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Currenta

Dialog mit Beschäftigten und Bürger*innen

Nach der Explosion von Gastanks im Juli 2021 auf dem Currenta-Gelände in Leverkusen ist es das Ziel des Betriebsrats, den Arbeits- und Umweltschutz im Unternehmen weiter zu verbessern.

Portrait Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit ist für die Currenta GmbH & Co. OHG seit 2014 zentrales Leitbild und Basis seiner Zukunftsstrategie. Das Unternehmen betreibt eines der größten Chemie-Areale in Europa: die Chemparks in Leverkusen, Dormagen und Krefeld-Uerdingen.

Das ehemalige Tochterunternehmen von Bayer – und nach 2005 auch von Lanxess – firmierte bis Ende 2007 als Bayer Industry Services GmbH & Co. OHG und ist heute im Besitz von Kunden der Macquarie Infrastructure and Real Assets.

Die Versorgung der produzierenden Unternehmen innerhalb und außerhalb der Chemparks mit Energien und das Entsorgen von chemischen Stoffen, Lösungsmitteln und Sonderabfällen ist das Kerngeschäft von Currenta. Das Unternehmen produziert vor allem Dampf, Strom sowie vollentsalztes Wasser und versorgt Erdgasleitungen. Aufgrund seiner Erfahrungen bei der Lagerung und Verteilung von Gas sowie bei der Wartung der Gasnetze setzt es darauf, bei der Versorgung mit künftigen Energieträgern, insbesondere Wasserstoff, eine zentrale Rolle einnehmen zu können.

Der Dampf und ein Großteil des Stroms, mit denen Currenta die Unternehmen in den Chemparks versorgt, werden in Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen erzeugt. Diese werden momentan noch zu rund 70 Prozent mit Energie aus der Kohleverbrennung betrieben. Bis 2025 will das Unternehmen vollständig aus der Kohleverstromung aussteigen und als Übergangstechnologie auf Gas und später gegebenenfalls auf Wasserstoff umstellen.

Ausgangslage

Dem Betriebsrat bei Currenta ist vor allem wichtig, dass bei der Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens alle drei Dimensionen – ökologische, ökonomische und soziale – gleichermaßen in den Blick genommen werden.

Schon 2008 spielte das Thema Nachhaltigkeit bei Currenta eine zentrale Rolle. Damals startete das Unternehmen eine Initiative, um Energiekosten einzusparen, da zu dieser Zeit die Energiekosten zu explodieren begannen. Diese war vor allem wirtschaftlich motiviert, dezidiert ökologische Beweggründe spielten dabei keine Rolle.

Bis Anfang der 2000er-Jahre waren es vor allem die Personalkosten, an denen das Unternehmen „schrauben“ konnte, um Kosten zu sparen. Das ist inzwischen weitgehend ausgereizt, auch wenn die Digitalisierung von Prozessen, insbesondere in den Verwaltungsbereichen, noch die eine oder andere Einsparmöglichkeit bietet.

Als dann zunehmend die Energie- und Materialkosten ins Visier der Controller gerieten, richtete Currenta sein besonderes Augenmerk wieder auf seine Mitarbeiter*innen, allerdings mit einem anderen Ziel: Jetzt ging es darum, die Beschäftigten als „Expert*innen in eigener Sache“ zu Hauptakteur*innen der Veränderungsprozesse zu machen. Sie selbst sollten veränderte Handlungsmuster im Betriebsalltag und eigene Ideen für einen sparsamen Umgang mit Energie entwickeln. Das Ganze wurde durch das betriebliche Vorschlagswesen speziell zum Thema Energiesparen ergänzt, das mit attraktiven finanziellen Anreizen ausgestattet war.

Bei der aktuellen Nachhaltigkeitsstrategie von Currenta ist das anders. Hierbei geht es um weit mehr als das Einsparen von Energie aus ökonomischen Gründen. Im Mittelpunkt stehen der ökologische und digitale Umbau des gesamten Unternehmens. Und diese werfen vielfältige soziale Fragen auf, die den Erhalt von Arbeitsplätzen, Qualifikationen und Arbeitsbedingungen berühren.

So zeichnet sich bereits ab, dass nach der Umrüstung der beiden Kohlekraftwerke auf dem Gelände in Krefeld-Uerdingen auf Gasbetrieb rund 40 Prozent weniger Personal benötigt wird. Die neuen Anlagen werden künftig von zentralen Leit- beziehungsweise Messwarten aus bedient, an denen nur noch wenige Menschen tätig sein werden.

Aber auch in anderen Bereichen, die technologisch schrittweise von Kohle auf Gas und schließlich auf Erneuerbare Energien und Wasserstoff umgerüstet werden sollen, zeichnen sich erhebliche Veränderungen ab, vor allem für Logistik, Instandhaltung, Infrastruktur. Etliche Arbeitsplätze werden sich verändern, manche verloren gehen.

Sichere Beschäftigung durch Qualifizierung

Die Mitbestimmungsakteure bei Currenta sehen sich damit vor große Herausforderungen gestellt. Es gibt eine Zukunftsvereinbarung, die das Unternehmen mit dem Gesamtbetriebsrat und der IG BCE abgeschlossen hat, die betriebsbedingte Kündigungen im Fall von Umstrukturierungen bis 2025 ausschließt. Deshalb sieht der Betriebsrat vor allem zwei Wege, um mutmaßliche Risiken bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie für die Beschäftigten – insbesondere die absehbare Veränderung und der mögliche Abbau von Arbeitsplätzen – aufzufangen: Zum einen verlangt er vom Arbeitgeber, angesichts des hohen Anteils von Beschäftigten im rentennahen Alter, eine Regelung zum gesicherten Einstieg in den vorzeitigen Ruhestand. Zum anderen macht er sich für umfangreiche Maßnahmen zur Qualifizierung der Belegschaft stark.

Die Bedeutung lebenslangen Lernens, für das wir uns schon lange einsetzen, hat inzwischen auch der Arbeitgeber kapiert.

Detlef Rennings, Konzern- und Gesamtbetriebsratsvorsitzender

Bei der Ausbildung gibt es schon erste Lösungsansätze. Seit gut vier Jahren bildet Currenta Kraftwerker selbst aus, um für die Umrüstung seiner Kohlekraftwerke auf Gasbetrieb gut gewappnet zu sein. Das ist ein Novum für die Chemische Industrie.

Nach dem ersten Ausbildungsjahr, in denen die Auszubildenden die Grundlagen der Chemie vermittelt bekommen, arbeiten sie bereits im Kraftwerk und sammeln dort praktische Erfahrungen, die sie für die Umstellung von Kohle auf Gas nutzen können. Im Rahmen der theoretischen Kraftwerker-Ausbildung an der Kraftwerker-Schule in Essen lernen sie darüber hinaus die neuesten Zukunftstechniken kennen und erhalten dadurch das notwendige Rüstzeug, um die Transformation der Kraftwerke weiter in Richtung Klimaneutralität voranzutreiben und mitzugestalten.

Partizipation der Beschäftigten

Die Transformation in der chemischen Industrie könnte für Deutschland aus Sicht des Betriebsrats eine Riesenchance sein, sofern der Wechsel von der Kohle zu Gas und später zu Wasserstoff Schritt für Schritt erfolgt und dabei die Versorgungssicherheit sowie die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens gewährleistet bleiben. Für einen solchen Weg einer nachhaltige Chemie-Industrie auf der Basis sicherer Arbeitsplätze und guter, mitbestimmter Arbeit, mit coolen Projekten zur Nachhaltigkeit und Digitalisierung möchte er die Belegschaft begeistern.

Eine Kernforderung lautet daher für ihn: Partizipation der Belegschaft. Bei der Diskussion eines neuen, auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Leitbildes (purpose) hat Currenta diesen Gedanken aufgegriffen. Eine ganze Woche lang wurde rund 60 Mitarbeiter*innen aus allen Bereichen Gelegenheit gegeben, eigene Vorstellungen zu einem solchen Leitbild zu entwickeln und in die weitere Diskussion einzubringen. Von derartigen Beteiligungsansätzen wünscht sich der Betriebsrat mehr.

Aber auch für sich selbst fordert er bessere Möglichkeiten ein, um die Transformation frühzeitiger und wirksamer mitgestalten zu können – etwa durch die Einrichtung eines Nachhaltigkeitsgremiums im Unternehmen, in das der Betriebsrat fest eingebunden ist. Dieses könnte die Form eines Ausschusses, eines gemeinsamen Strategiekreises oder einer paritätischen Kommission haben.

Intensiver und beständiger Dialog

Überaus wichtig sind dem Betriebsrat auch der intensive und beständige Dialog mit der Belegschaft und der Öffentlichkeit über die Themen Nachhaltigkeit, Umwelt- und Klimaschutz.

Seit dem Unfall am Standort Leverkusen lässt sich feststellen, dass unter den Beschäftigten, aber auch in Teilen der Bevölkerung, das Bedürfnis nach Schutz und Sicherheit besonders groß ist. Deshalb besteht der Betriebsrat darauf, das Thema Arbeits- und Umweltschutz künftig im gesamten Unternehmen stärker in den Vordergrund zu stellen.

Currenta geriet im Juli 2021 in die Schlagzeilen, als durch eine Explosion von Chemietanks auf dem Gelände des Chemparks in Leverkusen sieben Menschen ums Leben kamen. Seine Nachhaltigkeitsstrategie stand auch deshalb in der öffentlichen Kritik, weil infolge der Explosion und aufgrund eines lange nicht erkannten Lecks in den Wasserspeichern des Werks rund 13 Millionen Liter mit Chemikalien verunreinigtes (Lösch-)Wasser weitgehend ungefiltert in den Rhein geflossen war. Allerdings wurden dabei zulässige Grenzwerte nach internen und behördlichen Untersuchungen nicht überschritten.

Der Betriebsrat möchte dafür sorgen, dass bestehende Sicherheitsregeln auf den Prüfstand gestellt werden und die Ergebnisse aus dem verstärkten Beschäftigten- und Bürger*innen-Dialog in den Transformationsprozess und in die Sicherheitskultur des Unternehmens einfließen. Außerdem kommt es ihm darauf an, mehr Transparenz über die Rolle der Chemie-Industrie für die Energiewende und eine klimaneutrale Wirtschaft zu schaffen.

In den Diskussionen mit den Beschäftigten und Teilen der Öffentlichkeit ist immer wieder betont worden, dass gerade die ökologische Transformation der Chemie-Industrie nicht das Problem, sondern vielmehr Teil der Lösung ist.

Detlef Rennings, Konzern- und Gesamtbetriebsratsvorsitzender

Dass Chemieprodukte vor allem hinsichtlich ihrer Gefährlichkeit, nicht aber hinsichtlich ihrer Nützlichkeit für eine nachhaltig wirtschaftende Gesellschaft beurteilt werden, ärgert den Currenta-Betriebsrat. Allzu oft werde die Chemie-Industrie als Dreckschleuder oder als Gefahrenquelle ersten Ranges für Natur, Umwelt und Klima dargestellt und weniger als Schlüsselindustrie für die Herstellung von Materialien zur Wärmedämmung, von Stoffen für Kühlsysteme und zur Versorgung mit Zukunftsenergien.

Dies ist für ihn ein Hauptgrund, auch den Dialog mit der Öffentlichkeit zu verstärken. Hierzu nutzt er die vor Ort gegebenen Möglichkeiten, wie etwa die regelmäßigen Treffen der Krefelder Initiative „Zukunft durch Industrie“, einen Zusammenschluss von Unternehmen, Betriebsräten und Gewerkschaftsvertreter*innen aus unterschiedlichen Unternehmen und Branchen. Ein anderer wichtiger Anlaufpunkt – gerade nach dem Unfall auf dem Werksgelände in Leverkusen – war und ist für ihn das sogenannte Nachbarschaftsbüro des Chemparks in der Innenstadt von Krefeld-Uerdingen, um mit Vertreter*innen aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zu diskutieren.

Seit acht Jahren betreibt Currenta für die Chemparks in Leverkusen, Dormagen und Krefeld-Uerdingen jeweils Nachbarschaftsbüros als Verbindungsstellen für den Bürgerdialog. Hier können sich Bürger*innen rund um die Chemparks informieren und Fragen stellen – etwa zu Bebauungsplänen, Sicherheitseinrichtungen, Zukunftstechnologien oder Nachhaltigkeitsaspekten.

Die Nachbarschaftsbüros organisieren Begegnungsveranstaltungen zwischen Bürger*innen, politischen Entscheidungsträgern der verschiedenen Ebenen (Kommune, Land Nordrhein-Westfalen, Bund, Europa), Vereinen und Verbänden und bieten die Möglichkeit zur Vernetzung in Arbeitskreisen. Auch mit Umweltinitiativen wie Fridays for Future und der Partei Die Grünen stehen die Büros im Dialog.

Für die Nachbarschaftsbüros wurden die Chemparks im Jahr 2014 vom Verband der Chemischen Industrie ausgezeichnet.

Kontakt

Detlef Rennings, Gesamtbetriebsratsvorsitzender