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Betriebsrat und Homeoffice-Arbeitende

Besser miteinander kommunizieren

Angesichts verbreiteter und dauerhafter Homeoffice- und Mobilarbeit verändert sich die Kommunikation zwischen Betriebsrat und Beschäftigten. Wie sie diese trotz räumlicher Trennung intensivieren können, untersucht ein Projekt von Professor Carsten Wirth.

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Förderlinie Transformation: Wir bringen wissenschaftliche Expertise und gute Praxis zusammen – betrieblich, regional, lösungsorientiert.

Die Corona-Pandemie hat die Arbeitswelt weitreichend verändert. Das gilt insbesondere für die Arbeit im Homeoffice. Was von der Bundesregierung zunächst als akute Arbeitsschutzmaßnahme empfohlen und von ihr auf dem Höhepunkt der Pandemie zu einer zeitlich begrenzten Unternehmenspflicht ausgestaltet wurde, zählt in der heutigen Post-Corona-Zeit vielerorts inzwischen zum „neuen Normal“. Selbst Arbeitgeber, die sich lange dagegen gesträubt hatten, können sich heute für diese Arbeitsform erwärmen. Homeoffice entspricht dem Bedürfnis vieler Beschäftigter und zahlt sich zumeist auch für die Unternehmen aus, wie viele Untersuchungen zeigen.

Aber die neue Normalität hat ihre Schattenseiten, die vor allem für Betriebsräte und andere Mitbestimmungsakteur*innen immense Herausforderungen mit sich bringen. Ihre Arbeit basiert auf Kommunikation – zuallererst mit den Beschäftigten, aber auch mit dem Arbeitgeber, dem Management, den Gewerkschaften, internen und externen Sachverständigen bis hin zu Behörden und regionalen Akteur*innen. Homeoffice – auch von Betriebsratsmitgliedern selbst – verändert diese Kommunikationsarbeit radikal.

Das Projekt „Betriebsrat und Homeoffice-Arbeitende: Ein Kommunikationskonzept“ befasst sich mit den massiven Veränderungen der Arbeit von Betriebsräten und anderen Mitbestimmungsakteur*innen unter den Bedingungen verbreiteter und dauerhafter Homeoffice- und Mobilarbeit. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie Betriebsräte mit der teils vollständigen räumlichen Trennung von den Arbeitenden umgehen und die kommunikative Zusammenarbeit nicht nur mit ihnen, sondern auch untereinander, mit anderen Mitbestimmungsakteur*innen, den Gewerkschaften und dem Management gewährleisten.

Das Projekt wird von Prof. Dr. Carsten Wirth, Professor im Fachbereich Gesellschaftswissenschaften an der Hochschule Darmstadt, geleitet und durchgeführt. Es knüpft an eine bereits zuvor von Carsten Wirth für die Stiftung „Arbeit für alle – Aber nur mit Tarifvertrag“ (Mühltal) durchgeführte Studie an, deren Ergebnisse in der Schriftenreihe „Mitbestimmungspraxis“ (Nr. 48, August 2022) des Instituts für Mitbestimmung und Unternehmensführung (I.M.U.) in der Hans-Böckler-Stiftung unter dem Titel „Homeoffice-Beschäftigte allein zu Haus? Ergebnisse einer Studie zur Praxis von Betriebsräten bei Homeoffice-Arbeit“ publiziert wurden. Darin untersuchte er im Schatten der Corona-Pandemie die Mitbestimmungspraxis von Betriebsräten bei Homeoffice-Arbeit.

In dem neuen, von der Förderlinie Transformation der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Projekt, konzentriert sich der Wissenschaftler auf die Kernaufgabe von Betriebsräten – die Kommunikationsarbeit. Mit Hilfe von Befragungen von Arbeitnehmervertreter*innen und auf Workshops mit ihnen möchte er erkunden, wie diese sich unter den Bedingungen dauerhaft vereinbarter Homeoffice-Arbeit verändert. Zugleich beabsichtigt er, gemeinsam mit den befragten Betriebsräten neue kommunikative Ansätze zu entwickeln und zu reflektieren, um den Kontakt mit den Beschäftigten zu halten und – besser noch – zu intensivieren.

Das Projekt wird von der Hans-Böckler-Stiftung im Rahmen ihrer Förderlinie Transformation über den Zeitraum 1. Mai 2023 bis 30. November 2024 finanziell gefördert.

Die Gefahr besteht, dass sich Beschäftigte im Homeoffice vom Betriebsrat, aber auch von der Gewerkschaft langfristig nicht mehr oder unzureichend vertreten fühlen. Es fehlt vor allem die vertrauensvolle Nähe, das persönliche empathische Gespräch, um individuelle Sorgen und Befindlichkeiten zu adressieren oder auch um ermuntert und bestärkt zu werden. Fraglich ist, ob dieses Manko durch neue Formen der Online-Kommunikation oder andere Begegnungsformen aufgefangen werden kann. „Die neue Herausforderung bei Homeoffice im Dauerbetrieb besteht darin, situationsadäquate Kommunikationswege vom Betriebsrat zu den Beschäftigten, von diesen wieder zum Betriebsrat, zur Gewerkschaft und von dieser wiederum zu den Beschäftigten über lange Zeiträume hinweg zu finden“, betont Carsten Wirth.

Das geringste Problem, um die räumliche Entfernung zwischen Betriebsrat und Beschäftigten bei Homeoffice zu überwinden, ist die technische Ausstattung. Bei seinen früheren Recherchen stellte der Wissenschaftler fest, dass die meisten Betriebsräte bereits digital arbeiten und während der Pandemie den Kontakt zu den Beschäftigten halten konnten. Am unkompliziertesten war die technisch vermittelte Kommunikation bei einem IT-Dienstleister und einem Baustoffproduzenten. Bei zwei anderen Unternehmen mit je einem hohen Anteil gewerblich Beschäftigter war die Sache schwieriger, zumindest zunächst ungewohnt.

Dennoch lässt sich beobachten, dass der virtuelle Austausch die Aufgabenwahrnehmung von Betriebsräten in drei zentralen Punkten deutlich erschwert. Ganz konkret stellt sich die Frage:

  • Wie kann der Betriebsrat unter Homeoffice-Bedingungen prüfen, ob Gesetze eingehalten werden?
  • Welche Möglichkeiten gibt es für ihn, sich auch unter diesen Umständen mit den Beschäftigten auszutauschen und diese am Betriebsratshandeln teilhaben zu lassen?
  • Wie kann es gelingen, die Beschäftigten – auch informell und außerhalb der Arbeit – zu vernetzen?

Kontrolle ausüben

Dass einzelne Beschäftigte während der Corona-Zeit ihre Arbeit im Homeoffice unter fragwürdigen ergonomischen Bedingungen vom Küchentisch, Sofa oder vom Garten oder Balkon aus verrichteten, war vielleicht kurzfristig hinnehmbar. Auf längere Sicht könnte dies aber zu gesundheitlichen Schäden führen, wenn im Homeoffice Arbeitende Arbeitsschutzvorschriften nicht beachten, bestehende Pausenregelungen nicht einhalten, bis spät in die Nacht hinein arbeiten oder stets ihre Arbeit mit ins Wochenende nehmen. Der Betriebsrat hat zu kontrollieren, ob Arbeitszeiten und der Arbeitsschutz eingehalten werden. So sieht es das Gesetz vor. Aber wie kann er dies gewährleisten, wenn Homeoffice zur Dauerarbeitsform wird und gleichzeitig die Unverletzlichkeit der Wohnung beachtet werden muss?

Schutzgesetze anpassen

Für Wirth steht fest, dass die bestehenden Schutzgesetze auf Homeoffice-Arbeit hin angepasst werden müssen. Dieser Prozess sollte durch tarifvertragliche Regelungen flankiert werden. Wichtig ist ihm dabei, dass die Arbeitenden ihre Interessen und Sichtweisen in tarifliche und betriebliche Entscheidungen einbringen können. Mit ihnen wäre beispielsweise zu diskutieren, ob sie selbst Daten und Fakten über ihre tatsächlichen Arbeitszeiten und -bedingungen liefern, damit der Betriebsrat diese auch informationstechnisch auswerten kann. „Wir müssen zu dauerhaften – vielleicht modifizierten – Formen der Kontrollen kommen, die von den Beschäftigten akzeptiert werden“, rät der Wissenschaftler. „Deshalb ist es mir bei meinem Projekt wichtig, nachzufragen: Wie weit ziehen die Betroffenen noch mit, was ist ihnen auf Dauer überhaupt zumutbar?“

Wir müssen zu dauerhaften – vielleicht modifizierten – Formen der Kontrollen kommen, die von den Beschäftigten akzeptiert werden.

Prof. Dr. Carsten Wirth

Technische Standards vereinbaren

Das betrifft auch die technische Ausrüstung bei Mobilarbeit: Anders als bei der Teleheimarbeit, wo die Ausstattung des Telearbeitsplatzes relativ weitgehend durch die Arbeitsstättenverordnung geregelt ist, gibt es bei Homeoffice beziehungsweise mobiler Arbeit nur wenige explizite Standards. „Die aber sind aus meiner Sicht zwingend, wenn diese neuen Arbeitsformen künftig womöglich das ganze Erwerbsleben begleiten“, sagt Wirth. „Doch auch derartige Standards müssen für die Beschäftigten nachvollziehbar, akzeptabel und praktikabel sein, sonst nützen sie nichts.“

Virtuelle Treffen einrichten

Homeoffice hat während der Pandemie eine weitere Schwierigkeit für Betriebsräte offenbart, nämlich die, unkompliziert mit den Beschäftigten in Kontakt zu treten und sich spontan im Gespräch auszutauschen. „Einige Betriebsräte haben in dieser Notsituation wirklich schlau gehandelt und beispielsweise virtuelle Kaffeerunden – etwa im Anschluss an die Mittagspause – eingerichtet, das heißt: niedrigschwellige Angebote, um miteinander zu sprechen und den `Flurfunk´ wiederzubeleben“, berichtet der Wissenschaftler. „Die Frage stellt sich aber auch hier: Lassen sich solche virtuellen Zusammenkünfte auf Dauer einrichten? Machen die Kolleginnen und Kollegen das über längere Zeiträume mit? Und auch mit Blick auf den Datenschutz: Was ist überhaupt machbar?“

Ähnlich verhalte es sich mit anderen Gesprächsformen. Die Gefahr bestehe, so Wirth, dass unter Beschäftigten, die dauerhaft in Homeoffice arbeiten, kollektive Formen der Begegnung etwa im Vorfeld von Tarifrunden oder bei betrieblichen Konflikten kaum noch stattfinden. Das, worum sich Betriebsräte und Gewerkschaften gerade in den letzten Jahren verstärkt bemüht hätten, nämlich die Beschäftigten intensiver in die gewerkschaftliche und Betriebsratsarbeit, in tarifpolitische Entscheidungen und Initiativen vor Ort einzubeziehen, drohe nun verloren zu gehen.

Außerbetriebliche Begegnungen ermöglichen

„Zu prüfen und zu erproben wären daher auch neue Formen außerbetrieblicher Kommunikation, das heißt: informelle Begegnungen am Standort, in der Kneipe oder in irgendeinem anderen Begegnungszentrum“, schlägt Carsten Wirth vor. Solche Treffen ließen sich einrichten, wenn die Gewerkschaftsmitglieder nach Postleitzahlen geordnet angeschrieben beziehungsweise angesprochen würden. „Aber würden sie solche Formen der Begegnung auch wirklich nutzen?“

Tausend Fragen, mit denen der Wissenschaftler im Rahmen dieses Kommunikations-Projekts Betriebsräte konfrontieren möchte, um herauszufinden, welche Erfahrungen diese während der Pandemie in der Kommunikation mit Beschäftigten im Homeoffice gewonnen haben und welche Kommunikationsformen und -wege sich für sie bewährt haben.

Grenzen medialen Arbeitens ausloten

Aber mehr noch bewegt Carsten Wirth grundsätzlich die Frage, in welchem Ausmaß Betriebsräte künftig medial vermittelt arbeiten wollen, welche Medien und mediale Unterstützung sie dafür brauchen, welche Kompetenzen sie benötigen. „Sie stellt sich nicht nur in Office-Bereichen, sondern auch in Produktionsbetrieben, wo nicht alle Beschäftigte Zugang zur digitalen Kommunikation haben und die Ansprache gewöhnlich direkt von Mensch zu Mensch erfolgt.“

Auch andere Aspekte will Wirth mit seinem Projekt bearbeiten: Gibt es geschlechtsspezifische Differenzierungsbedarfe bei der Kommunikation vor dem Hintergrund unterschiedlicher Lebenslagen von weiblichen und männlichen Beschäftigten? Auch in Workshops, in denen ein erweiterter Kreis von Betriebsräten und Mitbestimmungsträger*innen zusammenkommen soll, will der Wissenschaftler tiefere Erkenntnisse über deren Kommunikationspraxis bei Homeoffice und deren Wünsche und Befürchtungen gewinnen. Welche technischen, rechtlichen, tarifvertraglichen und informellen Rahmenbedingungen benötigen sie? Am Ende möchte er die in den Befragungen gewonnenen Ergebnisse zu einem Kommunikationskonzept verdichten, das Betriebsräte für sich je situations- und betriebsspezifisch ausgestalten können.

Ansprechperson des Projekts

Projektleiter: Carsten Wirth

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Förderlinie Transformation

Digitale Transformation, Klimawandel, Energiekosten - Es gibt viele Treiber von Transformationsprozessen. Folgen für die Arbeitswelt sind u.a. ein hoher Veränderungsdruck auf allen Seiten, in Betrieben, Branchen und Regionen. Im Zentrum der neuen Förderlinie Transformation steht daher: Wir entwickeln sehr konkrete Projekte gemeinsam mit Praxispartner*innen und etablieren eine schnelle Entscheidungsfindung über die Förderung. Wir bringen konkrete aktuelle Herausforderungen in der Praxis von Betriebs- und Personalräten mitbestimmter Unternehmen und Organisationen mit wissenschaftlicher Expertise zusammen – betrieblich, regional, lösungsorientiert.