen oder deren Anwendung gesetzwidrig ignoriert haben. 194 Unternehmen haben legale Konstruktionen zur Mitbestimmungsvermeidung gewählt, so zum Beispiel Stiftungen oder GmbH & Co. KG. Vier von fünf Europäischen Gesellschaften (SE) haben keine paritätische Mitbestimmung. 113 weitere Unternehmen haben die Mitbestimmung rechtswidrig ignoriert.

Die Vorschriften setzen die EU-Richtlinie für den Zuzug ausländischer Unternehmen nach Deutschland grundsätzlich positiv um. Erstmals wurde auch ein zaghafter noch unzureichender Ansatz eingefügt, der den Missbrauch durch Einfrieren eines niedrigen oder keines Mitbestimmungsstatus zum Zeitpunkt der Verhandlung dadurch erschweren soll, dass ein nachträgliches Anwachsen von Arbeitnehmerzahlen Berücksichtung finden kann. Aber weiterhin wird die Mitbestimmungsvermeidung nicht abgestellt, wie es Ziel des Koalitionsvertrags ist.

Problematischer ist allerdings der Gesetzentwurf, der die EU-Richtlinie für die Fälle des Wegzugs von Unternehmen aus Deutschland heraus (Herausumwandlung) umsetzt. Hier sind für den Missbrauchsschutz die Registergerichte zuständig. Allerdings werden ihnen keine ausreichenden Möglichkeiten an die Hand gegeben, gegen Missbrauch zur Mitbestimmungsumgehung vorzugehen. In der parallelen Anhörung zu diesem Gesetzesteil hat Rainald Thannisch die Kritik und die Forderungen des DGB vorgetragen.

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