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Aufgaben, Anforderungen und Arbeitsweise

Aufsichtsorgane in Kreditinstituten

Aufsichtsorgane von Banken und Versicherungen unterliegen besonderen Vorgaben. Mitglieder dieser Gremien müssen sich der verschärften Anforderungen bewusst sein und sich entsprechend qualifizieren. Unser Leitfaden verschafft Überblick.

Für die Aufsichtsorgane von Banken und Versicherungen gelten besondere, gegenüber sonstigen Aufsichtsräten verschärfte Anforderungen. Das betrifft beispielsweise Vorgaben zu Eignung, Zuverlässigkeit und Sachverstand der Mitglieder, zur Selbstüberprüfung der Gremienarbeit sowie zur Aufsicht durch die Aufsichtsbehörden, insbesondere durch die BaFin. Diese in den letzten Jahren gestiegenen Herausforderungen für Aufsichtsorgane sind eine berechtigte Konsequenz aus den Defiziten, die in der Finanzkrise 2007 / 2008 in dieser Branche sichtbar wurden. Denn die Branche hat dabei versagt, die Kontrolle und Professionalität umzusetzen, die Gesetz und Öffentlichkeit von ihr erwarten. Insofern ist es nur konsequent, wenn die Anforderungen an Sachverstand, Zuverlässigkeit und Eignung der Geschäftsführer und Kontrolleure sowie weitere Vorgaben verschärft werden. Ob diese abstrakten und noch konkretisierungsbedürftigen Vorgaben letztendlich auch in der Praxis zu mehr Professionalität in der Gremienarbeit führen, wird sich zeigen müssen. Der Zweck solcher Reformen wäre jedenfalls verfehlt, wenn sie lediglich einer Beraterbranche zu neuen lukrativen Geschäftsmodellen verhelfen, ohne aber einen Fortschritt in der Sache zu bewirken.

Gegen die Mitbestimmung darf sich diese Entwicklung freilich nicht wenden. Die Rolle der Mitbestimmung im Aufsichtsrat liegt gesetzlich gerade darin, dass ihre Vertreter durch Wahl demokratisch legitimiert sind und damit das Mandat haben, Anliegen der Beschäftigten ungefiltert in die Kontrolle und Ausrichtung von Unternehmen einzubringen. Besondere Voraussetzungen für die Wählbarkeit bestehen für Kreditinstitute nicht. So hält der Deutsche Corporate Governance Kodex in seiner neuen Fassung 2017 (Ziff. 5.4.1) zu diesem Thema fest: „Für die gewählten Arbeitnehmervertreter sind die besonderen Regeln der Mitbestimmungsgesetze zu beachten.“ Die Mitbestimmung trägt in diesem Zusammenhang gerade zu einem breit angelegten und auf nachhaltige Unternehmensentwicklung ausgerichteten Kompetenzprofil im Aufsichtsrat bei. Die Arbeitnehmer haben ein Interesse am langfristigen Bestand des Unternehmens und dessen Arbeitsplätzen und können somit ein Korrektiv zu allzu kurzfristiger Renditeorientierung bilden. Die betrieblichen Arbeitnehmervertreter kennen insbesondere die unternehmensinternen Abläufe (internes Organisationswissen) und bringen so betriebsinternes Know-How in den Aufsichtsrat ein. Die Gewerkschaftsvertreter ergänzen dies sinnvoll durch einen überbetrieblichen Blickwinkel und zusätzliche Branchenkenntnisse. Das führt zu einer Steigerung der Professionalität. Ein Verständnis, das Professionalisierung und Interessenvertretung als Gegensatz ansieht, wäre falsch. Die Idee der demokratischen Mitbestimmung im Aufsichtsrat ist nicht die eines Berufsaufsichtsrats. Die Gewerkschaften wirken unabhängig davon darauf hin, dass geeignete Kandidaten zur Wahl gestellt werden, weil es in ihrem Interesse ist, dass der Aufsichtsrat und damit die Leitung von Unternehmen funktioniert. Mit der Qualifizierung der Arbeitnehmervertreter leisten sie ihren Beitrag dazu.

Cover MBPraxis Nr. 21

Peter Ruhwedel (2019): Aufsichtsorgane in Kreditinstituten

Aufgaben, Anforderungen und Arbeitsweise.

Reihe: Mitbestimmungspraxis, Nr. 21.
Düsseldorf: 2019, ISSN: 2366-0449. 28 Seiten

Ansprechpartner: Sebastian Sick

Vielfach schwappen die neuen Vorgaben für Banken und Versicherungen nach und nach auf die sonstigen Unternehmen über – zu denken ist hier auch an die Qualifikationsanforderung und die Vorlage entsprechender Nachweise sowie an die verpflichtend vorgeschriebene Effizienzprüfung im Sinne einer Selbstevaluation des Aufsichtsorgans. Dies alles führt zu der Gefahr einer unmerklichen Verschiebung des Corporate Governance-Modells in Richtung des shareholder-orientierten angelsächsischen Modells und einem völlig veränderten Board-Verständnis. Die Tendenz zu einem angelsächsischen Rollenverständnis ist unübersehbar. Konflikte mit dem deutschen Stakeholder Modell und der Mitbestimmung sind vorprogrammiert.

Jenseits dieser Situationsbewertung ist es unstreitig, dass es absolut unerlässlich ist, dass sich die Mitglieder von Aufsichtsorganen in Kreditinstituten – schon aus Haftungsgründen – ihrer besonderen Anforderungen bewusst sind und dass sie sich entsprechend qualifizieren. Nur so kann eine richtig verstandene professionelle Aufsichtsratstätigkeit stattfinden, was letztendlich auch Voraussetzung einer professionellen Interessenvertretung ist. Als einen Beitrag dazu veröffentlichen wir diesen Leitfaden zu Aufgaben, Anforderungen und Arbeitsweisen in Aufsichtsorganen von Kreditinstituten.

Zu erwarten ist, dass die Unternehmen die Finanzierung von Qualifizierungsmaßnahmen übernehmen und hierfür die Arbeitnehmervertreter freistellen. Dies gilt es im Zweifel gegenüber den Unternehmen aktiv einzufordern. So besagt der Deutsche Corporate Governance Kodex in der Fassung von 2017: „Die Mitglieder des Aufsichtsrats nehmen die für ihre Aufgaben erforderlichen Aus- und Fortbildungsmaßnahmen eigenverantwortlich wahr. Dabei sollen sie von der Gesellschaft angemessen unterstützt werden.“ (Ziff. 5.4.5). Die Gewerkschaften und die Hans-Böckler-Stiftung bieten hierzu vielfältige Qualifikations-, Informations- und Fortbildungsmöglichkeiten.

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