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Schöneberger Forum

Zukunft der Arbeit im öffentlichen Dienst

Die Digitalisierung findet nicht nur in der Industrie 4.0 statt, sondern auch in den öffentlichen Dienstleistungen. Das stellt die Dienstherren und Personalvertreter im öffentlichen Dienst vor neue Gestaltungsaufgaben. Im Kosmos in Berlin wurde im Rahmen des Schöneberger Forums zwei Tage gemeinsam diskutiert, wie die Arbeit der Zukunft im öffentlichen Dienst gestaltet werden muss, um den gewerkschaftlichen Kriterien von Guter Arbeit zu entsprechen.

Personalabbau stoppen

„Pünktlich“ zum Schöneberger Forum hat die Hans-Böckler-Stiftung eine Studie veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass im öffentlichen Dienst im Augenblick 110.000 Stellen fehlen. Dies ist dem massiven Personalabbau im öffentlichen Dienst der letzten Jahre geschuldet. Der öffentliche Dienst hat seit 1991 2 Millionen Beschäftigte verloren, bei gleichzeitigem Anstieg der Teilzeit-Quote von 16 Prozent auf heute 32 Prozent. D. h. die Arbeitsverdichtung für die Beschäftigten nimmt immer weiter zu. Diese Personalpolitik hat weitreichendende Auswirkungen auf die Qualität der Dienstleistungen, die Arbeitszeit und die Gesundheit der Kolleginnen und Kollegen in den Verwaltungen, so der Tenor der Diskussion. Die Personalbemessung ist mittlerweile in allen Bereichen im öffentlichen Dienst ein großes Thema. „Der öffentliche Dienst braucht eine zukunftsfähige Personalpolitik, wenn der Staat handlungsfähig sein soll“, forderte so auch der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann in seiner Eröffnungsrede. Hierbei ist nicht nur die Arbeitszeit eine der Stellschrauben um hochwertige Dienstleistungen sicherzustellen. Es müsse endlich wieder ein Aufbau von Kapazitäten stattfinden, fordert Hoffmann.

 - © DGB/Simone M. Neumann

Befristungen aufheben

Parallel zum Stellenabbau und der Teilzeit erhöhte sich auch die Quote der befristeten Arbeitsverträge von 10 Prozent auf 15 Prozent wobei sich hierunter die sachgrundlose Befristung mit 35 Prozent mehr als verdoppelt hat. Damit nimmt der öffentliche Dienst bei der befristeten Beschäftigung die Spitzenposition noch vor der Privatwirtschaft ein. Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffman kommentierte dies so: „Ich finde das geht gar nicht! Hier müssen wir dringend, dringend gegensteuern. Sachgrundlose Befristungen sind ein Relikt, das nicht zur sozialen Marktwirtschaft passt. Die sachgrundlose Befristung muss für alle Beschäftigten ersatzlos gestrichen werden“.

Arbeitszeitreport – Arbeitsaufkommen steigt, Gefährdungsrisiko nimmt zu

Welche Auswirkungen dies sind wurde deutlich anhand des von Dr. Anne Marit Wöhrmann von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin vorgestellten Arbeitszeitreport Deutschland 2016.

Mit 9 Prozent der Beschäftigten, die mehr als 10 Überstunden pro Woche leisten liegt auch in dieser Statistik der öffentliche Dienst vor der Privatwirtschaft. Hierbei zeige sich, dass mit zunehmender Länge der Arbeitszeit die Zufriedenheit bei der Work-Life-Balance sinke und gleichzeitig gesundheitliche Beschwerden zunehmen würden. Der Effekt werde verstärkt durch die Digitalisierung im öffentlichen Dienst, „denn der Druck auf die Beschäftigten nimmt durch die Transformation zur digitalen Verwaltung zu“, so Hans-Henning Lühr, Staatsrat im Finanzressort der Freien Hansestadt Bremen.

Dies gilt vor allem für die befristet Beschäftigten. In ihren Studienergebnissen zu Befristungen im öffentlichen Dienst stellen Dr. Christian Hohendanner und Dr. Philipp Ramos Lobato vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung fest, dass die Arbeitsplatzunsicherheit aufgrund von Befristung ein zusätzliches Erkrankungsrisiko der Beschäftigten darstellt. Darüber hinaus habe die Befristung noch viel weitreichendere gesellschaftliche Folgen, so Dr. Hohendanner. „Die Ergebnisse zeigen, dass darunter die Lebensplanung und damit auch die Lebensqualität der befristet Beschäftigten leidet.“ Im Bereich der Wissenschaft werde dies am deutlichsten. Die extrem hohe Quote an Befristung – knapp 90 Prozent bei den wissenschaftlichen Mitarbeitern - führe hier zu einem Aufschieben der Familienplanung, denn die Befristungen träfen zu mehr als 70 Prozent die Beschäftigten der Altersgruppe zwischen 25 und 34 Jahren, die sich in einer beruflichen Findungsphase und Familienplanungsphase befinden.

 - © DGB/Simone M. Neumann

Mitbestimmung im öffentlichen Dienst stärken

Der Arbeitszeitreport zeige auch, so Dr. Anne Marit Wöhrmann, dass die Arbeitszeit und Zeitsouveränität der zentrale Regelungsbestand der Mitbestimmung sei.  „Mitbestimmung, also die Kontrolle und der Einfluss auf die eigene Arbeit, wirkt sich positiv auf die Gesundheit der Beschäftigten auswirkt“, so das Fazit von Wöhrmann.

Jedoch gibt es in den Dienstleistungen nicht die sozialpartnerschaftlichen Gestaltungsmöglichkeiten wie in der Privatwirtschaft. Dies stellt ein Problem dar für die Personalräte, die versuchen den neuen Herausforderungen gerecht zu werden. Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann forderte aus diesem Grund auch den mitbestimmungspolitischen Stillstand zu überwinden: „Die Personalvertretungsgesetze müssen deutlich nachgebessert werden, damit sie die gleichen Mitbestimmungsmöglichkeiten bekommen, wie sie im Betriebsverfassungsgesetz festgeschrieben sind.“ Und auch ver.di- Bundesvorstand Wolfgang Pieper stellt der Mitbestimmung im öffentlichen Dienst kein gutes Zeugnis aus: „Es gibt viele kollektivbestimmte Regelungen, obwohl der öffentliche Dienst nicht homogen ist. Die Mitbestimmung ist unzureichend.“

 - © DGB/Simone M. Neumann

Öffentlichen Dienst arbeits- und zukunftsfähig machen

In den Vorträgen, Foren und Diskussionen beschäftigten sich die Redner und Teilnehmer auch immer wieder mit der Frage, wie die Verwaltungen trotz demografischen Wandels arbeitsfähig bleiben können und gleichzeitig der öffentliche Dienst attraktiv für Arbeitnehmer sein kann.
Ein Schlüssel hierzu, da waren sich alle einig, sind die Entfristungen. Der öffentliche Dienst verliere durch die Befristungen zusehends seinen Nimbus als Anbieter eines sicheren Arbeitsplatzes. „Da in der freien Wirtschaft oft mehr als das 1,5-fache an Gehältern bezahlt wird, ist der öffentliche Arbeitgeber nicht attraktiv“, sagt Johannes Kahrs (SPD), MdB, in der Diskussion zu den Personalveränderungen im öffentlichen Dienst. Seine Forderung: Befristungen müssen deutlich zurückgefahren werden, will man künftig noch gutes Personal finden.

Um gutes Personal auch langfristig zu binden, sei die Finanzierung von und der Rechtsanspruch auf Weiterbildungen und Qualifizierungen ein wichtiger Aspekt. Nur so können „qualitative hochwertige öffentliche Dienstleistungen sichergestellt werden, die wiederum den sozialen Zusammenhalt stärken.“, sagte DGB-Vorsitzender Reiner Hoffmann.

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