Branchenmonitor
Fleischwirtschaft
Mit Inkrafttreten des Arbeitsschutzkontrollgesetzes sind seit 2021 Werkverträge und Leiharbeit in Kernbereichen der Fleischindustrie verboten. Die bisherige Bilanz fällt gemischt aus.
Schlachten und Fleischverarbeitung (Branchenmonitor, pdf)
WZ08-10.1
Oktober 2023, 18 Seiten
Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit
Um gegen die Missstände in der Fleischindustrie mit gesetzlichen Regelungen anzugehen, wurde im Dezember 2020 das „Arbeitsschutzkontrollgesetz“ verabschiedet. Danach sind seit 2021 Werkverträge und (mit wenigen Ausnahmen) Leiharbeit in Kernbereichen der Fleischindustrie (Schlachten, Zerlegen, Verarbeiten) verboten.
Um die Einhaltung der Mindestlohnvorschriften wirksam zu überprüfen, gilt eine Pflicht zur digitalen Arbeitszeiterfassung. Für die Unterkünfte wurden Mindeststandards festgelegt. Die Arbeitgeber sind verpflichtet, die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften zu dokumentieren.
Fortschritte, aber nach wie vor Missstände
In der Folge des neuen Gesetzes wurden mehr als 30.000 Werkvertragsbeschäftigte von den Fleischunternehmen direkt angestellt. Allein bei Tönnies wurden 8.500 ehemalige Werkvertragsbeschäftigte übernommen, bei Westfleisch 3.000, bei Vion 3.300. Das Gesetz stärkt die Position von Betriebsräten, da sie nun für die Interessenvertretung aller Beschäftigten sowie Kontrolle und Aufsicht im gesamten Unternehmen zuständig sind. Es werden nach wie vor Missstände bei der Arbeitszeiterfassung berichtet, aber durch die digitale Arbeitszeitaufzeichnung sind massive Arbeitszeitverstöße schwieriger geworden.
Bei bestimmten Punkten des Gesetzes wie der Frage der Unterkünfte oder der behördlichen Kontrollen wurden in der Breite bisher jedoch nur begrenzt Fortschritte gemacht. An vielen Orten wurden Sanierungen durchgeführt und neue Werkswohnungen bezogen. Doch nach wie vor gibt es Unterkünfte, die überbelegt sind, oder es zeigen sich Mängel u.a. bei Ausstattung und hygienischen Bedingungen. Nicht selten sind die Mietkosten für ein Bett bzw. einen Schlafplatz überteuert.
Kritisch zu sehen ist, dass frühere Werkvertragsunternehmen nach wie vor häufig als „Arbeitsvermittler“ für das Recruiting und die Unterbringung bzw. die Verteilung der Beschäftigten auf die Unterkünfte zuständig sind. Vielfach sind die vorwiegend aus Osteuropa und dem Westbalkan stammenden Beschäftigten auch als heutige Stammbeschäftigte immer noch mit den alten Führungs- und Hierarchiestrukturen konfrontiert, die mit übernommen wurden.
Arbeitsschutzkontrollgesetz als erster Schritt
Das Arbeitsschutzkontrollgesetz allein wird nicht ausreichen, um die Arbeitsbedingungen weiter zu verbessern. Entscheidend wird vor allem die weitere Entwicklung der betrieblichen und gewerkschaftlichen Interessenvertretung sein. Der im Jahr 2021 verhandelte Tarifvertrag über einen branchenweiten Mindestlohn, der vom BMAS für allgemeinverbindlich erklärt wurde, ist hier ein wichtiger Meilenstein.
Mit einem Rekordumsatz von 47,1 Mrd. Euro im Jahr 2022 ist die Fleischwirtschaft die umsatzstärkste Branche der Nahrungs- und Genussmittelindustrie in Deutschland. Abnehmender Konsum, sinkende Schweine- und Rinderbestände und der Einfuhrstopp für deutsches Schweinefleisch (v.a. in Asien) infolge des Auftretens der Afrikanischen Schweinepest in Deutschland 2020 führen jedoch zu geringerem Aufkommen in den Schlacht- und Verarbeitungsbetrieben. Dies hat strukturelle Anpassungen der Unternehmen zur Folge (Restrukturierung, Personalabbau, Standortschließungen).