Handlungsmöglichkeiten für Betriebsräte
Keine Probleme mehr mit Werkverträgen?
Es ist eigentümlich still geworden um das Thema Werkverträge. Ihr Missbrauch ist aber weiterhin betriebliche Realität, v.a. wo es keine tariflichen oder betrieblichen Regeln gibt. 4 Böckler-Publikationen geben Einblicke in die Praxis und zeigen, wie Betriebsräte hier gestalten können.
Öffentlich wird derzeit wenig über Werkverträge diskutiert. Scheinbar hat man in der deutschen Wirtschaft das zentrale Managementproblem der Abgrenzung zur Leiharbeit einigermaßen im Griff. Auch skandalisierbare Arbeitsbedingungen wie etwa im Schiffbau oder der Fleischwirtschaft scheinen der Vergangenheit anzugehören. Die Beruhigung der Debatte ist auch auf betriebliche Regulierungen, Tarifverträge und andere gewerkschaftliche und betriebspolitische Einflussebenen zurückzuführen. In vielen Fällen existiert bereits eine langjährige „Gute Praxis“ und es ist eine Art „Regelbetrieb“ entstanden. So ist beispielsweise der Haustarifvertrag bei der Meyer Werft bereits verlängert worden. Man könnte fast sagen, es ist ein eigenständiger und mitbestimmter Managementbereich entstanden, z.B. in der deutschen Stahlindustrie (zum Beitrag: "Make or Buy? Partnerfirmenmanagement als Prozess“).
Die Nutzung von Werk- und Dienstverträgen bleibt problematisch
Sind die Probleme damit gelöst? Keineswegs: Zwar verfügen Mitbestimmungspraktiker mittlerweile über verbesserte Instrumente. Doch sind Politik, Tarifparteien und auch die betriebliche Regelungspraxis noch weit davon entfernt, das Problem im Griff zu haben. So heißt es in einem auf dem 24. Gewerkschaftstag der IG Metall angenommenen Antrag: „Trotz der gewerkschaftlichen Fortschritte beim Abschluss von Tarifverträgen sowie des Engagements von Betriebsräten konnte diese Entwicklung [Missbrauch von Werkverträgen] nicht gestoppt werden.“ Nicht zuletzt das seit dem 23.11.2019 geltende „Paketboten-Schutz-Gesetz“ zeigt, dass die Nutzung von Werk- und Dienstverträgen weiterhin problematisch bleibt. Allzu oft werden Werkverträge weiterhin eingesetzt, um systematisch Tarifverträge sowie betriebliche Mitbestimmung zu umgehen und Sozialversicherungsbeiträge zu unterschlagen. So werden sie zum Ursprung von Dumpinglöhnen und prekären Lebensverhältnissen. In dem oben zitierten Antrag beim IG Metall Gewerkschaftstag heißt es weiter: „Auch die durch den Gesetzgeber beschlossenen Gesetzes-Veränderungen (zum Beispiel § 80 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz) haben keine nennenswerte Veränderung dieser Entwicklung gebracht.“
Zwar ist die öffentliche Debatte aktuell weniger hitzig als beispielsweise vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zu Leiharbeit und Werkverträgen (zum Beitrag: "Fremdvergabe fair regeln“). Glücklicherweise ist das Thema aber nicht vollständig von den betriebs-bzw. gewerkschaftspolitischen Agenden verschwunden. So hat sich beispielsweise der Vorstand der IG Metall auf dem 24. Gewerkschaftstag im Oktober 2019 in Folge des oben zitierten Antrages folgende Ziele gesetzt:
- sich dafür einzusetzen, dass der Gesetzgeber die Mitbestimmung des Betriebsrates bei Werkverträgen einführt (zum Beispiel durch Ergänzung von § 99 BetrVG);
- beim Gesetzgeber darauf hinzuwirken, dass bei Scheinwerkverträgen eine Umkehr der Beweis- und Darlegungspflicht erfolgt;
- dass das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“ bei entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern realisiert wird;
- die Forderung nach Ausbau und personeller Verstärkung der für die Überwachung zuständigen Stellen (Zoll, Gewerbeaufsicht und weitere) offensiv zu vertreten,
- die Kampagne „Arbeit - sicher und fair“ fortzuführen und unterstützend die Aktivitäten zur gewerkschaftlichen Erschließung dieser Bereiche zu verstärken.
Auch die Wissenschaft hat das Problem nicht zu den Akten gelegt. So hat ein von der Böckler-Stiftung gefördertes Projekt in den vergangenen drei Jahren wertvolles Handlungswissen zum Umgang mit Werkverträgen zusammengetragen:
Eine Praxishilfe für Betriebsräte zum Umgang mit Werk- und Dienstverträgen
Begrenzen und gestalten!
Die Publikation gibt wertvolle Hinweise, um Werkverträge zu verhindern bzw. einzudämmen. Sie erklärt die Unterschiede zwischen Werk- und Dienstvertrag und beschreibt Informations- und Mitbestimmungsrechte. Ein wichtiges Handlungsfeld: Wie kann man Einfluss auf Arbeitsbedingungen in Fremdfirmen nehmen?
Handlungsansätze für die Mitbestimmung
Die Praxis von Werk-und Dienstverträgen
Die Publikation fasst die wichtigsten Projektergebnisse zusammen. Sie bietet eine kompakte Einordnung des Problems, stellt gewerkschaftliche Strategien vor und ermöglicht Einblicke in die Unternehmenspraxis und Handlungsmöglichkeiten in typischen „Anbieterbranchen“ wie der Kontraktlogistik und Facility Management.
Praxiswissen Betriebsvereinbarungen
Werk- und Dienstverträge
Auf der Basis von 42 Vereinbarungen fasst die Studie die Bandbreite betrieblicher Regelungen zusammen. Sie zeigt damit verschiedene Wege auf, wie sich der Betriebsrat bei der Ausgestaltung von Werk- und Dienstverträgen beteiligen und Einfluss nehmen kann.
Forschungsförderung Working Paper
Werkverträge entlang der Wertschöpfungskette
In den vergangenen Jahren sind Werkverträge zunehmend in die Kernbereiche der Wertschöpfungsprozesse eingedrungen. Obermeier und Sell setzen sich mit den wirtschafts-, arbeits- und strukturpolitischen Folgen dieser Entwicklung auseinander.
Eine Betriebsvereinbarung ermöglicht,
- den Einsatz von Werk- und Dienstverträgen im Unternehmen zu steuern und zu regulieren,
- Beschäftigung auf Seiten des Einsatzunternehmens sowie in den Werk- und Dienstvertragsunternehmen abzusichern
- und die Rechte des Betriebsrates zu konkretisieren.
Konkret geht das über eine verbindliche Fremdleistungsplanung/Personalplanung, Begrenzung der Fremdvergabe, Auswahlkriterien für Werk- und Dienstvertragsunternehmen sowie Angebote für Werk- und Dienstvertragsarbeitskräfte.
Nur wenige Betriebsvereinbarungen räumen dem Betriebsrat generelle und gleichwertige Mitspracherechte bei Entscheidungen über den Einsatz von Werk- und Dienstverträgen ein. Teilweise werden Zustimmungserfordernisse zur Fremdvergabe vereinbart, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind, von starken Mitbestimmungsrechten kann aber auch in den freiwilligen Vereinbarungen nicht die Rede sein. Es bleibt also möglicherweise auf absehbare Zeit so, dass Betriebsräte andere Machtmittel einsetzen müssen, um den unzweckmäßigen Einsatz von Werkverträgen zu verhindern. Wie dies am Beispiel des Einzelhandels gelingen kann und welche konkreten Werkzeuge genutzt werden können, zeigt die folgende Böckler-Study:
Onsite-Werkverträge
Mitbestimmung ohne Mitbestimmungsrechte?
Onsite-Werkverträge gehen im Einzelhandel zuweilen mit gravierenden Problemen für den Auftraggeber einher. Trotzdem nimmt das Management sie nicht automatisch zurück. Zwei Fallstudien zeigen, wie der Betriebsrat kreativ Einfluss nehmen kann.
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Die Probleme mit Werkverträgen sind keineswegs gelöst und – um mit den Ton-Steine-Scherben zu schließen: „Der Kampf geht weiter“. Solange keine wirksamen politischen oder betriebsverfassungsrechtlichen Hebel existieren, müssen sich Betriebsräte der erprobten Instrumente bedienen – der Werkzeugkasten ist nicht leer.