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Branchenmonitor

Wohnungs- und Immobilienwirtschaft

Die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft befindet sich im Spannungsfeld zwischen der Finanzierung von Investitionen und der beabsichtigten Begrenzung der Mietpreissteigerungen. Die Politik muss hier geeignete Rahmenbedingungen schaffen.

Branchenmonitor Wohnungswirtschaft

Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (Branchenmonitor, pdf)

WZ 68 , 68.1, 68.2, 68.3

Mai 2022, 18 Seiten

Branche Wohnungswirtschaft ist stark heterogen und kleinteilig geprägt

Die Wohnungswirtschaft ist als ein bedeutender Teil der deutschen Gesamtwirtschaft anzusehen. Über 130 Wohnungs- und Immobilienunternehmen der Privatwirtschaft bewirtschaften in Deutschland mehr als eine Millionen Wohneinheiten.

Die gesellschaftliche Sicht auf die Wohnungswirtschaft wird derzeit stark durch die Diskussion um Wohnraummangel und faire Wohnraummieten dominiert. Hierbei geraten vor allem die großen Unternehmen der Branche, allen voran Vonovia und Deutsche Wohnen ins Blickfeld der Öffentlichkeit und werden durchaus kritisch wahrgenommen. Denn von Seiten der Mieterbündnisse gibt es Befürchtungen, dass diese beiden Unternehmen bei einer möglichen Fusion (Vonovia ist mit rund 87% Stimmrechtsanteil größter Aktionär der Deutsche Wohnen) die gesamte Branche beherrschen könnten. Allerdings verwalten beide Unternehmen zusammen nur 10% der angebotenen Einheiten. Die Branche ist vielmehr als in sich heterogen und kleinteilig anzusehen: neben einigen wenigen großen Unternehmen existiert eine Vielzahl kleinerer Vermietungsgesellschaften bis hin zu privaten Einzelvermietungen. Die beiden größten Wohnungsunternehmen haben somit keine direkt marktbeherrschende Stellung, sind aber Trendsetter wie beispielsweise Aldi in der Lebensmittelbranche.

Insgesamt ist die Investitionstätigkeit der Wohnungsbranche grundsätzlich als zu niedrig im Vergleich zum Bedarf anzusehen. Hier muss die Politik Rahmenbedingungen schaffen, die die Investitionstätigkeit der Branche weiter belebt (z. B. durch das Angebot günstiger Förderkredite) und gleichzeitig dafür sorgen, dass Mieten fair und bezahlbar bleiben (z. B. durch kommunalpolitische Lösungen wie das Vorkaufsrecht bei Grundstücken durch die Gemeinden und Kommunen). Bislang ist es nicht gelungen diesen Zwiespalt aufzulösen, wie das Scheitern des Berliner Mietendeckels beweist.

Auch wurden gesetzliche Wohnungsbauziele bislang nicht erreicht. Eine Wohnraumoffensive 2.0 ist vor diesem Hintergrund als dringend erforderlich anzusehen. Hier könnten beispielsweise durch die Stärkung des sozialen Wohnungsbaus, der Verbesserung der Investitionsbedingungen in bezahlbaren Wohnungsbau, einer Ausweitung der Schaffung und Vergabe von günstigen Bauflächen sowie die Setzung wirksamer Impulse für energetische Sanierungen wesentliche Eckpfeiler geschaffen werden.

Die Wohnungswirtschaft kann aufgrund ihres auf Langfristigkeit angelegten Geschäftsmodells und mit ihren Investitionen als gesellschaftlicher Anker für bezahlbare Mieten, gesellschaftliches Engagement, Sicherung von Arbeitsplätzen und weitere CO2-Minderung fungieren. Im Gegensatz zu vielen anderen Branchen hatte die Corona-Pandemie hingegen nur geringe Auswirkungen auf die Unternehmen der Branche. 

Digitalisierung führt zu einer strukturellen Veränderung der Branche

Aufgrund der zunehmenden Digitalisierung sämtlicher Dienstleistungen rund um die Wohnimmobilie könnten einzelne Prozesse (z. B. Verwaltung und Vermarktung von Immobilien oder auch digitale Mieterakten) künftig dezentral von überall auf der Welt gesteuert werden. Die deutschen Wohnimmobiliengesellschaften könnten versucht sein, künftig ihre Verwaltungsprozesse ins Ausland zu verlagern. Auch ist hierbei denkbar, dass sich kleinere private Vermieterverbünde künftig im Ausland Dienstleistungsprozesse aus Kostengründen extern einkaufen.

Allerdings ergeben sich hierdurch auch Risiken: Die Gefahr von Cyberattacken beispielsweise mit dem Ziel des Diebstahls von Mieterinformationen oder der Störung der Energieversorgung in Gebäuden nimmt auch in der Wohnungswirtschaft mit zunehmender Digitalisierung zu. Des Weiteren führt die zunehmende Digitalisierung von Arbeitsprozessen in der Branche aller Voraussicht nach auch zu einer stärker dezentralisierten Arbeitswelt (Stichworte: Homeoffice und mobiles Arbeiten). Diese Entwicklung birgt für die Mitarbeiter: innen auch Risiken, wie beispielsweise Vereinsamung, Selbstausbeutung oder die jederzeitige Erreichbarkeit für den Arbeitgeber, die sich längerfristig auf die Gesundheit auswirken können

Demografischer Wandel setzt die Wohnungswirtschaft zunehmend unter Druck

Wie viele andere Branchen klagt auch die Wohnungswirtschaft über Rekrutierungsschwierigkeiten, vor allem in den technischen und kaufmännischen Berufen. Innerhalb der Branche werden überwiegend gut qualifizierte Mitarbeiter: innen beschäftigt. Dies gilt für Auszubildende, ebenso wie für Seiteneinsteiger. Hierdurch weist die Branche ein relativ hohes Akademikerniveau auf. Dieses Strukturmerkmal unterscheidet die Wohnungswirtschaft deutlich von vielen anderen Branchen. Die größeren Unternehmen reagieren auf den permanenten Bedarf nach qualifiziertem Personal mit Programmen zur vermeintlichen Steigerung ihrer Attraktivität als Arbeitgeber. Auch das bestehende und sowohl von Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmerseite akzeptierte Tarifgefüge der Branche kann auf der Suche nach qualifizierten Mitarbeiter: innen als positiv angesehen werden.