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Mitbestimmungspraxis 53

IT Mitbestimmen in dynamischen Unternehmenswelten

IT-Rahmenvereinbarungen gewinnen neue Bedeutung. Sie bieten Stabilität im wandelhaften Umfeld und beschleunigen Prozesse. Verhandlungen über Vereinbarungstexte reduzieren sich, wenn Grundregeln dauerhaft gelten und nur Ausnahmen zu vereinbaren sind.

Die Digitalisierung aller Arbeitsprozesse, die schon seit Jahren Unternehmen und öffentliche Dienststellen prägt, nimmt an Dynamik in bisher ungeahntem Ausmaß zu. Analoge Nischen sind so selten geworden wie die Blaue Mauritius. Betraf dies zunächst primär die unmittelbaren Arbeitsprozesse, sind nunmehr auch die Kommunikations- und Kollaborationsprozesse – bisher Inseln des überwiegend analogen Austauschs – Gegenstand standort- und länderübergreifender Rationalisierungsbestrebungen. Projektteams müssen sich nun nicht mehr physisch treffen.

Schwergewicht IT-Mitbestimmung

Die Dynamik der Digitalisierung zeigt sich u. a. in quantitativer Dimension, die betrieblichen Interessenvertretungen werden geradezu überrollt von IT-Projekten: neue Systeme einführen, ältere durch modernisierte ersetzen, bestehende ändern – ein anschwellender Strom an Mitbestimmungsthemen droht, die Betriebs- und Personalräte zu überfordern. Hinzu tritt die qualitative Dimension der Dynamik. Die Systeme werden immer komplexer, integrierter (durch gebündelte Funktionalitäten) und vernetzter – Stichwort(e): Cloudifizierung, Big Data, künstliche Intelligenz. Die betrieblichen Akteure müssen ihr Knowhow ständig erweitern und vertiefen, um die für die Interessen der Beschäftigten relevanten Handlungsbedarfe identifizieren zu können. Die IT-Mitbestimmung wird so zu einem Schwergewicht im Mitbestimmungsspektrum, geprägt durch eine weniger anlassbezogene als vielmehr kontinuierliche Praxis.

Wandel gestalten mit IT-Rahmenvereinbarungen

In diesem Kontext gewinnen IT-Rahmenvereinbarungen neue Bedeutung. Sie bilden ein stabiles Gerüst in einem durch starken Wandel geprägten Umfeld, sie beschleunigen und verschlanken Beteiligungsprozesse. Verhandlungen über Vereinbarungstexte reduzieren sich, wenn Grundregelungen dauerhaft gelten und nur noch Ausnahmen und Abweichungen vereinbart werden müssen. Dies setzt Ressourcen frei für eine umfassendere Beteiligung bereits im Vorfeld der Produktivsetzung der IT-Systeme.

Mitbestimmungspraxis 53

IT Mitbestimmen in dynamischen Unternehmenswelten

Gestaltung von IT-Rahmenvereinbarungen in Verbindung mit standardisierten Beteiligungsprozessen

von Holger Bargmann

Mitbestimmungspraxis 53. Düsseldorf 2023

In unterschiedlichen Formen regeln und standardisieren die portraitierten Beispiele Beteiligungsprozesse, die den Einfluss der betrieblichen Interessenvertretungen zum einen sicherstellen und gleichzeitig die Abläufe verkürzen und verschlanken. Muda (= Verschwendung vermeiden, z. B. durch verkürzte Durchlaufzeiten) und Standardisierung: Die Prinzipien der Lean Production (dt. „schlanke Produktion“ = Fertigung von Industrieerzeugnissen bei weitgehender Einsparung von Arbeitskräften, Kosten und Material) klingen nicht zufällig an. Im Zuge dieser Entwicklungen wird sich die Arbeitsweise der Betriebs- und Personalräte dramatisch verändern und schneller, schlanker, agiler, digitaler werden müssen. Wie betriebliche Interessenvertretungen unter solchen Bedingungen ihre Mitbestimmungsrechte nicht nur formal sichern, sondern sich vollumfänglich und substanziell über den gesamten Planungs- und Implementationsprozess beteiligen, zeigen die hier vorgestellten Beispiele:

  • Die Betriebs- und Personalräte passen bestehende IT-Rahmenvereinbarungen an neue technische Entwicklungen und veränderte rechtliche Rahmenbedingungen (DSGVO) an bzw. treffen neue Rahmenvereinbarungen.
  • Der Umgang mit Betriebsvereinbarungen zu einzelnen IT-Systemen, die früher spezifisch für eine definierte Software abgeschlossen wurden, erfährt einen Richtungswechsel: Nicht mehr die Software, sondern die Funktionalität wird technikunabhängig geregelt.
  • Das Ziel: Die wachsende Zahl der IT-Einführungs- und Änderungsprozesse permanent bewältigen sowie Verhandlungs- und Formulierungsaufwand reduzieren, um eine frühzeitige und umfassende Beteiligung zu garantieren.
  • Die Beteiligungs- und Mitbestimmungsprozesse zu standardisieren, steht im Mittelpunkt der Strategien der Betriebs- und Personalräte. Checklisten in verschiedenen Formen, teils verbunden mit Projektmanagementsystemen oder mit Verarbeitungsverzeichnissen zum Datenschutz dienen als Grundlage dieser Standardisierung.
  • In den Mitbestimmungsprozessen werden zunehmend Kriterien mit ausgeprägtem Bezug auf die Interessen der Beschäftigten eingebracht, z. B. Konzepte guter Arbeit und insbesondere guter IT, Barrierefreiheit, Ergonomie und Gebrauchstauglichkeit (Usability).