Interview
Die Rolle von Stabsmitarbeitenden in der Mitbestimmung
Stabsmitarbeitende tragen maßgeblich zur Professionalisierung der betrieblichen Mitbestimmung bei. Ihre Aufgaben und Anforderungen unterliegen einem ständigen Wandel. Im Interview mit dem Referat ‚Personalmanagement und Mitbestimmung‘ wird ihre Rolle beleuchtet.
1. Überblick über die Funktion und Zusammenarbeit mit Stabsmitarbeitenden
Was sind Stabsmitarbeitende und welche Rolle erfüllen sie im Unternehmen?
Stabsmitarbeitende haben viele Namen (Referent*in, Geschäftsführer*in, etc.) und viele mögliche Rollen bei der Unterstützung von Betriebsratsgremien. Sie arbeiten als themenbezogene Spezialist*innen, als konzeptionsstarke Generalist*innen oder auch als Manager*innen der Arbeitsprozesse. Oft verstehen sie sich als Brückenbauer innerhalb der Gremienlandschaft oder auch zu den „Labor-Relations“ Abteilungen. Die Rollen sind also sehr unternehmensspezifisch.
Was macht die Rolle von Stabsmitarbeitenden für Betriebsräte / in Unternehmen so wichtig?
Zunächst mal stellen Stabsmitarbeitende zusätzliche Kapazitäten dar. Also rein quantitativ. Viele Betriebsratsgremien gehen aktuell unter in Regelungsbedarf. Das war zwar schon immer so, aber noch nie so intensiv und drängend wie aktuell. Zudem stellen Stabsmitarbeitende eine wichtige fachliche Ressource dar.
Häufig handelt es sich um arbeitspolitisch exzellent ausgebildete Akademiker, die in der Lage sind, das Ehrenamt wirksam zu unterstützen.
Als dritten Punkt würde ich eine gewisse Unabhängigkeit in dieser Fachlichkeit sehen. Stabsmitarbeitende haben so die Möglichkeit eine wichtige Mittlerfunktion zwischen Arbeitgeberseite und Arbeitnehmerseite einzunehmen aufgrund ihrer spezifischen fachlichen Expertise.
Welche Art von Angebot bietet das I.M.U. für Stabsmitarbeitende an? In welcher Funktion unterstützt das Referat ‚Personalmanagement und Mitbestimmung‘ die Stabsmitarbeitenden?
Das Netzwerk Stabsmitarbeiter*innen ist schon länger Stiftungsthema. In den Anfangsjahren, so um die Jahrtausendwende, handelte es sich aber um einen sehr kleinen Kreis in sehr loser Bindung. Im Laufe der Zeit wurde der Kreis aber größer und insbesondere seit 2016 ist er geradezu explodiert.
Inzwischen erreichen wir gut 350 Stabsmitarbeitende über unseren Verteiler und weiten entsprechend auch unser Angebot sukzessive aus. Dieses reicht von der Beratung von Gremien, die eine solche Stelle einrichten wollen, über Veröffentlichungen und Vorträge zu dieser spezifischen Mitbestimmungsrolle bis hin zu konkreter Netzwerkunterstützung.
Da steht natürlich unser jährliches Netzwerktreffen im Vordergrund. Im Januar treffen sich regelmäßig um die 100 Stabsmitarbeitende für zwei halbe Tage in Düsseldorf um sich dort mit Wissenschaft und Gewerkschaft zu vernetzen. Unterjährig bieten wir darüber hinaus seit gut 2 Jahren ein vierteljährliches Online-Treffen für EBR-Stabis an, und seit einem Jahr den sogenannten „Stabi-Espresso“, ein online Format zu themenbezogenen kollegialen Austausch. Nicht zu vergessen ist unsere niedrigschwellige „Freitagsmail“, eine Art Newsletter, der Anfragen aus dem Netzwerk an das Netzwerk ebenso bündelt, wie wichtige News aus der Stiftung.
Wie hat das Referat den Stabsmitarbeitenden konkret bei ihrer Arbeit für die Mitbestimmung und im Unternehmen unterstützt?
Dazu möchte ich in aller Demut sagen: Das Ereignis sind die Stabsmitarbeitenden selbst. Sie profitieren erheblich davon mit ihresgleichen – und zwar über die Grenzen der zuständigen Gewerkschaft hinaus – in Kontakt zu kommen. Die Kolleginnen und Kollegen wissen aber, dass wir als Referat gerne auch thematisch unterstützen oder an andere kompetente Personen in der Stiftung weiterleiten. Ich selbst habe insbesondere bei personalpolitischen Themen unterstützen können.
2. Anforderungen und Rolle der Stabsmitarbeitenden
Welche spezifischen Aufgaben übernehmen Stabsmitarbeitende in Bezug auf (betriebliche) Mitbestimmung und Unternehmensführung?
Wie gerade schon angesprochen, können sich die Aufgaben in der betrieblichen Mitbestimmung unternehmensspezifisch stark unterscheiden. Was die Unternehmensführung angeht, entwickelt sich das Profil der Stabsmitarbeitende aktuell m.E. erst.
Wir erkennen zunehmend, dass Stabsmitarbeitende auch Aufsichtsratsmitglieder unterstützen.
Welche Fähigkeiten oder Kenntnisse müssen Stabsmitarbeitende mitbringen, um in diesem Bereich effektiv zu sein?
Ich glaube, dass Stabsmitarbeitende vor allem mikropolitisch fit sein müssen. Sie müssen wissen, wie Organisationen funktionieren und welche Bedeutung dabei der „Grundwiderspruch zwischen Arbeit und Kapital“ hat. Auch sollten sie natürlich wissen, wie Mitbestimmung funktioniert – rechtlich wie auch politisch. Betriebswirtschaftliche, arbeitsrechtliche und generell personalpolitische Kenntnisse sind von Vorteil und der Rest ergibt sich aus dem konkreten Stellenzuschnitt, der, wie gesagt, außerordentlich vielfältig sein kann.
Gibt es bestimmte Themen oder Fragestellungen, die für Stabsmitarbeitende im Bereich der Mitbestimmung besonders wichtig oder herausfordernd sind?
Wie bereits gesagt, sind Stabsmitarbeitende in der Regel keine gewählten Betriebsratsmitglieder (wenngleich es auch das gibt in der vielfältigen Welt der Stabis). Sie haben also oft kein politisches Mandat für Ihre Arbeit. Gleichwohl agieren sie im Umfeld der Interessenvertretung. Das ist herausfordernd und oft ein heikler Balanceakt. Stabsmitarbeitende sind auch oft wesentliche Wissensträger für stark fluktuierende Gremien. Wenn sich ein Gremium neu zusammensetzt, sind es oft Stabsmitarbeitende, die das Onboarding der neuen Gremienmitglieder organisieren und die Gremien arbeitsfähig halten müssen.
3. Zusammenarbeit zwischen Stabsmitarbeitenden und anderen Akteuren
Wie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Stabsmitarbeitenden und den Betriebsräten oder Gewerkschaften im Unternehmen? Wo gibt es Schnittstellen?
Das hängt von den handelnden Akteuren und dem spezifischen Stellendesign ab. Auf der einen Seite sind Stabsmitarbeitende ein Ausdruck von „Verbetrieblichung“ der Mitbestimmung. Man macht sich also ein stückweit unabhängig von externer Beratungskompetenz. Auf der anderen Seite können es gerade die Stabsmitarbeitenden sein, die dazu beitragen die vielfältigen Angebote aus der Gewerkschaftswelt zu sortieren, zu nutzen sowie für ihre Gremien aufzubereiten. Ich würde sagen, dass auch in Richtung Gewerkschaften die Stabsmitarbeitenden als Brücke fungieren und zur gezielten Ressourcenallokation beitragen.
4. Zukunftsperspektiven und Entwicklungen
Wie wird sich die Rolle von Stabsmitarbeitenden im Bereich Mitbestimmung und Arbeitnehmerfreundlichkeit in Zukunft entwickeln? Werden ihre Aufgaben in den kommenden Jahren wichtiger?
Davon bin ich überzeugt. Die anstehenden Aufgaben für eine arbeitnehmerfreundliche Gestaltung von Arbeit sind vielfältig und überfordern die Kapazitäten des Ehrenamtes häufig erheblich. Auch Unternehmen sollten sich dann überlegen, ob sie lieber regelmäßig externen Sachverstand finanzieren sollen oder lieber eine entsprechende Stelle im Gremium selbst schaffen. Aber die Rolle der Stabsmitarbeitenden wird auch aus einem anderen Grund wichtig. Oft sind Stabsmitarbeitenden wichtige Stabilitätsfaktoren in Umbruchzeiten.
Die Fluktuation in Gremien wächst kontinuierlich und manche „Stabis“ berichten von vielen Betriebsratsvorsitzenden und kaum mehr zählbaren Vorstandsvorsitzenden, die sie „überlebt haben“.
Welche Trends oder Veränderungen sind in den Anforderungen an Stabsmitarbeitende, insbesondere im Hinblick auf Arbeitnehmerrechte und betriebliche Mitbestimmung, zu beobachten?
Die Themen werden abstrakter und Mitbestimmung wird strategischer. Heute fängt gute Betriebsratsarbeit überhaupt erst da an, wo sie früher aufgehört hat. Manche Dinge sind gar überhaupt nicht abschließend regelbar, sondern werden vielmehr begleitet von der Mitbestimmung. Die Einführung von KI ist so ein Thema. Dieses „Dran-bleiben-müssen“ macht Mitbestimmungsarbeit heute aus. Gleichzeitig wird Mitbestimmung immer mehr zu einem Mehrebenensystem, dass das Wirtschaftliche bzw. Unternehmensmitbestimmung in Wirtschaftsausschuss und Aufsichtsrat mit der Betriebsratsarbeit verquickt. Wie bereiten wir unsere Belegschaft auf die sozial-ökologische oder digitale Transformation vor? Wie steigern wir die Arbeitgeberattraktivität in der Bindung und im Recruiting? Das sind Fragen, die sich früher nur der Arbeitgeber stellen musste und heute z.T. sogar vornehmlich von der Mitbestimmung „im Lead“ beantwortet werden.
Welche neuen Fähigkeiten oder Kenntnisse werden Stabsmitarbeitende in Zukunft benötigen, um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden?
Das Netzwerk wird regelmäßig von uns zu den aktuellen Herausforderungen befragt. Anfang 2025 werden wir die Ergebnisse der inzwischen 3. Befragungswelle haben. Hieraus werden sich auch Ableitungen zu zukünftigen Kompetenzanforderungen machen lassen. Die entsprechende Veröffentlichung werden wir auf mitbestimmung.de verfügbar machen.
5. Abschluss
Es gibt ein Netzwerk für Stabsmitarbeitende. Wie können diese vom Netzwerk profitieren und wie kann man Teil dieses Netzwerkes werden?
Wir bekommen immer wieder Nachrichten von bestehenden Mitgliedern unseres Netzwerkes, man solle diese oder jene Person aufnehmen. Wir prüfen dann nur, ob es sich tatsächlich um eine Rolle aus dem beschriebenen Spektrum handelt, und nehmen sie in den Verteiler auf. Einige werden auch über mitbestimmung.de auf uns aufmerksam oder begegnen uns auf Veranstaltungen. Wie auch immer der Zugang dann aussieht, bieten wir dann auch ein kleines Online-Onboarding an, um ihnen das Netzwerk vorzustellen. So ist das Netzwerk in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen und wird mit jedem Mitglied spannender.

Netzwerk Stabsmitarbeiter*innen
Du bist Stabsmitarbeiter*in in einem Betriebsrats- oder Personalrats-Gremium und noch nicht Teil des HBS-Netzwerkes? Dann melde Dich gerne bei uns!
Im seit 2006 bestehenden HBS-Netzwerk der Stabsmitarbeiter*innen sind zurzeit ca. 350 Personen aktiv – mit starker Zuwachs-Tendenz. Einmal im Jahr ermöglichen wir einen branchenübergreifenden Austausch; seit Corona zwei-monatig einen Austausch der EBR-Stabsmitarbeiter*innen. Regionale Treffen finden zweimal im Jahr statt.
Kontakt: Jan-Paul Giertz & Claudia Beer