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Transformation und Mitbestimmung

Digitalisierungsprozesse mitbestimmen – Beispiele guter Praxis

Betriebs- und Personalräte bestimmen Veränderungsprozesse mit. Sie sind Innovationsträger und stecken in Form von Betriebs- und Dienstvereinbarungen den Rahmen ab, in dem sich Beschäftigte frei bewegen können. Es gibt gute Beispiele, wie Leitplanken bei digitalen Transformationsprozessen gesetzt werden können.

Betriebs- und Personalräte begegnen den derzeitigen Veränderungsprozessen mit unterschiedlichen Herangehensweisen: Einige stellen sich in ihrer Gremienarbeit gänzlich neu auf. Andere verankern ihre Mitbestimmung frühzeitig in Arbeitsprozessen oder verhandeln eine Neuorganisation des Informationstransfers zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite. Es gibt kein Patentrezept! Es gilt stets, die individuellen betrieblichen Belange zu berücksichtigen. Anhand ausgewählter Praxisbeispiele wird gezeigt, wie Betriebs- und Personalräte in (digitalen) Transformationsprozessen Mitbestimmung in Vereinbarungen verankern und somit die Arbeitswelt von morgen mitgestalten.

Wie Beteiligung festschreiben?

Betriebs- und Personalräte gestalten Transformationsprozesse aktiv mit und nehmen eine neue, sich wandelnde Rolle ein. Sie sind Innovationsträger und stecken den Rahmen ab, in dem sich Beschäftigte einbringen und frei bewegen können. Trotz ungewisser Zukunft können Leitplanken für gute Arbeit gesetzt werden. In den vorliegenden Beispielen lassen sich folgende Herangehensweisen erkennen:

  • Informationen einholen, Transparenz schaffen, Mitbestimmungsprozesse festschreiben,
  • externen Sachverstand einholen, die Beschäftigten qualifizieren,
  • Akzeptanz durch Transparenz schaffen, Beschäftigte einbinden,
  • Aufgaben auf Arbeitsgruppen übertragen,
  • Prozesse durch Ausschüsse und Steuerungskreise begleiten und gestalten,
  • Konflikte angehen und einvernehmliche Lösungen finden.

Zukunftsvereinbarung

Eine im Rahmen des Projektes „Arbeit 2020 in NRW“ abgeschlossene Betriebsvereinbarung zeigt, wie Themen der Zukunft prozesshaft mitbestimmt werden. Diese Prozessvereinbarung impliziert einen fortlaufenden und begleitenden Mitbestimmungsprozess. Die Betriebspartner verständigen sich unter anderem darauf, die Regelungen zu evaluieren und, sofern erforderlich, nachträglich anzupassen. Es geht darum, festzuschreiben, wie identifizierte Themen gemeinsam ausgestaltet werden können. Neben der Themensetzung wird auch festgehalten, wie Beschäftigten über den Transformationsprozess im Unternehmen informiert und eingebunden werden. Betriebsrat und Arbeitgeberin schreiben darüber hinaus fest, wie zukünftige, noch nicht absehbare Themen bearbeitet werden. Bei den bereits identifizierten Themen sind in der Regelung praktische Maßnahmen formuliert.

Die an dem Projekt beteiligten Gewerkschaften begleiten gemeinsam mit externen Beratern die Projektbetriebe bei der Prozessausgestaltung und auf dem Weg hin zur Zukunftsvereinbarung. Es werden Workshops mit betrieblichen Akteuren durchgeführt. Nach Möglichkeit nehmen pro Abteilung mehrere auskunftsfähige Personen (auch Führungskräfte und Projektleiter) an einem Workshop teil. Gemeinsam beleuchten die Teilnehmenden die Aufgaben und Prozesse der Abteilungen. Sie bewerten die Situation der Arbeit in Hinblick auf Beschäftigung, Arbeitsanforderungen und -­bedingungen. Dies ermöglicht einen Überblick über den aktuellen Stand der Veränderungen in den einzelnen betrieblichen Bereichen. Diese Vorgehensweise wurde in der Zukunftsvereinbarung auch für zukünftige Veränderungen festgeschrieben:

Es wird vereinbart, dass für alle Handlungsfelder zur gemeinsamen Bearbeitung je eine Arbeitsgruppe nach § 28a BetrVG […] zur Entwicklung und Umsetzung der geeigneten Maßnahmen gebildet wird.

(100100/773/2017)

Weitere Informationen

Bromberg, Tabea/Loos, Patrick/Mierich, Sandra/Werner, Nils (2019): Die digitale Transformation mitgestalten. Wie können sich Betriebsräte besser in betriebliche Veränderungsprozesse einbringen? Reihe: Mitbestimmungspraxis, Nr. 23. Hans­-Böckler­-Stiftung (Hg.).

Haus der Arbeitswelten bei Merck KGaA

Der Betriebsrat der Merck KGaA hat ein strategisches Konzept entwickelt, um auf die fortschreitende Digitalisierung vorbereitet zu sein. Mit dem Haus der Arbeitswelten haben der Betriebsrat und die Arbeitgeberseite den Anstoß für einen dauerhaften Mitbestimmungsprozess gegeben. Die Betriebsräte behandeln in verschiedenen Ausschüssen Projekte und neue Anforderungen; sei es Bildung, Arbeitnehmerdatenschutz, Arbeitsschutz/Arbeitsmedizin oder strategische Personalplanung. Es wird themenübergreifend zusammengearbeitet, gemeinsam werden die Auswirkungen auf die Beschäftigungsbedingungen bewertet. Mitbestimmungsrechte werden dort angewendet, wo sie nötig sind.

Arbeitsmodell für die Digitalisierung

Weitere Informationen

Wie das Haus der Arbeitswelten bei der Merck KGaA umgesetzt wird, hat Gernot Mühge für uns portraitiert.

Die digitalen Leitplanken der bei der Deutschen Bahn AG

Bei der Deutschen Bahn AG wird der technologische Wandel sozialpartnerschaftlich ausgestaltet. Ein bestehender Tarifvertrag bildet bereits ein stabiles Gerüst. Beschäftigte, Unternehmen und Kunden sollen gleichermaßen profitieren. Die Betriebspartner stoßen einen intensiven Diskussionsprozess an. Ein umfangreiches Leitbild wird erarbeitet. Die Betriebsparteien verständigen sich auf eine „lebende“ Vereinbarung. Das bedeutet, dass diese als solche regelmäßig durch die Betriebsparteien evaluiert wird. Die Konzernbetriebsvereinbarung gliedert sich in vier Handlungsfelder: „Kultur verändern, Orientierung schaffen und Sicherheit geben“, „Leistungsfähigkeit und Teilhabe der Beschäftigten“, „Digitalisierung und neue Arbeitswelten“ und „Wir bilden Zukunft“. Kerngedanke der Vereinbarung ist, dass die Beschäftigten an der Digitalisierung partizipieren sollen. Sie soll ihnen Sicherheit und Beteiligungsmöglichkeiten gewähren.

Weitere Informationen

Ein Portrait über die digitalen Leitplanken der Deutschen Bahn AG hat Gernot Mühge für uns verfasst.

Die „Factory of the Future” der Airbus Operations GmbH

Bei der Airbus Operations GmbH verständigen sich die Betriebsparteien auf eine Gesamtbetriebsvereinbarung zur Umsetzung aller Industrie­-4.0-Projekte. Damit kommen diese Projekte nicht an der Mitbestimmung vorbei. Es werden Leitlinien zur Kommunikation mit den Beschäftigten festgeschrieben. Darüber hinaus verständigen sich die Betriebsparteien über Grundsätze zur Qualifikation und Beteiligung. Alle neuen Industrie­-4.0-Projekte müssen durch die Projektverantwortlichen beschrieben werden. Beschäftigungs- und datenschutzrelevante Inhalte werden in einem standardisierten Projektsteckbrief skizziert, der Projektablauf geschildert und die Verantwortlichen bestimmt. Jedem Steckbrief muss zu entnehmen sein, welche Beschäftigtengruppen von der Einführung betroffen sind, außerdem werden zu erwartende Auswirkungen auf die Arbeitsplätze festgehalten. Zusätzlich werden Kriterien zur Beteiligung der Beschäftigten festgelegt.

Alle Projekte müssen die Lenkungskreise der beiden Betriebsparteien passieren. Dann erfolgt bspw. eine Erprobungsphase. Sollten Mängel auftreten, müssen diese zunächst behoben sein, bevor der Steckbrief wieder in den Lenkungskreisen thematisiert wird. Nach einer abschließenden Bewertung wird das Projekt umgesetzt.

Das Portrait über die „Factory of the Future“ der Airbus Operations GmbH ...

... steht online zum Download zur Verfügung. Es wurde von Gernot Mühge angefertigt.

Zeit- und ortsflexibles Arbeiten

Das Beispiel einer Dienstvereinbarung zum zeit- und ortsflexiblen Arbeiten zeigt, welche Leitplanken ein Personalrat gesetzt hat. Dazu wurde ein kontinuierlicher Mitbestimmungsprozess vereinbart, indem Beschäftigte aktiv mit einbezogen werden. Um mögliche Praxiserfahrungen einzuarbeiten, wird diese Vereinbarung gemeinsam mit der Arbeitgeberseite evaluiert. Die Dienstvereinbarung sieht auch eine Handreichung vor, um organisatorische Bedingungen zu erläutern.

Der Personalrat schreibt dazu: „Die Arbeit hat sich erstmal grundsätzlich dem Beschäftigten anzupassen [...]. Es gibt keine Beschäftigung von der Stange, es gibt keine Tätigkeit von der Stange.“

Hier stellen wir ein Beispiel aus der Praxis zum orts- und zeitflexiblen Arbeiten zum Download bereit:

Der Einsatz digitaler und technischer Hilfsmittel

Beim Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie werden große Datenmengen gesammelt, verknüpft und ausgewertet. Die Anwendung von Algorithmen hebt die Auswertung von Daten auf die nächste Stufe. Dies stellt Mitbestimmungsakteure vor Herausforderungen: Welche Daten werden erhoben? Wo werden sie gespeichert? Wer hat Zugriff auf die Daten? Wie werden sie verwendet? Die neuen Systeme erweisen sich als zunehmend komplex. Wo Chancen und Risiken liegen, ist nicht sofort ersichtlich.

Einzelne Beispiele zeigen, dass Betriebs- und Personalräte bei der Einführung von Informations- und Kommunikationstechnologie bereits frühzeitig in den Einführungs- und auch Ausgestaltungsprozess mit eingebunden werden. Nur so können sie Risiken rechtzeitig erkennen und minimieren.

Weitere Informationen

Wir stellen Beispiele aus der Praxis zur Einführung und Anwendung der Software Office 365 und Success Factors zum Download bereit. Andree Thieltges aus dem von der Hans-­Böckler­-Stiftung geförderten Projekt „Algorithmische Gegenmacht“ hat die Vereinbarungen kommentiert.