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Über den Werkzeugkasten

Cover Werkzeugkasten

Der Werkzeugkasten ist im Rahmen des von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Forschungsprojektes „Wissenstransfer von ausscheidenden Interessenvertretungsmitgliedern“ entstanden. Er möchte betriebliche Interessenvertretungen dazu ermuntern und dabei unterstützen, ihren Umgang mit Wissen zielgerichtet zu organisieren. Dazu werden erste Handlungsschritte aufgezeigt, ausgewählte Instrumente und Methoden vorgestellt und Hinweise auf weiterführende Literatur und Internetlinks gegeben. Die Werkzeuge richten sich vor allem an kleine und mittelgroße sowie neu gegründete Gremien. Aber auch große Betriebs- und Personalräte werden sicherlich die eine oder andere Anregung bekommen.

Projektpartner

Logo FFG

Forschungsgesellschaft für Gerontologie e.V./
Institut für Gerontologie an der TU Dortmund

britta.bertermann@tu-dortmund.de
www.ffg.tu-dortmund.de

Logo Zentrum für Hochschulbildung

Zentrum für HochschulBildung an der TU Dortmund
uwe.wilkesmann@tu-dortmund.de
www.zfw.tu-dortmund.de/wilkesmann

Bearbeitung:
Britta Bertermann, Stephanie Ebert, Prof. Dr. Gerhard Naegele, Alfredo Virgillito, Prof. Dr. Uwe Wilkesmann

Logo HBS

Gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung
Informationen zum Projekt (Laufzeit: 2011 – 2013) und weitere Veröffentlichungen auf boeckler.de

Kontakt: Dr. Stefan Lücking
Hans-Böckler-Stiftung Abt. Forschungsförderung - Mitbestimmung im Wandel
stefan-luecking@boeckler.de

 

Die Inhalte können unter Beachtung der üblichen Zitierregeln und mit Hinweis auf die Urheber und die Quelle verwendet werden:

Bertermann, B. u.a. (2013): Werkzeugkasten für einen erfolgreichen Wissensaustausch in Betriebs- und Personalräten. Eine Handreichung für die Praxis. Dortmund: Forschungsgesellschaft für Gerontologie e.V./ Zentrum für Hochschulbildung (Hrsg.).

Die wichtigsten drei Gründe, warum Betriebs- und Personalräte ihren Umgang mit Wissen organisieren sollten, sind

  • die Sicherung von Erfahrungswissen:
    Über die Hälfte der Betriebsratsmitglieder ist  46 Jahre und älter. Die meisten sind schon mehrere Wahlperioden im Amt. Mehr als zwei Drittel der Betriebsratsvorsitzenden nehmen bereits zum dritten Mal die Führungsposition wahr (Greifenstein u.a. 2011, 2014). Die langjährigen Mitglieder haben viel Wissen angehäuft und kennen sich sehr gut mit den betrieblichen Strukturen, der Organisation und den gesetzlichen Grundlagen der Interessenvertretungsarbeit aus (Virgillito, Bertermannu.a. 2015). Die Beschäftigten erwarten auch eine solche Professionalisierung (Wilkesmann u.a. 2011). Was aber ist, wenn erfahrene Mitglieder aus Altersgründen oder anderen Motiven (z.B. Stellenwechsel, Umzug) das Gremium verlassen? Dann droht ein Wissens- und Erfahrungsverlust, der auch Arbeitsabläufe gefährden kann. Eine frühzeitige Nachfolgeplanung und ein Wissens- und Erfahrungstransfer an die verbleibenden bzw. nachrückenden neuen Mitglieder verhindert die Entstehung von Wissenslücken.

Ich glaube, da sind mehr die Alten in der Pflicht als die Jungen, weil die Jungen können nur nach oben gucken, wir können nach vorne und nach hinten gucken.

(ein ehemaliger, nun verrenteter Personalratsvorsitzender)
  • die Einarbeitung von neuen Mitgliedern:
    Viele neue Mitglieder fühlen sich am Anfang ihrer Amtszeit allein gelassen und überfordert, weil sie nicht richtig eingearbeitet werden und sich das notwendige Wissen selbst aneignen müssen. Eine gezielte Einarbeitung von neuen Mitgliedern trägt dazu bei, dass sie sich schneller im Gremium zurechtfinden und sich aktiv für die Belange der Belegschaft einsetzen können.

Die Einführung war insofern, also das war für mich schon ein Sprung ins kalte Wasser. Da hätte ich auch untergehen können.

(ein langjähriger Betriebsratsvorsitzender)
  • die Nutzung und Verteilung von vorhandenem Wissen:
    Bislang findet ein systematischer Wissenstransfer nur vereinzelt statt. Instrumente und Methoden des Wissensmanagements sind wenig bekannt oder werden nicht ausreichend genutzt. Vieles bleibt dem Zufall überlassen oder wird nicht konsequent umgesetzt. Häufig behindern auch Faktoren wie z.B. eine ungenügende Arbeits- und Aufgabenteilung, persönliche Konflikte (z.B. zwischen freigestellten und nicht freigestellten Mitgliedern), ein dominanter Führungsstil, Konkurrenzdenken und - vor allem bei nicht freigestellten Mitgliedern - der Mangel an Zeit einen erfolgreichen Wissensaustausch.

Wenn ich zum Beispiel gerne auf eine Personalratssitzung wollte, mir aber zwei Mitarbeiter krank geworden sind, dann hat´s einfach nicht funktioniert.

(eine nicht freigestellte Personalrätin)

Ein verbesserter Umgang mit Wissen kann durch die Schaffung von entsprechenden Strukturen erzielt werden. Hierdurch werden auch die Arbeitsqualität, die Effizienz von Abläufen und die Entwicklung neuer Ideen gefördert (Pircher 2010). Das Gremium bleibt handlungsfähig, auch wenn erfahrene Mitglieder unerwartet ausfallen – z.B. durch Erkrankung, plötzlichem Tod oder weil sie nicht wiedergewählt werden.

Das alles zeigt, wie wichtig es ist, das im Gremium vorhandene Wissen zu dokumentieren und miteinander zu teilen, anstatt es in den Köpfen der einzelnen Personen zu lassen.

Wissensmanagement ist eine Aufgabe im Rahmen von Personalentwicklung und eng mit den Bereichen „Nachwuchssuche und -förderung“ und „Nachfolgeplanung“ verbunden.

Wissensmanagement ist für alle Gremien unabhängig von ihrer Größe bedeutsam. Zunächst muss zwar etwas Zeit darin investiert werden. Langfristig zahlt sich diese Investition aber wieder aus, weil die Arbeit der Interessenvertretung hierdurch professionalisiert und Kontinuität gesichert wird (vgl. Wilkesmann/Wilkesmann 2009; Wilkesmann/Rascher 2003).

Argumente für Wissensmanagement auf einen Blick

  • es hilft herauszufinden, über welches Wissen das Gremium verfügt,
  • es fördert den Erwerb und die Entwicklung von neuem Wissen und erhöht den Wissensstand im Gremium,
  • es motiviert dazu, Wissen und Erfahrungen zu dokumentieren,
  • es erleichtert die Suche nach Informationen,
  • es verbessert die Kommunikation und den Austausch von Wissen,
  • es macht Vorgänge und Arbeitsabläufe transparent,
  • es hilft dabei, das Wissen der Ausscheidenden sichtbar zu machen und für das Gremium zu erhalten,
  • es fördert die Einbeziehung neuer Mitglieder,
  • es steigert die Motivation und den Teamgeist.

Wissensmanagement hat noch einen Effekt: Wenn es dem Gremium gelingt, seinen Umgang mit Wissen besser zu organisieren, kann es mit gutem Beispiel vorangehen und sich dafür einsetzen, dass im gesamten Betrieb Wissensmanagement-Lösungen gefunden und umgesetzt werden.

Wenn sich ein Gremium mit dem Thema Wissensmanagement beschäftigen möchte, organisiert es am besten einen Workshop hierzu oder bespricht das Vorhaben auf einer Klausurtagung. Eine Erfolgsbedingung ist, dass alle Mitglieder dem Plan offen gegenüberstehen und keine Nachteile (z.B. Machtverlust), sondern einen Nutzen für das Gremium und für sich persönlich darin sehen. Wissensmanagement kann nur funktionieren, wenn es freiwillig durchgeführt wird und von allen Beteiligten tatsächlich gewollt ist. Das bedeutet, dass Zweifel (z.B. das Argument der Zeitknappheit) angesprochen und diskutiert werden müssen. Das Projekt darf nicht als eine zusätzliche Arbeitsbelastung empfunden werden. Erst dann werden die Mitglieder dazu bereit und dazu motiviert sein, sich an der Planung und Gestaltung des Prozesses zu beteiligen und zu seinem Gelingen beizutragen. Die Personen in Führungspositionen – vor allem die Vorsitzenden – haben eine Vorbildfunktion und sollten das Vorhaben vorantreiben, indem sie z.B. dafür sorgen, dass alle benötigten Mittel zur Verfügung stehen. Es sollte auch über Anreize nachgedacht werden, wie z.B. die Bescheinigung von Schulungen. Manchmal ist es notwendig, zunächst Maßnahmen zur Stärkung des Teamgefühls und zum Vertrauensaufbau vorzuschalten, da ein erfolgreiches Wissensmanagement eine gute Kommunikation im Gremium voraussetzt.

Schritte des Wissensmanagement - © Forschungsgesellschaft für Gerontologie e. V., 2013

Der Wissensmanagementprozess umfasst die folgenden Teilschritte:

Erfassung und Analyse der Ausgangslage

Die Ausgangssituation ist in jedem Gremium verschieden. Jeder Betriebs-/Personalrat sollte deshalb für sich selbst überprüfen, wie er mit Wissen umgeht, welche Probleme und welche Risiken es gibt und welcher Handlungsbedarf besteht. Dabei sind die folgenden Fragen hilfreich:

  • Welches Wissen ist für das Gremium wichtig?
  • Wer verfügt über dieses Wissen?
  • Gibt es Bereiche, in denen Wissen fehlt?
  • Wo droht zukünftig ein Wissens- und Erfahrungsverlust (z.B. durch das Ausscheiden älterer Mitglieder)?
  • Wie wird neues Wissen erworben?
  • Wie wird Wissen dokumentiert und gesichert?
  • Haben alle Mitglieder Zugang zu diesem Wissen?
  • Wie wird Wissen weitergegeben?
  • Was läuft gut, wo gibt es Probleme?

Bedarfsermittlung und Zielvereinbarungen

Ausgehend vom Ist-Zustand wird der individuelle Handlungsbedarf ermittelt und es werden konkrete Ziele vereinbart, wie z.B. die systematische Einarbeitung von neuen Mitgliedern, die Erfassung und Sicherung der persönlichen Kontakte eines ausscheidenden Mitglieds oder die Erstellung von Anforderungsprofilen für die verschiedenen Funktionen im Gremium.

Auswahl und Gewichtung von Maßnahmen

Anschließend wird festgelegt, mit Hilfe von welchen Instrumenten und Methoden (siehe Werkzeuge) die vereinbarten Ziele erreicht werden sollen. Möglicherweise gibt es auch eigene Vorschläge und Verbesserungsideen. Eine Standardlösung gibt es nicht, da die Rahmenbedingungen von Betriebs- und Personalräten zu unterschiedlich sind. Jedes Gremium sollte deshalb die Werkzeuge auswählen, die zu seiner individuellen Situation am besten passen. Dabei sollte möglichst  pragmatisch vorgegangen werden und es sollten nur solche  Maßnahmen ausgesucht werden, die auch im Alltagsgeschäft umgesetzt werden können. Welche Wissensmanagement-Lösungen geeignet sind, hängt entscheidend von den vorhandenen Mitteln und Kapazitäten ab. Wenn die Zeit sowieso ständig knapp ist, macht es wenig Sinn, sich komplizierte und zeitaufwändige Maßnahmen vorzunehmen. Allerdings sollte auch überlegt werden, wie gerade solche Hemmnisse beseitigt oder zumindest vemindert werden können (z.B. indem sichergestellt wird, dass alle nicht freigestellten Mitglieder regelmäßig an den Gremiensitzungen teilnehmen können). Dann wird geklärt, welche der angedachten Maßnahmen zuerst in Angriff genommen werden soll. Oft neigt man dazu, sich zu viel auf einmal vorzunehmen. Dabei sind es häufig gerade die kleinen Maßnahmen, die zu einem schnellen Erfolg führen.

Umsetzung der Maßnahmen

In einem schriftlichen Plan wird festgehalten, welche Instrumente von wem innerhalb welchen Zeitraums angewendet werden sollen, d.h. die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten werden genau festgelegt. Es sollte auch überlegt werden, was selbstständig umgesetzt werden kann und wobei eine Unterstützung durch andere (z.B. Personalabteilung, Gewerkschaft) notwendig ist. In der Umsetzungsphase ist es wichtig, darauf zu achten, dass die getroffenen Vereinbarungen eingehalten werden. Viele Wissensmanagement-Lösungen scheitern nämlich oft daran, dass sie nicht konsequent ausgeführt werden. Es ist deshalb sinnvoll, eine Person mit der Gesamtkoordination zu beauftragen.

Erfolgskontrolle

Nach der Umsetzung einer Maßnahme sollte ihr Erfolg bewertet werden. Alle Beteiligten sollten befragt werden (z.B. durch Kurzinterviews, in einer Gruppendiskussion), um festzustellen, ob die Arbeit in der Interessenvertretung durch die Maßnahme bereichert wurde und wie sie sich auf die Kommunikation der Mitglieder untereinander ausgewirkt hat. Erzielte Erfolge sollten sichtbar gemacht werden, weil das die Motivation steigert. Anschließend wird versucht, die Erkenntnisse - vor allem im Hinblick auf Verbesserungsmöglichkeiten - in die alltägliche Praxis umzusetzen. Das kann bedeuten, laufende Maßnahmen anzupassen und weiterzuentwickeln oder zusätzliche neue Maßnahmen zu erproben. Vielleicht muss man sich auch von einer Maßnahme verabschieden und sie wieder einstellen, weil sie nicht zum gewünschten Erfolg geführt hat.

 

Grundsätzlich sollte berücksichtigt werden, dass Wissensmanagement nicht „mal eben“ eingeführt werden kann. Es braucht oft viel Zeit, um eingefahrene Routinen und Gewohnheiten zu durchbrechen, Einstellungen zu verändern und neue, bisher noch ungewohnte Lösungen zu erproben. Wissensmanagement ist ein kontinuierlicher und langfristiger Prozess, dessen Wirkungen häufig erst sehr viel später zu erkennen sind. Dieser Werkzeugkasten ist deshalb als eine Art Starthilfe zu verstehen. Jedes Gremium muss seine eigenen Erfahrungen damit machen, die Werkzeuge erproben und sie an die individuellen Erfordernisse anpassen und weiter entwickeln. Der Kreativität sind also keine Grenzen gesetzt.

Greifenstein, R., Kißler, L. & Lange, H. (2011): Trendreport Betriebsratswahlen 2010. Düsseldorf.

Greifenstein, R., Kißler, L. & Lange, H. (2014): Trendreport Betriebsrätewahlen 2014. Zwischenbericht. Marburg.

Pawlowsky, P. & Reinhardt, R. (Hg.) (2002): Wissensmanagement für die Praxis. Methoden und Instrumente zur erfolgreichen Umsetzung. Neuwied: Luchterhand.

Pircher, R. (Hg.) (2010): Wissensmanagement, Wissenstransfer,Wissensnetzwerke. Konzepte, Methoden, Erfahrungen. Erlangen: Publicis Publishing.

Polanyi, M. (1985): Implizites Wissen. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Probst, G., Raub, S. & Ronhardt, K. (2003): Wissen managen: Wie Unternehmen ihre wertvollste Ressource optimal nutzen. Wiesbaden: Gabler Verlag.

Virgillito, A., Bertermann, B., Wilkesmann, U. & Naegele, G. (2015): Einflussgrößen auf den Wissenstransfer in der betrieblichen Interessenvertretung. Eine empirische Untersuchung. Düsseldorf: edition Hans-Böckler-Stiftung (Band 290).

Wilkesmann, U. & Rascher, I. (2003): Wissensmanagement – Analyse und Handlungsempfehlungen. Düsseldorf: edition der Hans Böckler Stiftung, Band 96.

Wilkesmann, U. & Wilkesmann, M. (2009): Wissensmanagement. In: Gessler, M. (Hg.): Handlungsfelder des Bildungsmanagements. Ein Handbuch. Münster: Waxmann Verlag: 157–182

Wilkesmann, U., Wilkesmann, M., Virgillito, A. & Bröcker, T. (2011): Erwartungen an Interessenvertretungen. Berlin: edition sigma.

Informationen über die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie geförderte Initiative „Fit für den Wissenswettbewerb